Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das Lotterleben des Kardinals
Neuer Fortsetzungsroman Reformpäpste kommen nicht immer gut an in Rom. Davon erzählt Luigi Malerba in seinem Renaissance-Krimi „Die nackten Masken“
Dass ein neuer Papst zu den zehn Geboten und weiteren Richtlinien der Bibel zurückzukehren beabsichtigte, kam in der Kirchengeschichte mehrfach vor. Dies ist für uns – in Zeiten von Papst Franziskus – nicht der Grund, Luigi Malerbas prallen Roman „Die nackten Masken“als neuen Fortsetzungsroman in dieser Zeitung abzudrucken. Aber der Umstand ist zumindest eine hübsche Dreingabe.
Der eigentliche Grund, an dieser Stelle „Die nackten Masken“des 1927 bei Parma und 2008 in Rom gestorbenen Luigi Malerba vorzustellen, liegt in der Leselust, die dieser 1994 im italienischen Original erschienene historische Roman weckt und bietet. Er spielt natürlich in der Heiligen Stadt, und zwar im Jahre 1522, als nach etlichen erfolglosen Wahlgängen ein mehr oder weniger unbekannter Ausländer – Adrian von Utrecht = Hadrian VI. – zum Papst gewählt worden war. Das kam nicht so gut an in Rom – nicht beim Volk und auch nicht bei den Klerikern. Und am wenigsten bei jenen Kardinälen, die schnell spannten, dass sie unter einem Reformpapst nicht mehr so unverblümt das gewohnte Laster- und Lotterleben werden führen können. Wie etwa Kardinal Cosimo Rolando della Torre mit seiner hübschen sommersprossigen rothaarigen Palmira . . .
Das ist der Ausgangspunkt für einen Roman, der kaum das heilige Rom der Spätrenaissance zeichnet, viel mehr ein Haifischbecken von Macht und Kampf und Verbrechen und Korruption. Dieser Roman ist eine Geschichte von Scheinheiligkeit und religiösen Winkelzügen, und er ist auch ein Krimi, in dem – zeitgemäß – Aberglauben, Zauberei und Teufelsaustreibung eine nicht unbedeutende Rolle spielen.
Luigi Malerba, der einst mit Umberto Ecco die Schriftstellervereinigung „Gruppo 63“gegründet hatte, jongliert dabei virtuos mit der überlieferten Vatikan-Geschichte und mit römisch-genussvoll ausgemalter Phantasie. Das führt bei aller lapida- ren Schilderung zu einem Buch voller Witz, Groteske und Satire zwischen den Zeilen. Es endet mit Tod, Teufel und Pest. Die schöne Palmira sagt sich, dass man auch durch Einsamkeit sterben kann. Und sie fragt sich, wann endlich die besseren Zeiten für sie selbst beginnen.