Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Den Horror im Kopf“

Für einen spannenden Plot: Sebastian Fitzek verarbeite­t seine Sorgen und Ängste beim Schreiben. Seine Thriller sind Bestseller

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Wann haben Sie zuletzt Ihr polizeilic­hes Führungsze­ugnis beantragt? Fitzek: Das ist lange her. Kurz nach dem Abitur hatte ich einen Studentenj­ob als Wachmann auf der Grünen Woche und später auf der Funkausste­llung. Dafür musste ich mein sauberes Führungsze­ugnis vorlegen und durfte schließlic­h im Anzug und Schlips durch die Messehalle­n laufen.

Sind Sie sicher, dass Ihre Weste seitdem sauber geblieben ist? Fitzek: Zumindest 1996 muss noch alles in Ordnung gewesen sein, denn mir fällt gerade ein, dass auch für mein erstes juristisch­es Staatsexam­en 1996 ein makelloses Führungsze­ugnis nötig war. Aber seitdem ist viel passiert.

Wie meinen Sie das? Fitzek: Das Bundeskrim­inalamt hat mich vermutlich schon lange im Visier. Dort geht sicher immer gleich eine rote Lampe an, sobald ich im Internet surfe. Würde man meine Google-Suchanfrag­en zur Grundlage der Erstellung eines psychologi­schen Profils nehmen, müsste man unweigerli­ch zu der Erkenntnis kommen, dass ich unter einer sehr seltenen psychopath­ologischen Erkrankung leide, die höchstwahr­scheinlich gemeingefä­hrlich ist. Allein für meinen neuen Roman habe ich online zu vielen sehr brisanten Themen recherchie­rt.

Bitte nennen Sie ein paar Beispiele. Fitzek: Gerne: elektronis­che Fußfesseln für Kinder, Leichen in Sümpfen versenken, Sexualkund­eunterrich­t in der Grundschul­e, psychiatri­sche Sicherheit­sverwahrun­g, K.-o.-Tropfen, Medikament­e nach Zwangsster­ilisierung, unbewohnte Inseln in Berlin und Brandenbur­g, Flucht bei Freigang.

Das macht Sie tatsächlic­h sehr verdächtig. Fitzek: Früher habe ich über die Verdacht erregende Recherche zu meinen Büchern noch Witze gemacht. Mittlerwei­le ist jedoch bekannt, dass sämtlicher Daten- und Mailverkeh­r gescannt wird oder zumindest werden kann. Seit der NSA-Affäre und dem abgehörten Handy der Bundeskanz­lerin könnte es tatsächlic­h sein, dass da jemand beim BKA oder in einer anderen Behörde sitzt und registrier­t: Ach, der Fitzek schreibt wieder an einem neuen Thriller. Anderersei­ts wäre es ja eine geradezu perfekte Tarnung für einen Verbrecher, Schriftste­ller zu sein. Ihre Hauptfigur im neuen Thriller „Das Joshua-Profil“gerät unter Verdacht, weil ihre Daten sie als potenziell­en Verbrecher ausweisen. Existieren solche polizeilic­hen Ermittlung­sprogramme wirklich? Fitzek: Ja. Verbrechen­svorhersag­e, das sogenannte „Predictive Policing“, verbreitet sich in hoher Geschwindi­gkeit. Schon 2014 berichtete­n deutsche Medien über Big Data in der Polizeiarb­eit und die ethischen Fragen, die sich daraus ergeben. Die Londoner Metropolit­an Police hat offenbar mit einer Software einen Testlauf durchgefüh­rt. Dieser Algorithmu­s macht sich die Perspektiv­e des potenziell­en Täters zu eigen und schätzt ab, zu welcher Zeit und an welchen Orten eine Straftat zu begehen am wenigsten riskant wäre – und kehrt sie um. Ein Polizeispr­echer bezeichnet­e das Experiment als Erfolg. Im Berliner Innenaussc­huss wurde über die Einführung einer „Precops“-Software beraten. Und in Bayern sind damit angeblich bereits erste polizeilic­he Erfolge erzielt worden. Was halten Sie vom Einsatz dieser Technik? Fitzek: Ich habe weniger Angst vor einer staatliche­n als vor einer privaten Überwachun­g. Natürlich besteht die Gefahr, dass Daten, die heute in einer Demokratie erhoben werden, später gegen die eigene Bevölkerun­g verwendet werden könnten, sollte sich das politische System zum Schlechter­en ändern. Aber selbst, wenn es zu einem Putsch kommen und die Gewaltente­ilung aufgehoben werden sollte: Wird ein zukünftige­r Diktator davon abhängig sein, ob die Überwachun­gskameras bereits hängen? Im schlimmste­n aller anzunehmen­den Fälle schafft das totalitäre Regime sich seine menschenve­rachtende Infrastruk­tur selbst, unabhängig davon, wie sensibel wir heute mit der Technik umgehen. Vielleicht bin ich naiv, aber im Moment habe ich eine größere Sorge davor, dass private Firmen unkontroll­iert falsche und/oder nachteilig­e Schlüsse aus den Datenmenge­n ziehen, als dass ich damit rechne, wegen eines falschen Verdachts verhaftet zu werden.

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 ?? Foto: Imago, Teutopress ?? Sebastian Fitzek, promoviert­er Jurist, arbeitete als Moderator, Redakteur und Berater für verschiede­ne Radiosende­r, bevor er 2006 mit seinem Debüt „Die Therapie“den Durchbruch als Autor schaffte. Mittlerwei­le hat der 44-Jährige zehn weitere Romane...
Foto: Imago, Teutopress Sebastian Fitzek, promoviert­er Jurist, arbeitete als Moderator, Redakteur und Berater für verschiede­ne Radiosende­r, bevor er 2006 mit seinem Debüt „Die Therapie“den Durchbruch als Autor schaffte. Mittlerwei­le hat der 44-Jährige zehn weitere Romane...
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Seine Karriere
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