Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Lust wecken auf komplette Opern
Star-Tenor Jonas Kaufmann tritt am Samstag mit Anna Netrebko auf dem Münchner Königsplatz auf. Rock-Konzerte und Peking-Oper würde er nie singen
Sie stehen am kommenden Samstag in München mit Anna Netrebko zusammen auf der Bühne des Königsplatzes und singen große Opern-Klassiker. Müssen Sie da überhaupt zusammen proben? Oder klappt das einfach so? Kaufmann: Kein Konzert ohne Probe! Selbst wenn man auf einer Tournee an zehn Abenden hintereinander dasselbe Programm singt, muss man vor jedem Konzert proben, schon weil jeder Raum eine andere Akustik hat. Und bei einem technisch aufwendigen Freiluft-Konzert vor 15 000 Zuschauern wäre es schierer Wahnsinn, ohne Probe auf die Bühne zu gehen. Für das Konzert auf dem Königsplatz sind selbstverständlich mehrere Proben angesetzt.
Sie sind seit Jahren ein gefeierter Tenor. Was sind für Sie noch die großen Herausforderungen Ihres Jobs? Kaufmann: Den einmal erreichten Qualitätsstandard zu halten, ist die eine Sache, doch für mich besteht die größte Herausforderung darin, mich künstlerisch und stimmlich weiterzuentwickeln. Jahrelang immer dieselben Rollen zu singen, würde mich einfach langweilen.
Welche Rollen haben Sie noch nicht gesungen, wollen das aber unbedingt nachholen? Kaufmann: Verdis Otello, Offenbachs Hoffmann und Wagners Tannhäuser. Die ersten beiden sind für die Spielzeit 2016/17 geplant. Wann Tannhäuser kommt, steht noch nicht fest. Ich habe es nie eilig mit den sogenannten Traumrollen.
Und was würden Sie niemals singen? Kaufmann: Peking-Oper und RockKonzerte. Für alle Sänger gibt es natürliche Grenzen.
Wie wichtig ist Ihrer Ansicht nach heute so etwas wie ein Star-Kult in der Klassik? Kaufmann: „Star-Kult“bringt höchstens dann etwas, wenn Stars als Türöffner und Zugpferde dienen. Letztlich geht es nicht darum, eine neue Callas oder einen neuen Karajan aufzubauen, sondern mithilfe bedeutender Künstler dafür zu sorgen, dass klassische Musik wieder mehr Bedeutung im Alltag hat. Zu Carusos Zeiten waren PucciniArien die Pop-Hits, die jeder mitsingen konnte. Davon sind wir heute Lichtjahre entfernt, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Klassik an Popularität gewinnt, wenn man sie entsprechend präsentiert. Zu großen Auftritten gehört sicher auch eine gewisse Lust an der Selbstdarstellung, oder? Haben Sie die? Kaufmann: „Selbstdarstellung“ist ein Negativbegriff, der uns in der Diskussion um den Stellenwert von Klassik nicht weiterbringt. Wir sind Darsteller, und ohne Darstellungstrieb sollte man nicht auftreten. Wer aber nur sich selbst darstellt, sollte sich ein anderes Betätigungsfeld suchen. Wir stellen Figuren dar. Wenn ich im Konzert „E lucevan le stelle“aus „Tosca“singe, ist es ja dieselbe Situation wie in der Aufführung: Ein zum Tode Verurteilter nimmt Abschied von seinem Leben.
Werden Events wie das „Gipfeltreffen“in Zukunft wichtiger? Kaufmann: Das hängt davon ab, wie solche Konzerte vom Publikum auf- genommen werden. Ich würde mir wünschen, dass die Opern-Highlights bei einem Teil des Publikums die Lust aufs Ganze wecken. So sind ja die meisten von uns zu OpernFans geworden: Sie haben im Film oder im Radio eine Arie gehört und wurden dann neugierig auf mehr.
Die teuersten Karten für das „Gipfeltreffen“kosten fast 320 Euro. Ist das angemessen? Kaufmann: Ob das angemessen ist, darüber müssen die Zuschauer entscheiden. Die günstigste Karte für das „Gipfeltreffen“kostet 50 Euro.
Gehen Sie auch privat ins Konzert? Kaufmann: Wenn ich Zeit habe, besuche ich gerne Konzerte. Es muss nicht Klassik sein, mein Geschmack geht von Jazz bis Rock. (dpa)
* Jonas Kaufmann wurde 1969 in München geboren, wo er auch 1994 sein Gesangsstudium abschloss. Nach zwei Jahren Engagement am Staatstheater Saarbrücken begann er eine Karriere als freischaffender Tenor. Heute singt er in den bedeutendsten Opernhäusern der Welt. (AZ)