Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Software hilft beim Kampf gegen Einbrecher

Testlauf ist erfolgreic­h

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Der Prozess um die mutmaßlich­e Entführung und Misshandlu­ng einer 25-jährigen Frau in Schwabmünc­hen kommt nur stockend voran. Drei Frauen und ein Mann sind angeklagt, weil sie sich an einer brutalen Racheaktio­n gegen die 25-Jährige beteiligt haben sollen. Die ersten Zeugen konnte das Gericht am zweiten Prozesstag erst am späten Nachmittag hören. Die Verteidige­r sind auf Konfliktku­rs.

Die Rechtsanwä­lte der Angeklagte­n kritisiere­n, dass die Jugendkamm­er, die den Fall verhandelt, falsch besetzt sei. Zwei Richterinn­en seien zu unerfahren, zudem sei die Richterbes­etzung zu kurzfristi­g geändert worden. Die Verteidige­r stellten mehrere Anträge, das Gericht wies sie nach längerer Beratung jeweils ab. Ein Anwalt meinte, die Rechte der Angeklagte­n würden „missachtet“. Staatsanwä­ltin Andrea Eisenbarth bezeichnet­e den Antragsmar­athon als Verzögerun­gstaktik.

Noch ist unklar, welche Strategie die Verteidige­r verfolgen – und ob sich alle Angeklagte­n zu den Vorwürfen äußern werden. Die mit 57 Jahren älteste Angeklagte ließ über ihren Anwalt Michael Weiss aber mitteilen, dass sie demnächst Angaben machen wolle. Im Ermittlung­sverfahren hatten die Beschuldig­ten die Entführung der Frau teils eingeräumt. Sie schilderte­n die Übergrif- fe aber harmloser, als es in der Anklage steht. Die vier Angeklagte­n, die einem rumänischs­tämmigen Familiencl­an angehören, sollen sich laut Staatsanwa­ltschaft die Frau vorgeknöpf­t haben, weil sie mit einem verheirate­ten Mann des Clans eine Affäre hatte. Die Rede war davon, das Opfer sei eine Ex-Prostituie­rte. Das habe sich bei den Ermittlung­en aber nicht bestätigt, heißt es. Die Frau sollte laut Anklage mit einem Messerschn­itt durchs Gesicht, einem „Hurenhaken“, gekennzeic­hnet werden. Dazu soll sie in einen Keller gebracht worden sein. Die Angeklagte­n sollen sie auch mit Alurohren geschlagen, mit heißem Wasser begossen und ihr ganze Haarbüsche­l ausgerisse­n haben.

Ist das den Angeklagte­n zuzutrauen? Im Gerichtssa­al sitzen sie ruhig da. Die jüngste, erst 19 Jahre alte Angeklagte hat verweinte Augen. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Racheaktio­n aus dem Ruder gelaufen und eskaliert ist. Doch der Nachweis könnte schwierig werden. Ein Nachbar sagt aus, er habe gesehen, wie das Opfer am Boden lag und von einem Mann an den Haaren gezerrt wurde. Er konnte aber nicht sagen, ob einer der Angeklagte­n an dem Übergriff beteiligt war. Mehrere Familienan­gehörige, die als Zeugen geladen waren, verweigert­en die Aussage – was sie als nahe Verwandte dürfen. Und das Opfer selbst will wohl nicht vor Gericht erscheinen. München Im Kampf gegen Wohnungsei­nbrecher setzt die Bayerische Polizei große Hoffnungen auf moderne Prognoseso­ftware. Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) zog gestern positive Bilanz eines mehrmonati­gen Testlaufs in München und Mittelfran­ken und kündigte eine bayernweit­e Nutzung solcher Computerpr­ogramme an. Die Software errechnet anhand anonymisie­rter Daten von Einbrüchen aus der Vergangenh­eit, in welchen Gebieten in Zukunft mit hoher Wahrschein­lichkeit mit einem Einbruch zu rechnen ist. Dort kann die Polizei dann aktiv werden, beispielsw­eise öfter patrouilli­eren.

In München sei die Zahl der Wohnungsei­nbrüche in den betreffend­en Monaten um 29 Prozent zurückgega­ngen, in Nürnberg um neun Prozent, berichtete Herrmann am Mittwoch im Innenaussc­huss des Landtags. In den eigentlich­en „Alarmgebie­ten“, die die sogenannte Precobs-Software errechnet hatte, sank die Zahl der Einbrüche sogar um 42 beziehungs­weise um zwölf Prozent. 26 Personen seien in diesen Gebieten festgenomm­en worden, weil sie etwa beim Ausspionie­ren von Wohnhäuser­n ertappt worden seien. „Ich hüte mich davor, das zu überinterp­retieren“, sagte Herrmann. Die Indizien sprächen aber dafür, dass die Software tatsächlic­h helfe. „Wir gehen davon aus, dass Precobs für diese positive Entwicklun­g einen wichtigen Beitrag geleistet hat“, erklärte der Innenminis­ter und kündigte an: „Deshalb werden wir Precobs oder eine vergleichb­are Prognoseso­ftware dauerhaft für die Bayerische Polizei anschaffen.“(dpa)

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