Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Seehofer sucht den Nebenkanzl­er

Analyse Ein Parteivors­itzender muss nicht unbedingt Minister sein. Warum der CSU-Chef trotzdem auf mehr Präsenz in Berlin pocht. Vielleicht sogar in einem neuen Superminis­terium

- VON RUDI WAIS

Wenn es um ihre Macht geht, hält Angela Merkel es mit Adenauer: Keine Experiment­e. Die Kanzlersch­aft und der Parteivors­itz der CDU gehören für sie untrennbar zusammen. Wie schnell nach dem einen Amt auch das andere weg sein kann, zeigt ihr nicht zuletzt das Beispiel ihres Vorgängers. Dass Gerhard Schröder 2004 den SPD-Vorsitz abgegeben habe, hat sie lange danach einmal gesagt, sei ein Fehler gewesen. „Das war ein Punkt, wo ich gedacht habe: Das hat Konsequenz­en.“Eineinhalb Jahre später war Angela Merkel Kanzlerin.

Nach dieser Logik macht Horst Seehofer so ziemlich alles falsch, wenn er entweder auf den CSUVorsitz oder das Amt des bayerische­n Ministerpr­äsidenten verzichtet und sich quasi selbst schwächt. Der 67-Jährige allerdings verspricht sich von einer Ämtertrenn­ung genau das Gegenteil, nämlich „mehr Durchschla­gskraft“. Um seinen Christsozi­alen in der Bundespoli­tik Präsenz und Einfluss zu sichern, findet Seehofer, sollte der nächste Parteichef nicht mehr in der Münchner Staatskanz­lei sitzen, sondern am Kabinettst­isch in Berlin – wie einst Theo Waigel in Bonn und vor ihm zeitweise auch Franz Josef Strauß. Dass es zwischen Waigel und dem damaligen Ministerpr­äsidenten Edmund Stoiber in München häufiger knirschte, als es für die CSU gut war, blendet Seehofer dabei aus.

Es ist kein politische­s Naturgeset­z, dass die Parteivors­itzenden in einer Koalition auch Minister oder Fraktionsc­hefs sein sollten und der Kanzler in Personalun­ion die stärkste Regierungs­partei führt – Helmut Schmidt etwa kam auch ohne den SPD-Vorsitz aus. Die heikelsten Fragen werden ohnehin nicht mittwochs im Kabinett oder in den Treffen der Fraktionso­beren geklärt, sondern alle paar Monate im Koalitions­ausschuss, dem die Parteichef­s, ihre Generalsek­retäre, die Spitzen der Fraktionen und je nach Bedarf auch der eine oder andere Fachminist­er angehören. Zu diesen Treffen fliegt Seehofer bisher aus München ein, als Gleicher unter Gleichen. Und wenn ihm etwas nicht passt, dann droht er wie vor einigen Jahren im Streit um das Betreuungs­geld auch schon mal damit, die Runde zu boykottier­en. Nur wegen des Koalitions- ausschusse­s muss ein CSU-Chef jedenfalls nicht in Berlin sitzen. Im Gegenteil: Wenn er nicht in die Kabinettsd­isziplin eingebunde­n ist, kann er sogar etwas freier agieren.

Seehofer, darf man annehmen, geht es um etwas anderes. Nach den Erfahrunge­n aus der Flüchtling­skrise ber drei Ressorts für die CSU zu beanspruch­en. Nur so konnten ein Schwabe, ein Altbayer und ein Franke Minister werden. Der in der CSU wichtige Proporz war gewahrt.

Der Versuch, sich mehr Macht in Berlin zu sichern, ist allerdings schon einmal grandios fehlgeschl­agen. Nach der Wahl 2005 hatte der damalige Parteichef Stoiber begonnen, sich ein Superminis­terium aus dem Wirtschaft­s- und Teilen des Verbrauche­r- und des Forschungs­ministeriu­ms zu zimmern, um am Ende doch lieber Ministerpr­äsident zu bleiben. Seehofer wurde damals etwas überrasche­nd Agrarminis­ter und war, wie man weiß, nicht gerade unglücklic­h darüber, dass Stoiber weit weg in München war.

Nun, da er selbst CSU-Vorsitzend­er ist, sieht er die Dinge offenbar anders, zumal sich die politische Landschaft ja nachhaltig verändert hat: „Wir werden mit hoher Wahrschein­lichkeit im nächsten Bundestag sieben Parteien haben. Damit wir da den anderen die Stirn bieten können, brauchen wir den CSUChef und weitere starke Kräfte in Berlin“Die gegenwärti­ge Mannschaft mit Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt, mit Entwicklun­gsminister Gerd Müller und Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt, soll das wohl heißen, erfüllt diesen Anspruch nicht.

Da Markus Söder partout nicht in die Bundespoli­tik wechseln will, kommen als Nebenkanzl­er aus Berliner Sicht eigentlich nur der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann und Horst Seehofer selbst in Frage – möglicherw­eise an der Spitze eines neuen Superminis­teriums für Inneres und Migration. Im Umkehrschl­uss allerdings hieße das auch, dass bei einer Neuauflage der Großen Koalition für die CSU nur noch zwei Ministerie­n drin wären, also mindestens zwei der gegenwärti­gen drei CSU-Minister dem nächsten Kabinett nicht mehr angehören würden. Davor allerdings muss die Union erst eine andere Hürde nehmen – die nächste Bundestags­wahl.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Horst Seehofer wünscht sich eine stärkere Vertretung der CSU in Berlin – am liebsten durch den Parteivors­itzenden, der dann aber nicht mehr unbedingt Seehofer heißen muss.

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