Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Heimat etwas Fremdes ist

Nicht nur Botschafte­r haben ein aufregende­s Leben – auch ihre Kinder wechseln alle paar Jahre das Land. Olaf Dröge vom Eukitea-Theater war eines davon

- VON SEBASTIAN KAPP Diplomaten werden vom Auswärtige­n Amt ausgebilde­t. Neben Grundvorau­ssetzungen wie einem Masterstud­ium und Sprachkenn­tnissen in Englisch und Französisc­h und dem Interesse an Außenpolit­ik sollte man unter anderem psychisch und physisch ge

Diedorf „Ich kann mir vorstellen, dass meine Kinder alle drei Jahre die Schule wechseln und ihren Freundeskr­eis aufgeben müssen“– diesen Satz unterschre­ibt quasi jeder, der im Höheren Dienst arbeitet und irgendwann Botschafte­r werden möchte. Es ist Frage 37 der Selbsteins­chätzung, die vom Auswärtige­n Amt vor der Bewerbung empfohlen wird. Eine Frage, über die man als Mittzwanzi­ger vielleicht schnell hinweggeht. Für Olaf Dröge, 35, vom Kinder- und Diedorfer Jugendthea­ter Eukitea, ist sie prägend.

„Heimat, was ist das?“, fragt Dröge. „Ich sehe mich als Weltbürger“, sagt der Schauspiel­er, der zum Teil in Afrika aufgewachs­en ist. Die erste Klasse der Grundschul­e hat er noch in Deutschlan­d mitgemacht, dann wurde sein Vater deutscher Botschafte­r in Burkina Faso. Das liegt in Westafrika, offizielle Amtssprach­e: Französisc­h. Es war die erste Station seines Vaters als Botschafte­r. Der klassische Weg fordert vorher jahrelange Arbeit im Höheren Dienst des Auswärtige­n Amtes, in denen Beamte in verschiede­nsten Ländern in verschiede­nsten Positionen eingesetzt werden, vom Kultur- bis zum Wirtschaft­sreferente­n. Erst nach Jahrzehnte­n winkt vielleicht eine Stelle als Chef einer der 153 Botschafte­n. Für den Vater von Olaf Dröge war es Ende der 1980erJahr­e so weit. „Nach Burkina Faso zu ziehen war damals für mich schrecklic­h. All die Freunde zu verlassen“, erinnert sich Olaf Dröge. „Ich habe mit acht Jahren innerhalb von drei Monaten Französisc­h gelernt. Kinder sind unheimlich lernfähig.“Die Integratio­n allerdings ging langsam vonstatten. „Es gibt eine Art Community unter den Botschafts­angehörige­n. Man bleibt da schon unter sich.“Zumal keine lange Zeit für Bindungen bleibt. Im Schnitt alle drei Jahre ziehen die Botschafte­r weiter, verlassen die Länder wieder. Nach Deutschlan­d kommen sie aber nicht zurück. Sein Abitur machte Olaf Dröge in den Niederland­en. Amtssprach­e: Niederländ­isch. Die Schule allerdings war die deutsche in Holland. „Trotz der Kulturähnl­ichkeiten kamen die Kontakte erst mit der Zeit. Ich habe jedenfalls tiefstes Verständni­s für jeden, der in Deutschlan­d Zeit braucht, um sich zu integriere­n“, sagt Olaf Dröge.

Wenigstens einen Punktsieg konnten die Dröges erringen. „In Holland blieben wir viereinhal­b Jahre – mein Vater konnte verlängern.“Das ist normalerwe­ise nicht möglich, denn die Diplomaten sollen möglichst nicht zu lange am selben Fleck bleiben. Doch Olaf Dröge stand kurz vor seinem Abitur, hätte in der Oberstufe noch mal die Schule wechseln müssen. Da habe es dann eine Kulanz gegeben.

Olaf Dröge steht dennoch hinter der Entscheidu­ng seines Vaters. „Das habe ich ihm nie krummgenom­men, dass er sich für diesen Beruf entschiede­n hat“, sagt er.

Mit dem Abitur war dann die Hollandzei­t vorbei. Während sein Vater dann nach Kamerun versetzt wurde, später nach Estland, ging Olaf Dröge zum Studium nach Deutschlan­d zurück, nach Berlin. „Das habe ich mir selbst ausgesucht – zum ersten Mal in meinem Leben.“Doch auch da hielt es ihn nicht lange. Das Theater Eukitea in Diedorf lotste ihn von der Spree nach Schwaben. „Berlin – Augsburg ist schon eine Umstellung“, gesteht er. „Die Menschen sind hier so heimatverb­unden. Da fühlt man sich einerseits fremd – anderersei­ts kann ich mir da ja vielleicht noch etwas abgucken.“Lies mich! OMehr

Informatio­nen

Wie wird man Diplomat?

findet ihr auf www.auswaertig­es-amt.de

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Olaf Dröge

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