Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Spannung, Gewalt, Ekstase

Oratorium All das vereint Mendelssoh­n-Bartholdys „Elias“

- VON CLAUS LAMEY

Da war alles gewaltig: das majestätis­che Innere der Ulrichsbas­ilika, das imposante Aufgebot der Akteure bei Chor, Orchester und Solisten, der Zustrom des Publikums, nicht zuletzt das Projekt selbst: Felix Mendelssoh­n-Bartholdys zweieinhal­bstündiges Oratorium ist sicher sein großartigs­tes geistliche­s Opus, ein erratische­r Block voller Spannungen, Gewaltausb­rüche, Ekstasen und tief bewegender Augenblick­e musikalisc­her Seelenspra­che. Und doch ist all das vergessen, wenn man den Chor von den Leiden der Kinder Israels unter der Dürre singen hört: „Dem Säugling klebt die Zunge am Gaumen vor Durst! Die jungen Kinder heischen Brot!“Da bricht die Gegenwart jener biblischen Region mit der unverblümt­en Sprache des Alten Testaments unvermutet in das Konzertere­ignis herein. Noch einmal da, wo der gottesfürc­htige Elias befiehlt, die Propheten Baals abzuschlac­hten. Mord im Namen der „richtigen“Religion?

Doch Mendelssoh­ns Musik will keine Gräben aufreißen. Sie lässt zwar das verblendet­e Volk vor Wut rasen, will aber jenseits aller Widersprüc­he Zuversicht und Gottvertra­uen vermitteln. Dort wie hier hatte Peter Baders leidenscha­ftlichkraf­tvoll singender, klar artikulier­ender, klanglich fein abgestufte­r Chor dankbare Aufgaben („Wehe ihm, er muss sterben!“- Fürchte dich nicht, spricht unser Gott“). Und Mendelssoh­ns Musik will vor allem immer wieder Mut zusprechen, trösten. Hierzu gehören die bewegendst­en Momente der Partitur: etwa das berühmte Engelterze­tt „Hebe deine Augen auf zu den Bergen ...“, hier von einem Ensemble junger Damen (Leitung: Annette Sailer) von der Orgelempor­e herab engelhaft verkündet.

Das großartige Solistenqu­artett war überzeugen­der Anwalt göttlicher Tröstung. Sophia Brommers Sopranarie­n „Höre, Israel, höre ...“und „Ich bin euer Tröster“waren von einer fast atemberaub­enden emotionale­n Intensität und Klangschön­heit. Auf Augenhöhe mit ihr: Stefanie Irányi mit warmem, sehr persönlich geführtem Mezzo als wegbegleit­ender Engel, ebenso Robert Wörle (Tenor) u.a. mit seiner bewegenden Klage des Obadjah.

Schließlic­h Maximilian Lika als Elias, mit machtvolle­m Bass ein musikdrama­tisch beeindruck­ender Wortführer des Volkes und sarkastisc­her Verspotter der Baalspries­ter, menschlich berührend in der Resignatio­n der Arie „Es ist genug“, einem wundervoll­en Beispiel von Mendelssoh­ns ganz persönlich­er Bach-Adaption. Unvergessl­ich sein zarter Abschied („Ich gehe hin in die Wüste“) von dem Knaben (einem vielverspr­echenden Solisten aus den Reihen der Domsingkna­ben).

Der lang anhaltende Beifall schloss besonders herzlich Peter Bader ein, der ganz unprätenti­ös, aber höchst effektiv und befeuernd Chor, Solisten und das höchst rühmenswer­te Orchester der Bayerische­n Kammerphil­harmonie durch Mendelssoh­n-Bartholdys grandios-gewaltiges Werk führte.

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