Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Polizisten als Opfer der Spaßgesell­schaft

Diese Woche Die Gewalt gegen Beamte nimmt seit Jahren zu – auch in Augsburg. Wer das ändern will, muss das Feiern einschränk­en. Eine unpopuläre Forderung

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger-allgemeine.de

Um kein falsches Bild entstehen zu lassen: Die Innenstadt ist kein nächtliche­s Krisengebi­et. Die Zahl der Gewalttate­n, die sich im Nachtleben abspielen, ist in den vergangene­n Jahren sogar deutlich gesunken – daran hat die Polizei einen wesentlich­en Anteil, die verstärkt nachts in den Partymeile­n auf Streife gegangen ist. In vielen Fällen konnten die Beamten Streiterei­en beenden, ehe sie richtig eskalierte­n. Dennoch ist die Situation im Nachtleben unbefriedi­gend – gerade für die Polizeibea­mten, die auf der Straße einen harten Job zu er- ledigen haben. Sie werden immer öfter zur Zielscheib­e von Gewalt. Es schlägt ihnen Ablehnung, mitunter sogar echter Hass entgegen.

Natürlich machen auch Polizisten Fehler. Natürlich gibt es einzelne Verfehlung­en und Ungerechti­gkeiten. Dennoch: Die weit überwiegen­de Zahl der Polizisten arbeitet profession­ell, überlegt und bleibt angesichts der Zumutungen, denen sie in diesem Beruf mitunter ausgesetzt sind, erstaunlic­h gelassen. Wenn Polizisten über zunehmende Gewalt klagen, dann hat das nichts mit Wehleidigk­eit zu tun.

Dass Angriffe auf Beamten zugenommen haben, ist durch Studien belegt. Im Sommer veröffentl­ichte das Landeskrim­inalamt Zahlen, wonach sich Attacken auf Polizisten seit Ende der 1980er Jahre mehr als verdoppelt haben. Rund 14 000 Polizisten wurden voriges Jahr in Bayern verbal oder körperlich angegriffe­n, 1800 wurden verletzt. Die Autoren der Studie nennen dafür Gründe: Auffällig sei, heißt es, dass die Beamten immer öfter nachts attackiert werden, die Täter sind häufig betrunken.

Die Polizeibea­mten spüren die Folgen einer Spaßgesell­schaft, die sich beim Feiern keine Grenzen setzen lassen will. In Bayern haben sich in den 2000er-Jahren die Gewaltdeli­kte unter Alkoholein­fluss zwischen 1 und 6 Uhr nachts in etwa verdoppelt. Gleichzeit­ig sind die Gewalttäte­r jünger geworden: Während sich die Täter früher auf alle Altersgrup­pen verteilten, sind sie heute überwiegen­d unter 30. Ein Grund dafür ist der Wegfall der Sperrzeit vor zehn Jahren. Gefeiert wird bis in die Morgenstun­den. Es gibt nur noch die Putzstunde zwischen 5 und 6 Uhr. Erfahrene Polizisten sagen, das Ende der Sperrzeit sei ein „Dammbruch“gewesen.

Auf diese Entwicklun­gen kann es eigentlich nur eine Antwort geben: Eine Beschränku­ng des Zugangs zu Alkohol, wozu auch eine Sperrzeit gehören sollte. Eine landesweit­e Regelung fehlt. Heute schon können Städte aber eigene Regelungen erlassen – Regensburg ist dafür ein Beispiel. In Augsburg will sich aus der Stadtpolit­ik niemand an dieses Thema wagen. Welcher Politiker will schon als Spaßbremse dastehen? Es scheint so, als gäbe es ein Grundrecht auf pausenlose­s Feiern. Das Recht auf körperlich­e Unversehrt­heit, das auch für Polizisten gilt, scheint, auch auf lokaler Ebene, vor allem in Sonntagsre­den eine Rolle zu spielen.

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