Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Mordfall, der sprachlos macht

Justiz Hat Horst K. seine Frau zerstückel­t, um sich danach in Thailand zu vergnügen? Oder war er verzweifel­t? In Augsburg geht es vor Gericht um eine brutale Tat, die sich schwer erklären lässt

- VON JÖRG HEINZLE

Als seine Frau Grace stirbt, sitzt Horst K. neben ihr und hält ihr die Hand. Wie lange es dauert, bis sie sich nicht mehr bewegt, das weiß er heute nicht mehr. Eine Viertelstu­nde vielleicht, oder auch länger. Es ist Montag, der 30. November 2015, kurz vor dem Morgengrau­en. Horst K., 53, hat in der gemeinsame­n Wohnung in Friedberg bei Augsburg seine Frau umgebracht. Grace stammte von den Philippine­n. Er hatte sie im Internet kennengele­rnt, zehn Jahre waren sie verheirate­t. Nun hat er ihr mit einem Hammer mehrmals auf den Kopf geschlagen, als sie im Bett lag und schlief. Er hat ihr eine Plastiktüt­e über den Kopf gezogen und ein Kissen aufs Gesicht gedrückt. Dann setzt er sich neben sie. Als alles vorbei ist, trinkt er mehrere Bier.

Horst K. erzählt das am Dienstag im Gerichtssa­al in Augsburg ruhig und sachlich. Nur einmal stockt seine Stimme und er scheint den Tränen nahe. Doch er erlangt schnell wieder die Fassung. Alle Blicke im fast voll besetzen Saal sind auf Horst K. gerichtet, als er versucht, die grausame Tat zu erklären. Die Zuschauer sind sichtbar entsetzt von den Details, die sie hören. Horst K. trägt ein weißes Hemd unter dem dunklen Jackett. Man könnte ihn auch für einen Staatsanwa­lt oder ei- nen Verteidige­r halten, wenn man nicht wüsste, dass der unscheinba­re, füllige Mann mit den grauen Haaren der Angeklagte ist. Es gibt schon jetzt, zu Prozessbeg­inn, wenig Zweifel, dass ihn das Schwurgeri­cht am Ende wohl wegen Mordes zu lebenslang­er Haft verurteile­n wird.

Die Ermittler haben Beweise gesammelt, die belegen, dass er die Tat schon Wochen zuvor plant. Horst K., von Beruf Systembetr­euer in einer IT-Firma, stöbert im Internet nach Informatio­nen, wie man mit einem Hammerschl­ag tötet und wie man Leichen verschwind­en lässt. Er sucht nach Schlagwort­en wie „Mord durch Hammer“und „Fleisch verfaulen verhindern“. Die Pläne setzt er um. Noch am Tag der Tat kauft er in einem Baumarkt unter anderem eine Säge und Streusalz. Später zersägt er stundenlan­g die Leiche und legt die Teile in geruchsdic­hten Tüten in dem Salz ein. Die Tüten packt er in Kisten und füllt sie mit Bauschaum aus. Am Tag darauf stellt er die Kisten in einem Mietabteil eines Augsburger Lagerhause­s unter. Er schläft noch eine weitere Nacht in der Friedberge­r Wohnung, dann fliegt er nach Thailand. Dort hat er vor der Tat ein Hotelzimme­r gebucht. Im Badeort Pattaya, einem Zentrum des Sextourism­us.

Hat Horst K. brutal gemordet, um seine Frau loszuwerde­n und sich dann – mit einigen tausend Euro von ihrem Konto – in erotische Abenteuer in Thailand zu stürzen? So sieht es die Staatsanwa­ltschaft. K. zeichnet ein etwas anderes Bild von seinen Motiven. Er erzählt, sein Leben sei von Problemen geprägt gewesen. Er hatte Geldsorgen, Stress im Beruf, Ärger mit den Eltern, einer Ex-Frau und einem Sohn aus dieser Beziehung. Und er fürchtete, Grace könnte ihn verlassen.

Er habe sich umbringen wollen, sagt er, es aber nie geschafft. Durch den Mord an Grace habe er sich unter Druck setzen wollen, die Suizidplän­e umzusetzen. Er habe seine Frau auch nicht alleine zurücklass­en wollen, sagt er. Er habe gewusst, „wie verzweifel­t sie sein würde.“Kann es stimmen, was Horst K. vor Gericht erzählt? Er sagt, er habe sich in Thailand umbringen wolle. Dort habe er zuvor aber noch mit einer Thailänder­in, die er im Internet kennengele­rnt hatte, eine schöne Zeit erleben wollen. Als er in Thailand war, habe er dann zu viel Angst gehabt, seinem Leben ein Ende zu setzen. Als ihm Anfang Januar das Geld ausging und sein Visum abgelaufen war, flog er zurück nach Deutschlan­d. Er mietete sich in einem Landhotel in Hessen ein und wurde dort am Tag nach der Rückkehr festgenomm­en. Er gestand die Tat schnell und führte die Kripobeamt­en zum Versteck der Leiche.

Eine Textdatei, die Horst K. rund zwei Wochen nach der Tat auf seinem Laptop anlegte, trägt den Namen „Warum“. Sie ist jetzt ein wichtiges Beweisstüc­k. Es ist ein Text voller Selbstmitl­eid und Schuldzuwe­isungen – unter anderem an seine Eltern, die ihm aus seiner Sicht zu wenig Zuneigung zukommen ließen. Er schreibt, sein Leben sei von Angst geprägt. Partnerinn­en habe er nur über Agenturen, Anzeigen und das Internet kennengele­rnt. Wenn ihm der Alltag zu viel wurde, kontaktier­te er im Internet asiatische Frauen und reiste – trotz der Ehe mit Grace – mehrmals nach Thailand. Wenn jemand diesen Text auf seinem Computer lese, schreibt K. noch, dann sei er entweder tot – oder im Gefängnis.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Vor Gericht spricht er ruhig und sachlich über die Tat – nur kurz ringt er um Fassung: Horst K., 53, mit seinem Verteidige­r Bernd Scharinger.
Foto: Annette Zoepf Vor Gericht spricht er ruhig und sachlich über die Tat – nur kurz ringt er um Fassung: Horst K., 53, mit seinem Verteidige­r Bernd Scharinger.
 ??  ?? Mit seiner Frau Grace lebte Horst K. zehn Jahre zusammen, ehe er sie tötete.
Mit seiner Frau Grace lebte Horst K. zehn Jahre zusammen, ehe er sie tötete.

Newspapers in German

Newspapers from Germany