Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die bedrohten Riesen
Weshalb das Zusammenleben zwischen Mensch und Baum schwierig ist. Und weshalb es Winterlinden ein wenig leichter haben
schicht befinde sich der mühsam produzierte Traubenzucker, der den Bäumen als Nahrung dient.
Eine tendenziell höhere Überlebenschance hat in diesem Fall die Linde. „Sie ist sehr gewebebildungswillig“, erklärt Helga Wiebe. Wird eine Linde angefahren, tun sich das wasserhaltige Splintholz und die traubenzuckerhaltige Bastschicht erneut zusammen und bilden ein Gewebe, das die angefahrene Stelle verschließt. Derselbe Vorgang, der in der Wissenschaft als Überwallung bezeichnet wird, zeigt sich auch, wenn ein Ast abgesägt wird. In ein paar Wochen ist die Schnittfläche überwallt.
Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass die Linde, und ganz speziell die Winterlinde, ein typischer Stadtbaum geworden ist. Die Winterlinde, die erst vor wenigen Wochen zum Baum des Jahres 2016 gewählt wurde, braucht weniger Wasser, Nährstoffe und Licht als andere Baumarten bzw. als die Sommerlinde. „Die Winterlinde ist biologisch betrachtet genügsam und dabei noch geschichtsträchtig“, erklärt Helga Wiebe die Besonderheit des gekürten Baumes. Die Linde steht in der Geschichte nicht selten für Klarheit, Geselligkeit und Gesundheit und versprüht zur Blütezeit im Juni einen angenehmen Duft.
Neben der Aufklärungsarbeit, die Helga Wiebe betreibt, freut sie sich über Neupflanzungen der Stadt Neusäß. Am Ende des Lohwalds und am Beginn des Schmuttertals stehen einige. Nachdem die Pflanzwanne ausgehoben und die Bäume eingesetzt wurden, wurden Plastikrohre mit angebracht, um eine ausreichende Bewässerung sicherzustellen. Doch diese Aktion ist ebenso arbeits- und kostenintensiv, wie im Falle von Baumaßnahmen im Wurzelbereich von Altbäumen auf einen sogenannten Wurzelvorhang zu setzen. Dabei werden die Wurzeln vorsichtig freigelegt und mit einem feuchten Jutesack umhüllt.
Ein massiver Zaun soll zusätzlich schwere Geräte abhalten, um die Bodenverdichtung zu minimieren. Doch neben der Kostenfrage bleibt auch die Frage: Inwiefern möchten sich die Menschen den natürlichen Gegebenheiten anpassen, die beispielsweise durch Bäume vorgegeben sind?
Für Neugierige
Der Naturpark Augsburg Westliche Wälder hat eines seiner Themenangebote den Bäumen in Dorf und Stadt gewidmet. Ziel soll sein, die andersartigen Lebensbedingungen der Bäume im Asphaltdschungel zu erkennen und ein Problembewusstsein für die Ökologie an dieser Stelle zu entwickeln. Die Gruppenführung ist regional unabhängig buchbar, denn Anschauungsmaterial in Form von umbauten Bäumen gibt es häufig. Anmeldungen und Anfragen sind telefonisch unter 08238/300133 und per E-Mail an wiebe@naturpark-augsburg.de möglich. (brast)