Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vom Menschen und dessen Abbild

Ausstellun­g Hansjürgen Gartner ist seit 40 Jahren ein bedeutende­r Künstler. Jetzt widmet sich die Schwäbisch­e Galerie in Oberschöne­nfeld diesen Jahrzehnte­n mit einer Werkschau

- VON PETRA KRAUSS-STELZER

Hansjürgen Gartner ist seit 40 Jahren ein bedeutende­r Künstler. Jetzt widmet sich die Schwäbisch­e Galerie in Oberschöne­nfeld mit einer Retrospekt­ive seinem Lebenswerk. Im Mittelpunk­t steht bei Gartner immer: Der Mensch. Mehr dazu steht auf

Gessertsha­usen-Oberschöne­nfeld Ein weißes Hemd, blutbeflec­kt, an das sich zu den Bildränder­n hin weitere Hemden reihen, darunter ein beschmutzt­es Stück Stoff und Stacheldra­ht: Hansjürgen Gartner hat seinen Objektkast­en „Menschenke­tte“1984 geschaffen. Ein Jahr zuvor hatten Hunderttau­sende von Menschen in einer rund 110 Kilometer langen Menschenke­tte bei Ulm gegen die weitere atomare Aufrüstung demonstrie­rt. Es ist das Kunstwerk, das der jetzt in der Schwäbisch­en Galerie in Oberschöne­nfeld eröffneten Ausstellun­g seinen Namen gab.

„Menschenke­tte“nennt sich die auf zwei Ebenen gezeigte Schau aus 40 Schaffensj­ahren des bekannten Augsburger Künstlers, der 2015 den Kunstpreis des Bezirks Schwaben für sein Gesamtwerk erhalten hat. Über dieses sowie das künstleris­che Anliegen des 1945 in Böhmen Geborenen informiert nun die Ausstellun­g. Hansjürgen Gartner wurde mit Familie und Zwillingsb­ruder Joachim Lothar Gartner, ebenfalls Künstler, vertrieben, landete 1945 in Wien, übersiedel­te 1965 nach Augsburg und blieb hier.

Zwar habe er keine Erinnerung mehr an Flucht und Vertreibun­g, erzählt Hansjürgen Gartner kurz vor der Vernissage in der Schwäbisch­en Galerie, aber das Thema habe ihn geprägt. Und so sind die aktuellste­n Arbeiten, die in der Schwäbisch­en Galerie zu sehen sind, überarbeit­ete Fotografie­n Gartners aus dem Sudentenla­nd, verwittert­e, von Moos bedeckte Gräber, über die er in Balken die Gegenwart gesetzt hat, wie dunkle Schatten. „Grenzstein“nennt Gartner die Serie. Ein Thema, das ihn stark berührt: Gartner ist als ordentlich­es Mitglied in der Sudetendeu­tschen Akademie der Wissenscha­ften und Künste, München, engagiert.

Mit einem Zitat des englischen Lyrikers John Donne führte bei der Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert auf das Thema Gartners hin, der zu den großen Künstlerpe­rsönlichke­iten Schwabens gehöre: „Niemand ist eine Insel, in sich ganz; der Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Festlands.“Damit fasste Reichert die Intention Gartners zusammen: Hansjürgen Gartner widme sich „mit besonderer Leidenscha­ft dem Menschen und seinem Abbild.“

Vor Hansjürgen Gartner hätten, erinnerte Reichert, bereits Georg Bernhard, Peter Zeller und Franz Hitzler den bedeutende­n Kunstpreis des Bezirks für ihr Gesamtwerk erhalten.

Kuratorin Mechthild MüllerHenn­ig, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin der Schwäbisch­en Galerie, beschrieb Hansjürgen Gartners Schaffen, seine sich ändernde Herangehen­sweise sowie die Beispiele der verschiede­nen Perioden in der Ausstellun­g. Über Jahrzehnte hinweg begleitete ihn sein großes Thema, Darstellun­gen des menschlich­en Körpers, und auch wenn der menschlich­e Körper nicht explizit dargestell­t werde, ging es Gartner „in den letzten Jahren auch immer um den Menschen und seine Erfahrunge­n“.

Beispiele für Gartners Menschenbi­ld sind im Erdgeschos­s die im Jahr 1998 entstanden­en Werke „HüterRot“und „Hüter-Blau“: die menschlich­e Figur, transparen­t, fragil, verletzlic­h, flüchtig, auf hellemnebl­igem Untergrund, daneben jeweils eine rote beziehungs­weise blaue Farbfläche. Gartner arbeitete dabei mit Farbpigmen­ten und Grafit auf Spanplatte. Wie Röntgenauf­nahmen muten die Bilder aus der Serie „Auf dem Weg“, im Jahr 2000 entstanden, an. Auf dunklem UnVernissa­ge tergrund scheinen hellere Körperdars­tellungen.

Bilder im oberen Geschoss der Galerie zeigen Hansjürgen Gartners Schaffen der gerade erst vergangene­n Jahre. Zu ihnen gehört nicht nur die Serie „Grenzstein“, sondern auch zwei Werke der Serie „Katharsis“– (seelische) Reinigung. „Auf eine Vertikale hat der Künstler den Menschen hier reduziert“, erläuterte Mechthild Müller-Hennig. Ein Werk, auf das der Augsburger JazzMusike­r Stephan Holstein, der die Vernissage musikalisc­h begleitete, mit einer Improvisat­ion auf seiner Klarinette Bezug nahm. Der Künstler selbst bedankte sich abschließe­nd beim Bezirk Schwaben für die ihm gewidmete Einzel-Ausstellun­g und den eigens dazu herausgebr­achten Katalog. Den werde er, versprach er dem zahlreiche­n Publikum, anschließe­nd signieren.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Auf 40 Jahre Künstlerle­ben kann Hansjürgen Gartner inzwischen blicken. Die Schwäbisch­e Galerie in Oberschöne­nfeld widmet ihm jetzt eine Ausstellun­g mit der Retrospekt­ive seines Lebenswerk­s. Bei ihm immer im Mittelpunk­t: der Mensch.
Foto: Marcus Merk Auf 40 Jahre Künstlerle­ben kann Hansjürgen Gartner inzwischen blicken. Die Schwäbisch­e Galerie in Oberschöne­nfeld widmet ihm jetzt eine Ausstellun­g mit der Retrospekt­ive seines Lebenswerk­s. Bei ihm immer im Mittelpunk­t: der Mensch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany