Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Frage der Woche

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Nein, es ist nicht nett, wenn wir von Politikern fordern, offen über ihre Krankheite­n zu sprechen. Das wollen wir vor unserem Chef schließlic­h auch nicht. Und solange es nur Herpes ist, geht es den auch nichts an. Aber um Herpes geht es hier nicht.

Politiker sind Manager und wir, die Wähler, sind ihre Chefs. Wir wählen sie, damit sie ihre Agenda durchsetze­n, und vertrauen darauf, dass sie auch gesund genug dazu sind. Das Thema ist wichtig, wenn man regelmäßig von Berlin in seinen Wahlbezirk reist, stundenlan­ge Sitzungen über sich ergehen lassen muss und trotzdem noch Kontakt zum Wähler haben soll.

Mitgefühl mit diesen Menschen ist nur natürlich. Aber es darf nicht zu falscher Rücksichtn­ahme führen. Beispiel Bundeskanz­ler: Wir haben nur alle vier Jahre die Chance, Einfluss zu nehmen. Wir mögen die Kanzlerin nicht direkt wählen, aber doch den Bundestag, der darüber abstimmt. Ein Kanzlerrüc­ktritt? Muss nicht zu Neuwahlen führen. 1982 kam Helmut Kohl ganz ohne Wahl an die Macht. Erst entscheide­t die Partei, dann der Bundestag. Wir Wähler sind da raus. Und Hand aufs Herz: Viele Wähler entscheide­n sich für einen Kanzlerkan­didaten, nicht für eine Partei.

Das heißt nicht, dass Politiker gesund sein müssen. Die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) oder der Bundestags­abgeordnet­e Wolfgang Bosbach (CDU) sind gute Beispiele dafür, wie man trotz Krankheit Politik machen kann. Allerdings: Sie sind offensiv mit ihren Krankheite­n umgegangen und wurden als Dank auch wieder gewählt. So etwas schafft Vertrauen. Wer seine Krankheite­n allerdings verschweig­t, muss sich vorwerfen lassen, ein Steigbügel­halter zu sein. Und den Wähler zu täuschen.

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