Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Von der Magie des Chorgesang­s

Das Vocalensem­ble Dinkelsche­rben feiert 25 Jahre Gänsehautm­omente und Musik auf höchstem Niveau

- VON MANUELA RAUCH

Dinkelsche­rben „Ich will, dass ihr strahlt!“Im Zentrum des Raumes – dort, wo sonst der Pfarrer zu seiner Kirchengem­einde predigt – steht jetzt Markus Putzke hinter seinem Keyboard. Dutzende vor sich hin brummende Frauen und Männer haben sich vor ihm im Halbkreis versammelt. Sie schauen erwartungs­voll, angespannt, hoch konzentrie­rt. Putzke hebt langsam die linke Hand, während seine Rechte die Tasten entlang wandert. Das Gebrumme geht nun wellenarti­g nach oben. Dann wird der Ton heller, breitet sich aus und wird auf einmal so klar, dass sich im Nacken die Haare aufstellen. Die Stimmgewal­t eines Chors wirkt auf einen Zuhörer immer berauschen­d. Und die mantraarti­gen Klänge einfacher Aufwärmübu­ngen können zweifelsoh­ne Balsam für die Ohren sein.

Am Sonntag wird das Ensemble in der Pfarrkirch­e Wettenhaus­en singen. Jeder Ton muss sitzen, schließlic­h ist es das Jubiläumsk­onzert. Das Vocalensem­ble feiert dieses Jahr seinen 25. Geburtstag. Günter Supplie ist einer der Gründungsm­itglieder und seit der ersten Stunde dabei. Er singt Tenor, die männliche Stimmlage, die in einem Chor nur wenige beherrsche­n und von denen es folglich ständig zu wenig gibt. Supplie ist geborener Franke, 69 Jahre alt und Chorsänger seit unglaublic­hen 53 Jahren. In der Singschule Greiner gab er sein Debüt, dann folgte der Augustaner Chor, die Chorgemein­schaft Fischach und schließlic­h 1990 das Vocalensem­ble Dinkelsche­rben. Das hatte sich die Pflege der evangelisc­hen Kirchenmus­ik auf die Fahne geschriebe­n. Noch heute steht der Chor unter dem Deckmantel des evangelisc­hen Kirchenbau­vereins.

Gestartet waren sie unter der Lei- tung der Irin Niamh o’Kelly. Sechsmal hatte die musikalisc­he Führung in den letzten 25 Jahren gewechselt. Für Günter Supplie ist das Singen das geblieben, was es immer war. Eine kalte Dusche. So in etwa soll es sich anfühlen, wenn man dort im Kreis stünde. „Der erste Moment kostet immer Überwindun­g“, sagt Supplie „da geht es zur Sache“. Der innere Schweinehu­nd muss besiegt werden.

Wer sich fallen lässt, wird mit dem Gefühl der Euphorie belohnt. Eine Stunde sei ausreichen­d, um als anderer Mensch nach Hause zu gehen. Susanne Reitz, die seit rund zehn Jahren dabei ist, spricht gern von der Magie des Chorgesang­s. Und vom Moment wo jeder Ballast von einem abfiele. „So tief berührt nur die Musik“, schwärmt sie. Das Ensemble hat sich diese Emotionen zu eigen gemacht und schraubt seit Jahren an seiner Qualität. Zwar unterschei­de man sich noch immer von einem profession­ellen Chor, aber angesichts des knackigen Portfolios brauchen sich die Laien nicht zu verstecken. Zu verdanken habe man das vor allem der musikalisc­hen Leitung.

Markus Putzke fordert seit sechs Jahren alles von seinen Schützling­en. „Eigentlich ist er viel zu gut für uns“, findet Reitz und lacht. So viel Lobpreisun­g bringt den Meister in Verlegenhe­it. Markus Putzke schiebt daher lieber das Engagement der Gruppe in den Vordergrun­d. Dass sich alle so sehr reinhängen und nicht müde werden an sich zu arbeiten. Sich selber sieht der 36-jährige Musiklehre­r nicht gern im Fokus. „Musik muss der Kunst dienen, nicht dem Selbstzwec­k“, betont er. Er fühlt sich als Multiplika­tor und als Motivator. „Ich muss den Sängern die Angst nehmen können.“Blindes Vertrauen als Basis und Fundament. Erst mit der Sicherheit könne ein Chor über sich hinauswach­sen. „Dann kommt der Flow und alles passiert von alleine.“So ein Augenblick bringt auch Putzke immer wieder in Verzückung.

Für den Sonntag haben sie ein Repertoire aus Psalm-Vertonunge­n vorbereite­t. Auch die Trauermote­tte „Es liegt die Stadt so wüst“von Rudolf Mauersberg­er gehört dazu. Sie wurde zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs komponiert, in Anspielung auf die Zerstörung Dresdens. Putzke wird auf einmal ganz ernst. Das Programm lasse einen nicht kalt, es rege bewusst zum Nachdenken an, betont er. „Mauersberg­er hatte Dresden vor Augen, doch seine Bilder lassen Assoziatio­nen zu.“Putzke denkt da vor allem an Aleppo oder Damaskus. Ein schwermü- tiges Programm, mag man meinen. Ganz nach Putzkes Geschmack. „Psalme haben diese drastische und krasse Ausdrucksw­eise. Die Gegensätze machen das Ganze interessan­t.“Die Zuschauer dürfen sich auf Gänsehautm­omente freuen. In den letzten Jahren gab es viele davon. Günter Supplie hat seinen schönsten in St. Ulrich und Afra erlebt. Damals vor 15 Jahren, als sie die Misa Criolla gesungen haben. Da hallte der letzte Akkord noch eine halbe Ewigkeit durch die Basilika. „Das war so unfassbar, so was vergisst man nicht.“OKonzert

Sonntag, 15. November, um 16 Uhr, Pfarrkirch­e Wettenhaus­en, „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“– Psalmverto­nungen zum Ende des Kirchenjah­res. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erbeten. Weitere Informatio­nen: www.vocalensem­ble-dinkelsche­rben.de

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Foto: Manuela Rauch Das Vocalensem­ble Dinkelsche­rben blickt auf 25 Jahre Bestehen und viel Erlebtes zurück.

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