Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Polizisten als Opfer der Spaßgesellschaft
Diese Woche Die Gewalt gegen Beamte nimmt seit Jahren zu – auch in Augsburg. Wer das ändern will, muss das Feiern einschränken. Eine unpopuläre Forderung
Um kein falsches Bild entstehen zu lassen: Die Innenstadt ist kein nächtliches Krisengebiet. Die Zahl der Gewalttaten, die sich im Nachtleben abspielen, ist in den vergangenen Jahren sogar deutlich gesunken – daran hat die Polizei einen wesentlichen Anteil, die verstärkt nachts in den Partymeilen auf Streife gegangen ist. In vielen Fällen konnten die Beamten Streitereien beenden, ehe sie richtig eskalierten. Dennoch ist die Situation im Nachtleben unbefriedigend – gerade für die Polizeibeamten, die auf der Straße einen harten Job zu er- ledigen haben. Sie werden immer öfter zur Zielscheibe von Gewalt. Es schlägt ihnen Ablehnung, mitunter sogar echter Hass entgegen.
Natürlich machen auch Polizisten Fehler. Natürlich gibt es einzelne Verfehlungen und Ungerechtigkeiten. Dennoch: Die weit überwiegende Zahl der Polizisten arbeitet professionell, überlegt und bleibt angesichts der Zumutungen, denen sie in diesem Beruf mitunter ausgesetzt sind, erstaunlich gelassen. Wenn Polizisten über zunehmende Gewalt klagen, dann hat das nichts mit Wehleidigkeit zu tun.
Dass Angriffe auf Beamten zugenommen haben, ist durch Studien belegt. Im Sommer veröffentlichte das Landeskriminalamt Zahlen, wonach sich Attacken auf Polizisten seit Ende der 1980er Jahre mehr als verdoppelt haben. Rund 14 000 Polizisten wurden voriges Jahr in Bayern verbal oder körperlich angegriffen, 1800 wurden verletzt. Die Autoren der Studie nennen dafür Gründe: Auffällig sei, heißt es, dass die Beamten immer öfter nachts attackiert werden, die Täter sind häufig betrunken.
Die Polizeibeamten spüren die Folgen einer Spaßgesellschaft, die sich beim Feiern keine Grenzen setzen lassen will. In Bayern haben sich in den 2000er-Jahren die Gewaltdelikte unter Alkoholeinfluss zwischen 1 und 6 Uhr nachts in etwa verdoppelt. Gleichzeitig sind die Gewalttäter jünger geworden: Während sich die Täter früher auf alle Altersgruppen verteilten, sind sie heute überwiegend unter 30. Ein Grund dafür ist der Wegfall der Sperrzeit vor zehn Jahren. Gefeiert wird bis in die Morgenstunden. Es gibt nur noch die Putzstunde zwischen 5 und 6 Uhr. Erfahrene Polizisten sagen, das Ende der Sperrzeit sei ein „Dammbruch“gewesen.
Auf diese Entwicklungen kann es eigentlich nur eine Antwort geben: Eine Beschränkung des Zugangs zu Alkohol, wozu auch eine Sperrzeit gehören sollte. Eine landesweite Regelung fehlt. Heute schon können Städte aber eigene Regelungen erlassen – Regensburg ist dafür ein Beispiel. In Augsburg will sich aus der Stadtpolitik niemand an dieses Thema wagen. Welcher Politiker will schon als Spaßbremse dastehen? Es scheint so, als gäbe es ein Grundrecht auf pausenloses Feiern. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das auch für Polizisten gilt, scheint, auch auf lokaler Ebene, vor allem in Sonntagsreden eine Rolle zu spielen.