Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Spannung, Gewalt, Ekstase
Oratorium All das vereint Mendelssohn-Bartholdys „Elias“
Da war alles gewaltig: das majestätische Innere der Ulrichsbasilika, das imposante Aufgebot der Akteure bei Chor, Orchester und Solisten, der Zustrom des Publikums, nicht zuletzt das Projekt selbst: Felix Mendelssohn-Bartholdys zweieinhalbstündiges Oratorium ist sicher sein großartigstes geistliches Opus, ein erratischer Block voller Spannungen, Gewaltausbrüche, Ekstasen und tief bewegender Augenblicke musikalischer Seelensprache. Und doch ist all das vergessen, wenn man den Chor von den Leiden der Kinder Israels unter der Dürre singen hört: „Dem Säugling klebt die Zunge am Gaumen vor Durst! Die jungen Kinder heischen Brot!“Da bricht die Gegenwart jener biblischen Region mit der unverblümten Sprache des Alten Testaments unvermutet in das Konzertereignis herein. Noch einmal da, wo der gottesfürchtige Elias befiehlt, die Propheten Baals abzuschlachten. Mord im Namen der „richtigen“Religion?
Doch Mendelssohns Musik will keine Gräben aufreißen. Sie lässt zwar das verblendete Volk vor Wut rasen, will aber jenseits aller Widersprüche Zuversicht und Gottvertrauen vermitteln. Dort wie hier hatte Peter Baders leidenschaftlichkraftvoll singender, klar artikulierender, klanglich fein abgestufter Chor dankbare Aufgaben („Wehe ihm, er muss sterben!“- Fürchte dich nicht, spricht unser Gott“). Und Mendelssohns Musik will vor allem immer wieder Mut zusprechen, trösten. Hierzu gehören die bewegendsten Momente der Partitur: etwa das berühmte Engelterzett „Hebe deine Augen auf zu den Bergen ...“, hier von einem Ensemble junger Damen (Leitung: Annette Sailer) von der Orgelempore herab engelhaft verkündet.
Das großartige Solistenquartett war überzeugender Anwalt göttlicher Tröstung. Sophia Brommers Sopranarien „Höre, Israel, höre ...“und „Ich bin euer Tröster“waren von einer fast atemberaubenden emotionalen Intensität und Klangschönheit. Auf Augenhöhe mit ihr: Stefanie Irányi mit warmem, sehr persönlich geführtem Mezzo als wegbegleitender Engel, ebenso Robert Wörle (Tenor) u.a. mit seiner bewegenden Klage des Obadjah.
Schließlich Maximilian Lika als Elias, mit machtvollem Bass ein musikdramatisch beeindruckender Wortführer des Volkes und sarkastischer Verspotter der Baalspriester, menschlich berührend in der Resignation der Arie „Es ist genug“, einem wundervollen Beispiel von Mendelssohns ganz persönlicher Bach-Adaption. Unvergesslich sein zarter Abschied („Ich gehe hin in die Wüste“) von dem Knaben (einem vielversprechenden Solisten aus den Reihen der Domsingknaben).
Der lang anhaltende Beifall schloss besonders herzlich Peter Bader ein, der ganz unprätentiös, aber höchst effektiv und befeuernd Chor, Solisten und das höchst rühmenswerte Orchester der Bayerischen Kammerphilharmonie durch Mendelssohn-Bartholdys grandios-gewaltiges Werk führte.