Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Konsum rettet die Konjunktur
Bislang übertüncht der starke Verbrauch die Schwächen der deutschen Wirtschaft. Doch die Sorgen wachsen. Denn die Flaute in den Schwellenländern bremst die deutsche Industrie
Wiesbaden Noch kommt die deutsche Wirtschaft trotz des eisigen Gegenwindes aus den schwächelnden Schwellenländern voran. Allerdings nur dank kauflustiger Verbraucher und steigender Konsumausgaben des Staates. Doch die Industrie läuft nicht rund – und der üblicherweise starke Außenhandel bremst das Wachstum sogar. Dabei steuern Deutschlands Exporteure auf ein Rekordjahr zu. Doch die Einfuhren steigen noch schneller, sodass sich der Außenhandel unter dem Strich negativ auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auswirkt. „Der starke Konsum saugt die Importe förmlich an“, erklärt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Insgesamt hat sich der Aufschwung damit etwas verlangsamt, das Wachstum steht zunehmend auf wackeligen Füßen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im dritten Quartal 2015 im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte.
Wachstums-Treiber seien aktuell vor allem Verbraucher, schreibt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer: „Die Beschäftigung steigt, der gefallene Ölpreis hat die Inflation nahe an die Nullgrenze gedrückt, sodass die mit drei Prozent ordentlich steigenden Löhne fast eins zu eins die reale Kaufkraft erhöhen.“Auch der Staat hat einen Anteil am bescheidenen Aufschwung. „Die staatlichen Konsumausgaben stiegen, hierin könnten sich bereits höhere Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge niederschlagen“, vermutet Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank Gruppe.
2016 dürfte sich diese Entwicklung verstärken, glaubt Schmieding: „Im nächsten Jahr könnten diese staatlichen Sonderausgaben das BIP um bis zu 0,6 Prozentpunkte erhöhen.“Doch das ist umstritten. Der Sachverständigenrat schätzt die Impulse durch Flüchtlinge – etwa durch mehr Nachfrage und Wohnungsbau – als eher gering ein. Das zusätzliche Plus wird nach Prognose der Wirtschaftsweisen weniger als 0,1 Prozentpunkte betragen.
So oder so: „Es gibt jede Menge Jobs und steigende Löhne. Auch die Flüchtlinge erhöhen den Konsum. Die Verbraucher-Story geht 2016 weiter“, ist Ökonom Andreas Rees von Unicredit überzeugt. Das wird auch bitter nötig sein. Denn ein Ende der Investitionsflaute ist nicht in Sicht.
„Stiefmütterlich gehen derzeit die Unternehmen mit Investitionen um“, kommentiert VP-Ökonom Gitzel. „Die globalen Unsicherheiten sind groß. Viele Unternehmen blicken mit Sorge nach China.“Deutsche-Bank-Volkswirte stellen eine auffällige Zurückhaltung der Industrie bei Investitionen in Deutschland fest – obwohl viele Mittelständler im Geld schwimmen und Bankkredite günstig sind. Sie warnen: „Gerade für den Hochlohnstandort Deutschland wären jene Investitionen in den heimischen Kapitalstock notwendig, die dazu beitragen, die Produktivität der Unternehmen dauerhaft zu steigern.“
Deutschlands Maschinenbau bremst die Flaute in China bereits spürbar. Nach jüngsten Zahlen des Branchenverbandes VDMA lagen die Aufträge aus dem Ausland im September um 18 Prozent unter Vorjahr. Nach zwei Jahrzehnten zweistelliger Steigerungsraten wächst Chinas Wirtschaft langsamer. Peking erwartet in diesem Jahr rund sieben Prozent Wachstum – so wenig wie seit 24 Jahren nicht mehr. Commerzbank-Experte Krämer
„Auch die Flüchtlinge erhöhen den Konsum. Die Verbraucher-Story geht 2016 weiter.“
Andreas Rees, Unicredit