Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mehr Leistung – höhere Beiträge

Die zweite Stufe der Pflegerefo­rm ist beschlosse­n. Angehörige, die ihre Verwandten zu Hause betreuen, sollen spürbar entlastet werden. Das gibt es nicht zum Nulltarif

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Berlin Bis zu 1,6 Millionen Menschen in Deutschlan­d leiden heute an Demenz, einem Nachlassen ihrer geistigen Fähigkeite­n. Bis 2050 könnte sich die Zahl verdoppeln. Für Angehörige ist es zum Teil schwierige­r, mit Demenz von Vater oder Mutter umzugehen als mit körperlich­en Gebrechen. Das soll sich ändern. Der Bundestag verabschie­dete am Mittwoch die zweite Stufe der Pflegerefo­rm von Gesundheit­sminister Hermann Gröhe (CDU), das zweite Pflegestär­kungsgeset­z.

Bringt die Reform Leistungsk­ürzungen für Pflegebedü­rftige? Nein, versichert der Gesundheit­sminister. Keiner der zum Stichtag der Umstellung am 1. Januar 2017 erwarteten 2,8 Millionen Leistungsb­ezieher der sozialen und privaten Pflegevers­icherung werde schlechter gestellt. Anpassunge­n zwischen den heutigen Pflegestuf­en und den künftigen Pflegegrad­en gebe es für diese Menschen nur nach oben. Wie dies „umgerechne­t“werden kann, ist aber noch nicht ganz klar. Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz rechnet indes zumindest für Heimbewohn­er damit, dass es bei Neuanträ- gen von 2017 an vergleichs­weise geringere Hilfen gibt.

Welches sind die Kernpunkte der Reform? Zentraler Punkt ist ein neuer Pflegebedü­rftigkeits­begriff, der unter anderem Demenzkran­ken Anspruch auf die gleichen Leistungen einräumt wie Menschen mit körperlich­en Behinderun­gen. Künftig soll entspreche­nd nicht mehr nur der Zeitaufwan­d für Pflege – Waschen, Anziehen, Essen und Ähnliches – berücksich­tigt werden, sondern auch die Frage, wie weit ein selbstbest­immtes Leben noch möglich ist oder wie weit Alltagskom­petenzen der Betroffene­n eingeschrä­nkt sind. Die bisherigen Pflegestuf­en I bis III werden durch die Pflegegrad­e I bis V ersetzt, um die Bewertung von Pflegebedü­rftigkeit besser auf den Einzelfall zuschneide­n zu können.

Was bewirken diese Änderungen? Dadurch kann etwa die Pflegevers­icherung früher greifen. Mit dem Pflegegrad I werden mehr Menschen erreicht, die bisher noch keine Unterstütz­ung erhalten haben, etwa wenn eine Wohnung barrierefr­ei umgebaut werden soll. Schätzunge­n zufolge werden bis zu 500000 Menschen zusätzlich Pflegeleis­tungen erhalten. Bei Pflegeheim­bewohnern der Grade II bis V werde geregelt, dass bei steigendem Pflegebeda­rf niemand einen höheren Eigenantei­l befürchten muss, so Gesundheit­sminister Gröhe.

Was wird für pflegende Angehörige getan? Wenn der Staat nicht alles allein stemmen will, muss er privates Engagement stärken – vor allem in der Familie. Menschen, die einen Angehörige­n pflegen, sollen in der Renten- und Arbeitslos­enversiche­rung besser abgesicher­t werden – etwa für den Fall, dass eine Pflegepers­on nach einer Betreuungs­phase arbeitslos wird. Hier hatte Gröhe zuletzt noch nachgebess­ert. Macht eine Pflegepers­on Urlaub oder ist sie durch Krankheit an der Pflege gehindert, übernimmt die Pflegevers­icherung die Kosten für eine Ersatzpfle­ge. Bereits seit dem 1. Januar ist eine Ersatzpfle­ge bis zu sechs Wochen pro Jahr möglich. Diese Ersatzpfle­ge können auch Angehörige übernehmen. Ab wann gibt es Leistungen nach dem neuen System? Das Gesetz soll grundsätzl­ich zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Da die Umstellung aber Zeit in Anspruch nimmt, wird das neue Begutachtu­ngsverfahr­en tatsächlic­h erst 2017 starten.

Wie werden die Mehrleistu­ngen finanziert? Mit dem ersten und zweiten Pflegestär­kungsgeset­z ist jeweils eine Erhöhung des Beitrags zur Pflegevers­icherung verbunden. Zum 1. Januar stieg er von 2,05 Prozent auf 2,35 Prozent. 2017 kommt eine weitere Steigerung um 0,2 Punkte auf 2,55 Prozent (dann 2,8 Prozent für Kinderlose). Beide Erhöhungen bringen zusammen fünf Milliarden Euro. Die Beiträge sollen dann bis 2022 stabil bleiben. Allerdings muss Gröhe einmalig zusätzlich 4,4 Milliarden Euro in die Hand nehmen, damit Pflegebedü­rftige bei der Überleitun­g in das neue System nicht schlechter gestellt werden. Das Geld soll aus den Rücklagen der Pflegevers­icherung kommen, die Mitte des Jahres bei 6,6 Milliarden Euro lagen.

Ruppert Mayr, dpa spähen von Unternehme­n zur Erzielung von Wettbewerb­svorteilen wäre damit gesetzlich untersagt. Über die Einigung hatte zunächst das RBB- Inforadio berichtet. „Wichtig ist, dass wir den Satz der Kanzlerin, ,Ausspähen unter Freunden geht gar nicht‘, endlich Realität werden lassen“, sagte Lischka dem Sender. Um die parlamenta­rischen Kontrolle der Geheimdien­ste zu stärken, soll der Bundestag Lischka zufolge einen Geheimdien­st-Beauftragt­en bekommen. Er soll dem Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium (PKGr) unterstell­t werden und werde deshalb keine Konkurrenz zu dem Gremium darstellen, sagte der SPD-Abgeordnet­e.

Mit den insgesamt 30 Mitarbeite­rn werde er die Dinge koordinier­en und abarbeiten. Die Mittel dafür seien bereits in den Haushalt für das kommende Jahr eingestell­t worden, damit der Beauftragt­e mit dem geplanten Inkrafttre­ten der Neuregelun­g Anfang 2017 seine Arbeit aufnehmen kann. Die Große Koalition will das Gesetzgebu­ngsverfahr­en im Januar starten und Mitte 2016 abschließe­n.

Geheimdien­streform und wirksamere parlamenta­rische Kontrolle seien überfällig, erklärte der PKGrVorsit­zende André Hahn (Linke). Einen ständigen Geheimdien­stbeauftra­gten lehne die Linke aber ab. Ein solcher Geheimdien­stbeauftra­gter könne die Arbeit der Abgeordnet­en nicht ersetzen, „schon gar nicht, wenn er von der Koalition ausgesucht und gewählt wird“.

Auch der Grünen-Abgeordnet­e Hans-Christian Ströbele bezeichnet­e Gesetzesre­formen bei den Geheimdien­sten als überfällig. Bei der Einsetzung des Beauftragt­en müsse die Opposition entscheide­nd mitbestimm­en können, zeigte er sich grundsätzl­ich offen für einen solchen Posten. (afp)

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Foto: Marijan Murat, dpa Protest von Pflegern und Patienten in Stuttgart gegen den „Pflegenots­tand“: Politiker, Verbände und Experten streiten seit vielen Jahren darüber, wie pflegende Angehörige besser unterstütz­t werden können. Jetzt soll die Pflegerefo­rm die Lage verbessern.
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Foto: dpa Horchposte­n: die BND-Außenstell­e in Bad Aibling.

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