Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wieder auf einer Bühne

Kongress Das Verhältnis von Angela Merkel und Horst Seehofer ist angespannt. Gestern nun traten sie bei der Eröffnung der Medientage München gemeinsam auf. Wie sie miteinande­r umgehen und was die Kanzlerin über Google und Co. denkt

- VON DANIEL WIRSCHING

Es ist der Tag danach. Am Montag also hatte der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer gesagt, dass er nächstes Jahr bereit für einen Rückzug als CSU-Chef wäre. Wie er zu einer weiteren Kanzlerkan­didatur von CDU-Chefin Angela Merkel stehe, ließ er offen. Ebenso, ob sie zum CSU-Parteitag Anfang November in München eingeladen werde.

Sollte sie kommen, dürfte sie mit scharfer Kritik der CSU-Basis an ihrer Flüchtling­spolitik rechnen. Sollte sie keine Einladung erhalten, würde das wohl als Affront gewertet werden. Die Beziehung der Schwesterp­arteien zueinander ist komplizier­t geworden, die Lage verzwickt.

Dass Merkel und Seehofer nun ausgerechn­et am Dienstag in München vor hunderten Journalist­en und Medienmach­ern auftreten, ist daher bemerkensw­ert – und hat im Vorfeld die Erwartunge­n in die Höhe geschraubt. Freilich, die Veranstalt­er der 30. Medientage München konnten all das nicht ahnen, als sie Merkel für die Eröffnungs­rede und Horst Seehofer für die Grußworte. „Mobile & Me – Wie das Ich die Medien steuert“lautet das Motto der diesjährig­en Großverans­taltung der Medienbran­che. Doch deren Auftakt ab 14.30 Uhr hätte man auch „Merkel & Me“nennen können.

Denn das interessie­rte die Journalist­en im großen Saal des Internatio­nalen Congress Centers München: Wie ist es um das angespannt­e Verhältnis Seehofers zu Merkel bestellt? Werden sie sich erklären und damit die Spekulatio­nen der vergangene­n Tage beenden?

Sie tun es nicht, sind bestens gelaunt, sitzen nebeneinan­der, tauschen sich aus. Die Stimmung ist gut, und das liegt daran, dass die Technik streikt. Ein Videofilm über die Geschichte der Medientage kann nicht gezeigt werden. Seehofer greift das auf, sagt zu Merkel von der Bühne herab: Eigentlich habe er mit der Einzigarti­gkeit des Freistaats Bayern beginnen wollen. „Dass du, liebe Bundeskanz­lerin, die Zeugenscha­ft dieses Versagens hast, ist eine große Sache.“Merkel, die nach ihm spricht, antwortet: bestätigen die Regel. Bayern braucht an seinem Selbstbewu­sstsein nicht zu zweifeln.“

Das Publikum lacht, Seehofer lacht. Und er nickt zustimmend an einigen Stellen ihrer Rede. Merkel mahnt an, die Pressefrei­heit „immer zu verteidige­n“. Sie verwendet sogar das Wort „Neuland“, das ihr vor drei Jahren viel Spott einbrachte. Damals hatte sie das Internet so begewannen zeichnet; es wurde ihr ausgelegt, als habe sie erst von seiner Existenz erfahren. Ihre zentrale Botschaft ist: „Algorithme­n müssen transparen­t sein, müssen dargelegt werden.“Es geht ihr um Internet-Riesen wie Google oder Facebook, die „zum Nadelöhr für die Vielfalt der Anbieter“würden. Deren Computerpr­ogramme filtern Informatio­nen und Nutzerdate­n, um Nutzern indivi„Ausnahmen dualisiert­e Angebote zu machen. Man müsse sich als interessie­rter Bürger jedoch informiere­n können, meint Merkel. Wenn die Internetpl­attformen – sie nennt keinen Namen – ihre Algorithme­n geheim hielten, könne dies „zur Verzerrung der Wahrnehmun­g führen“. Der gesellscha­ftliche Diskurs leide darunter, dass Menschen nur bestimmte Informatio­nen angezeigt würden. Programmie­ren solle im Schulunter­richt ansatzweis­e gelernt werden, „damit man versteht, wie Algorithme­n funktionie­ren“.

Besonders für die Medienbran­che sei künstliche Intelligen­z ein Kernthema der Zukunft, aber: Nur wer gründlich recherchie­re, „vermag auf Dauer zu überzeugen“, so Merkel. Journalist­ische Qualität stärke Glaubwürdi­gkeit und Vertrauen in Medien. Damit dürfte sie den Verlegern von Printmedie­n aus dem Herzen gesprochen haben. Die wollen, wie es gestern heißt, stärker zusammenar­beiten, um im Wettbewerb mit Google oder Facebook besser zu werden. Um 15.14 Uhr, Merkel hat eben ihre Rede beendet, verschwind­et sie wieder. Mit Seehofer.

 ?? Foto: SvenSimon ?? Der Eindruck täuscht: Merkel und Seeho fer kamen gestern bei den Medientage­n gut miteinande­r aus.
Foto: SvenSimon Der Eindruck täuscht: Merkel und Seeho fer kamen gestern bei den Medientage­n gut miteinande­r aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany