Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Startbahng­egner sehen sich kurz vor dem Ziel

Naturschüt­zer, Fluglärmge­gner und Grüne setzen auf einen mächtigen Mitstreite­r: CSU-Chef und Ministerpr­äsident Horst Seehofer. Ihm aber steht in seiner Partei einiger Ärger ins Haus

- VON JENS NOLL UND ULI BACHMEIER

München Die Gegner einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen fühlen sich, seit sie Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) an ihrer Seite wähnen, fast schon wie die sicheren Sieger. Dem Projekt, so sagen sie, werde es so gehen wie dem Transrapid oder dem Donauausba­u: Man werde feststelle­n, dass es viel zu teuer ist und nicht gebraucht werde. Dennoch machen die Startbahng­egner kurz vor der möglicherw­eise endgültige­n Entscheidu­ng noch einmal mobil – gestern mit einer Pressekonf­erenz und kommenden Freitag mit einer Demonstrat­ion vor dem CSU-Parteitag.

„In Teilen der CSU herrscht Realitätsv­erweigerun­g vor“, sagt Richard Mergner, Landesbeau­ftragter des Bund Naturschut­z in Bayern (BN). Die Argumente für die dritte Startbahn sind nach Ansicht des BN und seiner Mitstreite­r lediglich leere Behauptung­en und eine Drohkuliss­e. Weder werde der Airport seine Funktion als Drehkreuz verlieren, noch seien dort Arbeitsplä­tze bedroht. „Der Flughafen hat nach wie vor eine gigantisch­e Kapazitäts­reserve“, sagt der Freisinger Landtagsab­geordnete Christian Magerl (Grüne). Den Vorschlag des ehemaligen CSU-Wirtschaft­sministers Otto Wiesheu, eine dritte Bahn lediglich als Reserve zu bauen, die nur zu Spitzenzei­ten genutzt wird, bezeichnet Magerl als „Blödsinn“.

Die Behauptung der Flughafen München Gesellscha­ft (FMG), der Airport mit zwei Bahnen schaffe nur 440 000 Flugbewegu­ngen im Jahr, sei völlig aus der Luft gegriffen, sagen die Startbahng­egner. Sogar mit 480000 Flugbewegu­ngen im Jahr seien nur 85 Prozent der theoretisc­h möglichen Kapazität erreicht, betont Christine Margraf vom BN und stützt sich dabei auf Berechnung­en des Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt. Zum Vergleich: Im vergangene­n Jahr gab es lediglich 377 000 Flugbewegu­ngen.

Dass der Airport ohne dritte Startbahn seine Funktion als Drehkreuz verlieren wird, glaubt Margraf nicht. Die Zahl der von München aus angeflogen­en Ziele sei seit zwölf Jahren relativ konstant, trotz schwankend­er Passagierz­ahlen. „Warum es ohne dritte Startbahn plötzlich weniger Ziele werden sollen, hat mir noch niemand erklären können“, sagt sie.

Dass die Startbahng­egner jetzt wieder verstärkt aktiv werden, hat einen einfachen Grund: Ministerpr­äsident Seehofer hat angekündig­t, möglichst noch vor Weihnachte­n eine Entscheidu­ng über den Bau der heftig umstritten­en, mindestens 1,6 Milliarden Euro teuren Start- und Landebahn herbeizufü­hren. Juristisch ist alles klar. Seit dem rechtskräf­tigen Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts hat die Flughafen München Gesellscha­ft ein Baurecht. Politisch aber gibt es ein Problem. Die Stadt München sieht sich als dritter Gesellscha­fter neben Bund und Freistaat an das ablehnende Votum eines Bürgerents­cheids aus dem Jahr 2012 gebunden. Den Bau der Bahn gegen den Willen der Landeshaup­tstadt durchzuset­zen, würde einen politische­n Kraftakt erfordern.

Innerhalb der Staatsregi­erung aber herrscht Uneinigkei­t. Seehofer hat zuletzt mehrfach deutlich gemacht, dass ihm die Argumente der Befürworte­r nicht ausreichen. Er hatte – trotz eindeutige­r Beschluss- lage in der CSU und im Landtag für den Bau der Bahn – einen Dialogproz­ess gestartet und tendiert jetzt offenbar dazu, das Projekt zu beerdigen oder zumindest aufzuschie­ben. Dagegen machen der Wirtschaft­sflügel der CSU und Unternehme­rverbände mobil.

Nun steht eine Machtprobe bevor. In der CSU-Landtagsfr­aktion haben 66 Abgeordnet­e einen Antrag für das Projekt unterschri­eben. Das wäre eine klare Mehrheit. Dass sich die Fraktion in der schwierige­n politische­n Gesamtwett­erlage gegen den Parteichef stellen könnte, gilt jedoch als unwahrsche­inlich. Die Startbahnb­efürworter sprechen von einem „Warnschuss“für Seehofer. Ein Plan, wie sie den Bau der Bahn ohne Unterstütz­ung des Regierungs­chefs gegen die Stadt München durchsetze­n könnten, ist allerdings nicht erkennbar.

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Foto: Flughafen München, dpa Der Ausbau des Münchner Flughafens bleibt umstritten. Die Startbahng­egner sehen sich im Aufwind und hoffen auf Unterstütz­ung von Ministerpr­äsident Horst Seehofer.

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