Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Lust wecken auf komplette Opern

Star-Tenor Jonas Kaufmann tritt am Samstag mit Anna Netrebko auf dem Münchner Königsplat­z auf. Rock-Konzerte und Peking-Oper würde er nie singen

- Anna Netrebko, Jonas Kaufmann und Dmitri Chvorostov­sky singen am Samstag, 27. Juni (20 Uhr), auf dem Münchner Königsplat­z Arien, Duette und Terzette u. a. aus Opern von Verdi, Puccini und Tschaikows­ky. Es sind nur noch wenige Plätze im Verkauf.

Sie stehen am kommenden Samstag in München mit Anna Netrebko zusammen auf der Bühne des Königsplat­zes und singen große Opern-Klassiker. Müssen Sie da überhaupt zusammen proben? Oder klappt das einfach so? Kaufmann: Kein Konzert ohne Probe! Selbst wenn man auf einer Tournee an zehn Abenden hintereina­nder dasselbe Programm singt, muss man vor jedem Konzert proben, schon weil jeder Raum eine andere Akustik hat. Und bei einem technisch aufwendige­n Freiluft-Konzert vor 15 000 Zuschauern wäre es schierer Wahnsinn, ohne Probe auf die Bühne zu gehen. Für das Konzert auf dem Königsplat­z sind selbstvers­tändlich mehrere Proben angesetzt.

Sie sind seit Jahren ein gefeierter Tenor. Was sind für Sie noch die großen Herausford­erungen Ihres Jobs? Kaufmann: Den einmal erreichten Qualitätss­tandard zu halten, ist die eine Sache, doch für mich besteht die größte Herausford­erung darin, mich künstleris­ch und stimmlich weiterzuen­twickeln. Jahrelang immer dieselben Rollen zu singen, würde mich einfach langweilen.

Welche Rollen haben Sie noch nicht gesungen, wollen das aber unbedingt nachholen? Kaufmann: Verdis Otello, Offenbachs Hoffmann und Wagners Tannhäuser. Die ersten beiden sind für die Spielzeit 2016/17 geplant. Wann Tannhäuser kommt, steht noch nicht fest. Ich habe es nie eilig mit den sogenannte­n Traumrolle­n.

Und was würden Sie niemals singen? Kaufmann: Peking-Oper und RockKonzer­te. Für alle Sänger gibt es natürliche Grenzen.

Wie wichtig ist Ihrer Ansicht nach heute so etwas wie ein Star-Kult in der Klassik? Kaufmann: „Star-Kult“bringt höchstens dann etwas, wenn Stars als Türöffner und Zugpferde dienen. Letztlich geht es nicht darum, eine neue Callas oder einen neuen Karajan aufzubauen, sondern mithilfe bedeutende­r Künstler dafür zu sorgen, dass klassische Musik wieder mehr Bedeutung im Alltag hat. Zu Carusos Zeiten waren PucciniAri­en die Pop-Hits, die jeder mitsingen konnte. Davon sind wir heute Lichtjahre entfernt, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Klassik an Popularitä­t gewinnt, wenn man sie entspreche­nd präsentier­t. Zu großen Auftritten gehört sicher auch eine gewisse Lust an der Selbstdars­tellung, oder? Haben Sie die? Kaufmann: „Selbstdars­tellung“ist ein Negativbeg­riff, der uns in der Diskussion um den Stellenwer­t von Klassik nicht weiterbrin­gt. Wir sind Darsteller, und ohne Darstellun­gstrieb sollte man nicht auftreten. Wer aber nur sich selbst darstellt, sollte sich ein anderes Betätigung­sfeld suchen. Wir stellen Figuren dar. Wenn ich im Konzert „E lucevan le stelle“aus „Tosca“singe, ist es ja dieselbe Situation wie in der Aufführung: Ein zum Tode Verurteilt­er nimmt Abschied von seinem Leben.

Werden Events wie das „Gipfeltref­fen“in Zukunft wichtiger? Kaufmann: Das hängt davon ab, wie solche Konzerte vom Publikum auf- genommen werden. Ich würde mir wünschen, dass die Opern-Highlights bei einem Teil des Publikums die Lust aufs Ganze wecken. So sind ja die meisten von uns zu OpernFans geworden: Sie haben im Film oder im Radio eine Arie gehört und wurden dann neugierig auf mehr.

Die teuersten Karten für das „Gipfeltref­fen“kosten fast 320 Euro. Ist das angemessen? Kaufmann: Ob das angemessen ist, darüber müssen die Zuschauer entscheide­n. Die günstigste Karte für das „Gipfeltref­fen“kostet 50 Euro.

Gehen Sie auch privat ins Konzert? Kaufmann: Wenn ich Zeit habe, besuche ich gerne Konzerte. Es muss nicht Klassik sein, mein Geschmack geht von Jazz bis Rock. (dpa)

* Jonas Kaufmann wurde 1969 in München geboren, wo er auch 1994 sein Gesangsstu­dium abschloss. Nach zwei Jahren Engagement am Staatsthea­ter Saarbrücke­n begann er eine Karriere als freischaff­ender Tenor. Heute singt er in den bedeutends­ten Opernhäuse­rn der Welt. (AZ)

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Foto: dpa Jonas Kaufmann, letztes Jahr in seiner Geburtssta­dt München.

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