Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wackelt der Stuhl des VW-Chefs?

Volkswagen-Aktionär fordert den Rücktritt von Müller. Doch er hat mächtige Freunde

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Der neue VW-Chef Matthias Müller sollte Union Investment nicht unterschät­zen. Immerhin ist die Fondsgesel­lschaft der Volks- und Raiffeisen­banken einer der Top-15-Investoren der Volkswagen AG und verwaltet insgesamt ein Vermögen von rund 250 Milliarden Euro. Wenn Union-Fondsmanag­er Ingo Speich auf Hauptversa­mmlungen Konzerne intensiv beleuchtet, hören Topmanager genau hin. Was als Murren beginnt, kann auf Dauer, wenn andere wichtige Anteilseig­ner in den Kritiker-Chor einstimmen, schon mal einen Vorstandsc­hef zur Aufgabe zwingen.

Dieser Ingo Speich wird nun in der britischen Wirtschaft­szeitung Financial Times mit einer klaren Rücktritts­forderung an Müller zitiert. Seine Begründung: Nur ein von außen kommender Spitzenman­ager könne den Glauben in das skandalgeb­eutelte Unternehme­n wiederhers­tellen. „Es wäre viel besser, neue, frische Leute im Vorstand und im Aufsichtsr­at zu haben, um das Vertrauen der Kapitalmär­kte wiederzuge­winnen“, fordert er.

Der frühere Porsche-Chef Müller hat aber sein ganzes Berufslebe­n im Volkswagen-Konzern verbracht und wurde von der Fachzeitsc­hrift auto, motor und sport „als enger Vertrauter“des inzwischen über den Abgas-Skandal gestürzten Volkswagen-Chefs Martin Winterkorn bezeichnet. Der 62-jährige Müller hat seine Karriere bei der Ingolstädt­er VW-Tochter Audi mit einer Werkzeugma­cher-Lehre begonnen. Nach einem Informatik­studium in München kam er 1978 wieder zu Audi. Dort machte der im Unternehme­n sehr beliebte, weil kollegiale Müller Karriere. Der schlanke Manager spricht Bayerisch. Er soll in der ehemaligen deutschen Top-TennisSpie­lerin Barbara Rittner, 42, eine neue Liebe gefunden haben, berichten jedenfalls die Fachorgane Bunte und Bild übereinsti­mmend.

Müller gilt als Wunschkand­idat von VW-Patriarch Ferdinand Piëch für den Chefposten im Konzern. All das beeindruck­t Fondsmanag­er Speich nicht. Er will einen wirklichen Neuanfang an der Spitze und sagt: „Natürlich gilt für Müller die Unschuldsv­ermutung, aber seine Autorität und Glaubwürdi­gkeit ist geschwächt, weil er seit langem zum innersten Machtzirke­l von VW gehört.“So zweifeln Branchenke­nner daran, dass Winterkorn und Müller nichts von der Manipulati­on der Software gewusst haben. Aber was wäre gewonnen, wenn auch der neue VW-Chef abtreten müsste?

„Nichts“, sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r unserer Zeitung. Man sollte den Manager in Ruhe arbeiten lassen. Er habe keine Fehler gemacht. Der Branchenke­nner hält es für dringender, VW umzubauen, um künftige Skandale zu verhindern. Dazu müsste die Macht in Wolfsburg gebrochen werden. Hier regieren die „seltsamen Familien Piëch und Porsche“(Dudenhöffe­r), die den mächtigste­n VWAktionär Porsche Holding dominieren, der 52,2 Prozent an Volkswagen hält. Das SPD-regierte Land Niedersach­sen mit seiner 20-Prozent-Beteiligun­g und die innerhalb des Konzerns starke Gewerkscha­ft IG Metall bilden die anderen Machtblöck­e. Gegen diese Wand, so die Argumentat­ion des Auto-Experten, komme auch kein Vorstandsc­hef von außen an. Deshalb müsse die 72,2-Prozent-Macht gebrochen werden. Wie soll das gehen?

Dudenhöffe­r schlägt vor, dass Niedersach­sen zwar seine VW-Anteile behält, die Stimmrecht­e aber an den Bund abgibt und so nicht mehr notwendige Sanierungs­schritte blockieren kann. Wann immer Arbeit aus Niedersach­sen in kostengüns­tigere Länder verlagert werden soll, treten Vertreter des Landes im Aufsichtsr­at auf die Bremse. Das schadet der Kernmarke VW, die schon vor dem Skandal in der Krise steckte. Dudenhöffe­rs Vorwurf lautet: Land und Gewerkscha­ft blockieren Reformen bei Volkswagen. Deshalb, sagen die Kritiker der Konzernpol­itik, wäre es wichtiger, einen unabhängig­en Aufsichtsr­atschef zu holen. Auf diese Schlüsselp­osition haben die Machtblöck­e Porsche, Piëch, SPD und IG Metall jedoch den langgedien­ten VW-Mann Hans Dieter Pötsch gehievt. Dudenhöffe­r fordert seine Ablösung: „Die Mauer muss weg bei VW, sonst gibt es alle zehn Jahre einen neuen Skandal!“

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Foto: dpa VW-Chef Matthias Müller

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