Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die schwarze Null steht
Höhere Steuereinnahmen, niedrigere Zinsausgaben und Rücklagen aus dem Jahr 2015 sollen ermöglichen, dass der Bund trotz Mehrausgaben für Flüchtlinge ohne Schulden auskommt
Berlin „Nein“, sagt Eckhardt Rehberg, der neue haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, „euphorisch bin ich nicht.“Und das liege nicht nur daran, dass er nach einem 16-stündigen Verhandlungsmarathon und einem Dauergefeilsche um jeden Euro und Cent bis in die Früh um fünf Uhr nur 70 Minuten geschlafen habe. Sondern auch daran, dass die Haushälter von Union und SPD sehr genau um die Risiken des Bundesetats für das Jahr 2016 wüssten.
„Ich weiß nicht, wie viele registrierten Flüchtlinge kommen herein, wie viele werden abgeschoben, wie viele beziehen staatliche Leistungen.“Das wisse man erst am Jahresende, wenn sowohl auf Bundesebene als auch mit den Ländern abgerechnet werde. „Aber ich bin zufrieden“, räumt er am Freitagvormittag ein. „Es hat sich gelohnt.“Das Ergebnis der Haushaltsberatungen „kann sich sehen lassen“.
Das sieht auch sein Kollege Johannes Kahrs von der SPD so. „Wir haben gezeigt, dass auf der Arbeitsebene die Irrungen und Wirrungen der Koalition keine Rolle spielen“, sagt er mit Blick auf die anhaltenden Debatten und den offen zutage getretenen Differenzen in der Flüchtlingspolitik. Ausdrücklich verteidigt er das Vorgehen der Koalitionäre, von 800 000 Flüchtlingen in diesem Jahr auszugehen und diese Zahl zur Grundlage der Etatberatung zu machen, obwohl absehbar sei, dass deutlich mehr Menschen in das Land kommen. „Wir wissen es einfach nicht. Wir können nur mit den Zahlen arbeiten, die uns von der Regierung vorgegeben werden.“Dennoch seien die Risiken beherrschbar: „Das Geld wird ausreichend sein.“Zudem müsse es erst einmal ausgegeben werden. Aber, schränkt der Hamburger ein, „wissen tut das keiner“.
Mit Blick auf den anhaltenden Flüchtlingsstrom einigten sich die Koalitionäre darauf, den Etatansatz von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deutlich zu korrigieren. So steigen die Ausgaben im Vergleich zum Entwurf um 4,9 Milliarden Euro auf 316,9 Milliarden Euro, was durch höhere Steuereinnahmen, geringere Zinsausgaben sowie Rücklagen aus dem Etat die- ses Jahres ausgeglichen wird. Dabei wurden auch die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels von Ende September berücksichtigt. So erhält allein Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) rund 2,6 Milliarden Euro mehr, da die Flüchtlinge, sobald sie offiziell als Asylbewerber anerkannt sind, vom Bund Hartz IV und Wohngeld erhalten. Der Etat von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) steigt um eine Milliarde Euro, womit zusätzliche Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, bei der Bundespolizei, bei den Sicherheitsbehörden und dem Technischen Hilfswerk bezahlt werden können. Und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erhält zusätzlich 450 Millionen Euro für humanitäre Hilfen.
Die Investitionen steigen um eine Milliarde Euro auf 31,4 Milliarden, wobei die Koalition an dem im Vorjahr beschlossenen Investitionsprogramm in Höhe von zehn Milliarden Euro für die öffentliche Infrastruktur ausdrücklich festhält. Eltern können sich im neuen Jahr auf eine Erhöhung des Kindergeldes, des Kinderfreibetrags, des Elterngeldes und des Kinderzuschlags freuen.
Die Haushaltsexperten der Opposition, Roland Claus von der Linken und Tobias Lindner von den Grünen, üben dagegen massive Kritik an dem Haushalt. „Die Große Koalition investiert zu wenig, sie investiert falsch und sie verschwendet Geld“, bemängelt Lindner. Beide sind sich einig, dass die Etatansätze bei den Kosten für die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge viel zu niedrig angesetzt seien. „Zentrale Bereiche sind unterfinanziert“, sowohl beim sozialen Wohnungsbau wie bei den Integrationskursen und der Arbeitsmarktpolitik seien deutlich höhere Ausgaben nötig.
Nach Ansicht der Linken fehlen zwei Milliarden Euro, die Grünen kommen auf drei bis vier Milliarden. Claus fordert eine deutliche Verbesserung der Einnahmeseite durch eine „gerechtere Besteuerung der einkommensstärkeren Bürgerinnen und Bürger sowie der Finanzbranche“.
„Die Große Koalition investiert zu wenig.“
Tobias Lindner (Grüne)