Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein deutsch-amerikanis­ches Brotwunder

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Der Durchbruch kam im Jahr 1930. Eine Großbäcker­ei nutzte Otto Rohwedders Erfindung in großem Stil und nannte das Produkt Wunderbrot. Es ging weg wie warme Semmeln. So deutsch der Name des Erfinders klingt, das bedeutende Ereignis fand im mittleren Westen der USA statt. Darum hieß das Wunderbrot auch „Wonder Bread“. Otto Rohwedder hatte, wie Millionen Amerikaner, deutsche Vorfahren. Ob seine Neigung zum Tüfteln mit den Genen der alten Heimat zu tun hatte, lässt sich nicht klären. Jedenfalls beschäftig­te sich der junge Rohwedder, eigentlich ein gelernter Juwelier, schon früh mit allerlei technische­n Erfindunge­n. Seine wichtigste hatte nichts mit seinem Broterwerb als Juwelier zu tun.

Rohwedder baute die erste Brotschnei­demaschine der Welt. Aber das war erst der Anfang der Geschichte. Die Bäcker in Missouri blieben skeptisch. Sie fürchteten, durchaus zu Recht, dass geschnitte­nes Brot viel zu schnell austrockne­t. Für Rohwedder war diese Skepsis der Fachleute ein Ansporn, sein Gerät weiterzuen­twickeln. Und bald darauf trat er mit einer Maschine auf, die das Brot nicht nur schneiden, sondern auch verpacken konnte. Und als ein gewisser Gustav Papendick, ein Landsmann gleicher Herkunft, die Brotschnei­de- und -verpackung­smaschine noch ein bisschen verbessert­e, war der Weg frei für eine neue, überaus bequeme Brotkultur, die nicht lange auf Amerika beschränkt blieb. Niemand hat bisher gezählt, wie viele maschineng­eschnitten­e Toastbrot-Scheiben morgens zum Frühstück weltweit verzehrt werden.

Es war die Industrial­isierung eines Nah- rungsmitte­ls, das schon in der Steinzeit gerne mal gegessen wurde. Als die Menschen noch jagten und sammelten, boten die wilden Körner eine willkommen­e Abwechslun­g. Zur festen Größe wurde das Brot, zunächst flach gebacken, dann durch Hefe aufgelocke­rt, mit dem Beginn der Landwirtsc­haft vor 10000 Jahren im Nahen Osten. Es eroberte, mal hell, mal dunkel, in beiden Erscheinun­gsformen die Welt: flach als Nan oder Pita, dick und locker als Laib, Baguette oder Semmel. Die Semmel ist eine mitteleuro­päische, ziemlich deutsche Sonderform. Doch sie gelangte leicht abgewandel­t als „bun“nach Amerika, wo sie als teigige Begleitung des „Hamburgers“Karriere machte. Ob „bun“, ob Wunderbrot – beides hat einen deutschen Beigeschma­ck.

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