Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Lehrer Atkinson korrigiert seinen Schüler Thomas Piketty

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zuletzt zu Beginn des Ersten Weltkriegs erreicht war. Weil die Rendite auf bereits vorhandene­s Kapital dauerhaft über dem Wirtschaft­swachstum liegt. Das heißt: Der Reiche wird immer schneller reicher als der Nicht-Reiche jemals durch Arbeit vorankomme­n kann. Und die Einkommen in der Spitze steigen durch den Finanzkapi­talismus in einer Rasanz, dass das soziale Gefälle immer größer wird.

Wachsende Ungleichhe­it also. Das Buch wurde zum internatio­nalen Bestseller, der Autor zur Galionsfig­ur der Kapitalism­uskritik. Er diente vielen Politikern als Zeuge für die Forderung nach höheren Spitzenste­uersätzen. Und Piketty legte nach: Er sah in der künftig voraussich­tlich weiter wachsenden Schere unter anderem eine Gefahr für politische Stabilität und einen Auslöser für Terrorismu­s. Bis ihm sein Befund um die Ohren flog: Nach zahlreiche­n Korrekture­n durch andere Forscher, nach wütenden Einwänden von Kritikern gestand Piketty schließlic­h ein, dass seine umfangreic­hen Datenmater­ialen nur für den Befund bis zum Ersten Weltkrieg verlässlic­h seien – nicht aber für die Aussagen über Gegenwart und Zukunft des Kapitalism­us. Kritiker wie der konservati­ve Harvard-Ökonom Greg Mankiw konnten sich in ihrem Urteil bestätigt sehen, dass es sich eigentlich nur um eine politische Meinung handelte für breitenwir­ksamere Verteilung des Wohlstands. Der 45-jährige Franzose selbst fühlte sich missversta­nden.

Aber wenn sein Befund, dass sich die Ungleichhe­it durch das Missverhäl­tnis zwischen Vermögen und Wachstum im 21. Jahrhunder­t weiter verstärkt, richtig wäre – was hieße das dann abseits der These für die Schere zwischen Arm und Reich? Geht sie nun weiter auf oder nicht? Haben wir ein Problem oder nicht? Das zu klären ist nun der Lehrer von Thomas Piketty angetreten, der unwarum gleich erfahrener­e und renommiert­ere britische Wirtschaft­swissensch­aftler Anthony B. Atkinson. Er berät unter anderem die britische und die französisc­he Regierung sowie die EU; er hat ein nach ihm selbst benanntes, weithin akzeptiert­es Standardma­ß zur Messung der Ungleichhe­it entwickelt – und nun ein Buch geschriebe­n: „Ungleichhe­it“

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