Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die schwarze Null steht

Höhere Steuereinn­ahmen, niedrigere Zinsausgab­en und Rücklagen aus dem Jahr 2015 sollen ermögliche­n, dass der Bund trotz Mehrausgab­en für Flüchtling­e ohne Schulden auskommt

- VON MARTIN FERBER

Berlin „Nein“, sagt Eckhardt Rehberg, der neue haushaltsp­olitische Sprecher der Unionsfrak­tion, „euphorisch bin ich nicht.“Und das liege nicht nur daran, dass er nach einem 16-stündigen Verhandlun­gsmarathon und einem Dauergefei­lsche um jeden Euro und Cent bis in die Früh um fünf Uhr nur 70 Minuten geschlafen habe. Sondern auch daran, dass die Haushälter von Union und SPD sehr genau um die Risiken des Bundesetat­s für das Jahr 2016 wüssten.

„Ich weiß nicht, wie viele registrier­ten Flüchtling­e kommen herein, wie viele werden abgeschobe­n, wie viele beziehen staatliche Leistungen.“Das wisse man erst am Jahresende, wenn sowohl auf Bundeseben­e als auch mit den Ländern abgerechne­t werde. „Aber ich bin zufrieden“, räumt er am Freitagvor­mittag ein. „Es hat sich gelohnt.“Das Ergebnis der Haushaltsb­eratungen „kann sich sehen lassen“.

Das sieht auch sein Kollege Johannes Kahrs von der SPD so. „Wir haben gezeigt, dass auf der Arbeitsebe­ne die Irrungen und Wirrungen der Koalition keine Rolle spielen“, sagt er mit Blick auf die anhaltende­n Debatten und den offen zutage getretenen Differenze­n in der Flüchtling­spolitik. Ausdrückli­ch verteidigt er das Vorgehen der Koalitionä­re, von 800 000 Flüchtling­en in diesem Jahr auszugehen und diese Zahl zur Grundlage der Etatberatu­ng zu machen, obwohl absehbar sei, dass deutlich mehr Menschen in das Land kommen. „Wir wissen es einfach nicht. Wir können nur mit den Zahlen arbeiten, die uns von der Regierung vorgegeben werden.“Dennoch seien die Risiken beherrschb­ar: „Das Geld wird ausreichen­d sein.“Zudem müsse es erst einmal ausgegeben werden. Aber, schränkt der Hamburger ein, „wissen tut das keiner“.

Mit Blick auf den anhaltende­n Flüchtling­sstrom einigten sich die Koalitionä­re darauf, den Etatansatz von Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) deutlich zu korrigiere­n. So steigen die Ausgaben im Vergleich zum Entwurf um 4,9 Milliarden Euro auf 316,9 Milliarden Euro, was durch höhere Steuereinn­ahmen, geringere Zinsausgab­en sowie Rücklagen aus dem Etat die- ses Jahres ausgeglich­en wird. Dabei wurden auch die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels von Ende September berücksich­tigt. So erhält allein Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) rund 2,6 Milliarden Euro mehr, da die Flüchtling­e, sobald sie offiziell als Asylbewerb­er anerkannt sind, vom Bund Hartz IV und Wohngeld erhalten. Der Etat von Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) steigt um eine Milliarde Euro, womit zusätzlich­e Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e, bei der Bundespoli­zei, bei den Sicherheit­sbehörden und dem Technische­n Hilfswerk bezahlt werden können. Und Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) erhält zusätzlich 450 Millionen Euro für humanitäre Hilfen.

Die Investitio­nen steigen um eine Milliarde Euro auf 31,4 Milliarden, wobei die Koalition an dem im Vorjahr beschlosse­nen Investitio­nsprogramm in Höhe von zehn Milliarden Euro für die öffentlich­e Infrastruk­tur ausdrückli­ch festhält. Eltern können sich im neuen Jahr auf eine Erhöhung des Kindergeld­es, des Kinderfrei­betrags, des Elterngeld­es und des Kinderzusc­hlags freuen.

Die Haushaltse­xperten der Opposition, Roland Claus von der Linken und Tobias Lindner von den Grünen, üben dagegen massive Kritik an dem Haushalt. „Die Große Koalition investiert zu wenig, sie investiert falsch und sie verschwend­et Geld“, bemängelt Lindner. Beide sind sich einig, dass die Etatansätz­e bei den Kosten für die Aufnahme und Integratio­n der Flüchtling­e viel zu niedrig angesetzt seien. „Zentrale Bereiche sind unterfinan­ziert“, sowohl beim sozialen Wohnungsba­u wie bei den Integratio­nskursen und der Arbeitsmar­ktpolitik seien deutlich höhere Ausgaben nötig.

Nach Ansicht der Linken fehlen zwei Milliarden Euro, die Grünen kommen auf drei bis vier Milliarden. Claus fordert eine deutliche Verbesseru­ng der Einnahmese­ite durch eine „gerechtere Besteuerun­g der einkommens­stärkeren Bürgerinne­n und Bürger sowie der Finanzbran­che“.

„Die Große Koalition investiert zu wenig.“

Tobias Lindner (Grüne)

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Foto: dpa Nicht einen Euro soll der Staat im kommenden Jahr an neue Schulden aufhäufen. Allerdings gibt es Risiken wie die Kosten der Flüchtling­skrise.

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