Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Frage der Woche Mütze im Büro tragen?
Die Bürowelt ist ein Paralleluniversum mit eigenen Regeln – geschriebenen und ungeschriebenen, selbst gemachten und fremd bestimmten. Der eine trägt die Firmennadel am Revers, der andere nicht mal ein Sakko. Es fängt ja schon draußen vor der Türe an: Parkplätze, Frauenparkplätze, Parkplätze für die mittlere Führungsebene, Parkplätze für die Leitungsebene. Das sind die, von denen aus man auch bei Schneesturm und Starkregen ohne Kopfbedeckung trockenen Hauptes zum Eingang kommt.
Jene Kollegen, die ab und zu den lieben langen Arbeitstag Mütze tragen, tun das aber nicht, weil sie sich für den weiten Weg vom Normaloparkplatz bis zum Fahrstuhl wappnen mussten und, endlich drin, zu faul zum Ausziehen wären. Vielmehr steht die Mütze symbolisch für ein entspanntes Einverständnis mit der Lage. Sie signalisiert Häuslichkeit. Ich bleibe. Was die Müt- zenträger besonders sympathisch macht, ist ihre souveräne Haltung. Strickware auf dem Kopf könnte ja vom lästernden Kantinenvolk als Schlafmütze oder Schlumpfmütze interpretiert werden. Später im Aufzug grüßen diese Leute dann übrigens gerne den Gesslerhut, wenn der Chef zufällig zusteigt… Nein: Die Mütze – und dazu muss sie nicht einmal rot sein – ist die heimliche Krone des Angestellten, die Jakobinermütze des sanften Unabhängigkeitskämpfers und biedermeierlich geduldigen Revolutionärs. Wer Mütze am Schreibtisch trägt, drückt sowohl Zugehörigkeit zur Höhlengemeinschaft als auch Individualität aus. Der Kopf nämlich, nicht der Hosenboden, ist der richtige Platz für Insignien und Büro-Heraldik. Dass es auch profane Motive gibt, im Büro eine Mütze zu tragen, sei nicht verschwiegen: Manchmal stimmt das Betriebsklima nicht oder es zieht durch die Fensterritzen.
Ich liebe Mützen. Sie halten warm und sind lässig. Außerdem verleihen sie dem Träger ein knuffiges und liebenswertes Aussehen – finde ich. Das ist wahrscheinlich der Kleinkind-Effekt. Inzwischen natürlich auch längst cooler Hipster-Style. Mützen wirken gemütlich. Und wenn keine Zeit für Haarewaschen bleibt, schnell Deckel drauf und fertig. Das ist so praktisch.
Aber im Büro? Da haben Mützen für mich nichts verloren. Und das hat nichts damit zu tun, dass uns einst Lehrer eintrichterten, im Unterricht die Kopfbedeckungen abzunehmen. Das könnte ja fast schon für die Mütze im Büro sprechen. Mützenträger sind nämlich nicht mehr spießig, sondern rebellisch.
Trotzdem, ich finde Mützen am Arbeitsplatz nicht knuffig oder lässig. Ich finde sie dort schlicht und einfach doof. Denn wozu? Es ist warm im Büro! Meist sogar überheizt. Es regnet nicht von der Bürodecke. Schneefall ist ausgeschlossen. Und wenn aus der Chefetage scharfer Wind weht, nützt selbst die dickste Kopfbedeckung nichts mehr. Warum also mit Mütze vor dem PC sitzen? Damit man das Telefon nicht hört? Oder den Kollegen? Weiterträumen. Weil man sich von einfallslos gekleideten Menschen abheben möchte? Das geht auch so ganz gut. Irgendeine Telepathie blockieren? Halt. Das war das andere Thema mit den Aluhüten.
Anfangs habe ich noch gegrübelt, wenn Kollegen bemützt auftauchten. Zumindest kurz. Gegrübelt, welches Statement sie damit abgeben wollen. Eigentlich hätte ich sie einfach mal fragen sollen. Obwohl – inzwischen bin ich überzeugt, dass die Kollegen an ihren Mützen-Tagen lediglich mit ihren Haaren hadern. Und welchen Menschen, der einem nicht nahe steht, spricht man schon gerne auf seine Unzufriedenheit an?