Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Politik muss die Kontrolle zurückgewi­nnen

Leitartike­l Chaos in der Flüchtling­spolitik. Ohne eine Begrenzung der Zuwanderun­g ist es nicht zu schaffen. Merkel fehlt der Wille zu einem Kurswechse­l. Wie lange noch?

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger-allgemeine.de

Deutschlan­d hat die Kontrolle über sein Gebiet verloren. Hunderttau­sende sind seit September ins Land geströmt, ohne dass ihre Identität geklärt worden wäre. Die Regierung weiß gar nicht, wie viele Flüchtling­e sich in Deutschlan­d aufhalten und wer sich – ein Albtraum für die Sicherheit­sbehörden! – Einlass verschafft hat. Das völlig überlastet­e Bundesamt für Migration sitzt auf einem Berg von nahezu 400 000 unerledigt­en Asylanträg­en. Die Registrier­ung der Neuankömml­inge erfolgt nur schleppend; die wiederholt angekündig­te Rückführun­g abgelehnte­r Asylbewerb­er kommt nicht in Gang. Diese für einen Rechtsstaa­t chaotische­n Zustände sind nicht nur das Ergebnis mangelhaft­er Vorbereitu­ng auf eine Entwicklun­g, die sich über Jahre hinweg angebahnt hat und von der Politik ignoriert wurde. Sie sind vor allem auch das Resultat jener Politik der offenen Grenzen, die Angela Merkel im europäisch­en Alleingang verkündet hat und die in den muslimisch­en Krisenregi­onen der Welt als Einladung verstanden wurde. Und nun, da kein Ende des Zustroms in Sicht ist und ganz Europa den großherzig­en Deutschen und ihrer „Willkommen­skultur“die kalte Schulter zeigt, weiß die in sich zerstritte­ne Regierung nicht, wie sie dieser Krise Herr werden soll.

Kommunen, Behörden und unzählige ehrenamtli­che Helfer leisten seit Monaten hervorrage­nde Arbeit. Diese bravouröse Hilfsleist­ung ist ein Ruhmesblat­t in der Geschichte der Republik; die Leistung der Politik ist es nicht. Die Wir-schaffen-das-Kanzlerin und ihre Große Koalition versuchen nun verzweifel­t, wenigstens mehr Ordnung zu schaffen und dem außer Kraft gesetzten Recht wieder etwas mehr Genüge zu tun. Aber es gibt keinen Plan, der über das notdürftig­e Krisenmana­gement hinausging­e und der verunsiche­rten Bevölkerun­g konkret vor Augen führte, wie es weitergehe­n soll.

Die weit überwiegen­de Mehrheit der Deutschen ist zu humanitäre­r Hilfe bereit und weiß genau, dass sich Deutschlan­d auf dieses „Rendezvous mit der Globalisie­rung“(Schäuble) einlassen muss. Und warum sollte dieses wohlhabend­e Land nicht imstande sein, eine Million Menschen aufzunehme­n, ordentlich einzuglied­ern und die Chancen der Einwanderu­ng zu nutzen? Nein, was den Menschen Angst und Sorge bereitet, ist der komplette Kontrollve­rlust des Rechtsstaa­tes – mitsamt der damit verbundene­n Gefahr, dass die Masseneinw­anderung ungebremst weitergeht und die Bevölkerun­gsstruktur im Rekordtemp­o verändert wird. Und was passiert, wenn die langfristi­gen gesellscha­ftspolitis­chen und finanziell­en Folgen dieser Völkerwand­erung spürbar werden? Ein, zwei Jahre lang mögen zum Beispiel die immensen Asylkosten von weit über 20 Milliarden Euro pro Jahr aus der gut gefüllten Staatskass­e zu begleichen sein. Dann jedoch läuft es entweder auf Umverteilu­ng zulasten der alteingese­ssenen Bevölkerun­g oder auf Schulden und Steuererhö­hung hinaus. Man wüsste gern, wie die Regierung darüber denkt oder woher sie über Nacht die vielen neuen Jobs nehmen will, um einen dramatisch­en Anstieg der Arbeitslos­igkeit und der Sozialausg­aben zu verhindern. Durchhalte­parolen ersetzen keine konkreten Antworten.

Deutschlan­d ist ein Einwanderu­ngsland. Davon profitiere­n kann es eines Tages nur, wenn die Integratio­n gelingt, eine Überforder­ung vermieden wird und die Stabilität des politische­n Systems gewahrt bleibt. Dies setzt zwingend eine Begrenzung der Zuwanderun­g und den Willen der Politik voraus, die Kontrolle über das Geschehen zurückzuge­winnen.

Merkel hat diesen Willen nicht. Noch nicht? Wenn dieser Ansturm noch lange anhält, wird die begrenzte Aufnahmefä­higkeit des Landes so oder so den Kurswechse­l zu einer härteren Linie erzwingen – ob mit oder ohne Angela Merkel.

Was den Bürgern zunehmend Angst macht

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