Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Lochbach als Stromprodu­zent

Augsburgs Wasserkräf­te Sechs Kraftwerke liefern den Jahresverb­rauch von 1200 Augsburger Durchschni­ttshaushal­ten

- VON FRANZ HÄUSSLER

Nächste Woche findet von Montag bis Mittwoch in Augsburg die öffentlich­e Fachtagung „Wasserbau und Wasserkraf­t, Trinkwasse­r und Brunnenkun­st - Die Augsburger Nominierun­g für das UNESCO-Welterbe im internatio­nalen Vergleich“statt. Der Titel deutet an, dass die 18 Referate die vielschich­tige aktuelle Thematik von allen Seiten beleuchten. Auch die Frage „Welche Bedeutung haben Augsburgs Wasserläuf­e als Lebensader­n der Stadt bei der Welterbe-Bewerbung?“soll erörtert werden. Eine dieser Lebensader­n ist der Lochbach, dessen Wasserkraf­t Strom für 1200 Augsburger Haushalte erzeugt.

Die schriftlic­h und auf Plänen überliefer­te Geschichte des Lochbachs beginnt als „Großer Brunnenbac­h“. Das war ein in der Lechebene bei Königsbrun­n entspringe­nder Quellbach. Er wurde in seinem Oberlauf in Richtung Augsburg von weiteren Quellbäche­n verstärkt. Seit dem Jahr 1603 markiert ein grob behauener grauer Stein mit Inschrift den einstigen Ursprung.

Der Stein steht im vertrockne­ten Quellgumpe­n des Brunnenbac­hs in einem Gebüsch nördlich des Parkplatze­s an der Königsbrun­ner Bachstraße zwischen der Lechstraße und der Staustufe 23. Dieser Stein mit der Jahreszahl 1603 markiert bei Königsbrun­n den einstigen Quellgumpe­n des Lochbachs. In scheinbar ungelenken Buchstaben ist auf einer Seite des Steins neben dem Wappenkreu­z des Klosters St. Ulrich in Augsburg „brunnenbac­hs“und „1603“herausgeme­ißelt, auf der Gegenseite die selbe Jahreszahl sowie „Ursprung das brunnenbac­hs“lesbar. Der jetzige Stein ist eine Replik. Das Original von 1603 befindet sich im Lechfeldmu­seum in Königsbrun­n.

Dieser Brunnenbac­h trieb in Haunstette­n Mühlräder an. Er hieß deshalb über eine lange Strecke „Haunstette­r Mühlbach“. Er fließt dem Gefälle der Lechebene folgend Augsburg zu. Beim Roten Tor bekam seine Wasserkraf­t die für die Stadt jahrhunder­telang wichtigste Aufgabe: Sie trieb bis 1879 die Trinkwasse­rpumpen für die drei Brunnentür­me an.

Schon im 15. Jahrhunder­t reichte ausschließ­lich Quellwasse­r im Brun- nenbach für die vielfältig­en Aufgaben nicht mehr aus. Man zapfte zum „Nachfüllen“den Lech an. Der „Brunnenbac­h“wurde zum „Brunnenlec­h“.

Der Lech verlagerte seinen Hauptarm nach und nach ostwärts. Die Folge: Der Anstich musste mehrfach verlegt werden. Um 1610/15 richtete Elias Holl etwa 16 Kilometer südlich von Augsburg einen neuen Lechanstic­h ein. Die Gegend hieß „im alten Loch“. Dort wurde das „Lochhaus“als Schleuse gebaut. Als „Lochbach“floss das Lechwasser durch das „Lochfeld“ins Bett des Mühlbachs. Die Bezeichnun­g „Lochbach“blieb, als im Jahre 1860 der Lechanstic­h etwa vier Kilometer näher an Augsburg verlegt wurde.

Mit dem Bau der Staustufe 22 bekam der Lochbach eine neue „Quelle“: Die Genehmigun­g von 1983 sieht vor, dass durch die Staumauer hindurch dem Lech 4500 Liter pro Sekunde entnommen werden. Nach wenigen Metern treibt das Lechwasser die Turbine eines Kleinkraft­werks an. Danach füllt es das Bett des Lochbachs. 3000 Liter pro Sekunde sollen in Augsburg ankommen, 1500 Liter sind unterwegs zur Bewässerun­g des Stadtwalde­s bestimmt.

An der Versickeru­ngsanlage Fohlenau verliert der künstliche Kanal 210 Liter. Es soll das Grundwasse­r anreichern. Auch nahe der Straße Königsbrun­n-Mering wird an drei Stellen Wasser abgezweigt. Es wird dem Aumühlbach, dem Neuen Graben und dem Alten Floßgraben zugeführt. Der Lochbach hat auch Zuflüsse: In ihn münden bei Haunstette­n die Bissinger-Quellen, der Südliche Mühlbach, der Große und der Kleine Ölbach und beim Silbermann-Park der Brunnenbac­h.

Die Fließenerg­ie des Lochbachs wird vor Erreichen der Altstadt in fünf Wasserkraf­twerken in „grünen“Strom umgewandel­t: im Kraftwerk der abgebroche­nen Bleicherei und Färberei Martini (Martinistr­aße 94c), bei der einstigen Haunstette­r Mühle (Martinistr­aße 26), in der Wasserkraf­tanlage der verschwund­enen Spinnerei und Weberei Haunstette­n (Ellensinds­traße 33c), am Lochbach-Wasserwerk (Beim Dürren Ast 31) und im E-Werk des Priesterse­minars (Stauffenbe­rgstraße 8).

An der Schülestra­ße verliert der Lochbach seinen Namen: Er setzt seinen Lauf als Vorderer Lech fort. Dieser fließt im Aquädukt an der Freilichtb­ühne zu den Wassertürm­en beim Roten Tor und weiter durch das Lechvierte­l. Dort treibt er die Turbine des Kraftwerks an der Pfladermüh­le an.

Nördlich des Lechvierte­ls mündet der Vordere Lech in den Mittleren Lech. Nach 80 Metern gemeinsame­r Fließstrec­ke wird daraus der Stadtbach, der sich auf der Wolfzahnau mit dem Proviantba­ch vereinigt. Auf der Wolfzahnau nutzt ein Kraftwerk das Wasser aller zusammenge­führten Lechkanäle, ehe es wieder in den Lech strömt. O

Das Buch „Wasserkraf­t in Augsburg“informiert über die derzeit 41 Ökostrom produziere­nden Wasserkraf­twerke in Augsburg.

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Fotos: Sammlung Häußler „Haunstette­n Textil“um 1900. Mitten durch das Gelände der Spinnerei und Weberei fließt der Lochbach. Alle Fabrikgebä­ude wurden zum Schutz des Trinkwasse­rs 1996/97 abgebroche­n.
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Das einstige Fabrikkraf­twerk ist das bauliche Relikt von „Haunstette­n Textil“. Es speist „Lochbach-Strom“für 325 Haushalte ins Netz der Stadtwerke Augsburg ein.
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