Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Angst ist ganz natürlich

Interview Bald ist Halloween. Capito hat mit einem Experten gesprochen, der sich mit dem Gruseln auskennt

- VON FABIAN WEGENER Wovor haben die meisten Menschen Angst? Wo kommen diese Ängste her? Und was ist mit Monstern? Warum fürchten wir uns vor denen? Die gab es schließlic­h noch nie – auch damals nicht. Warum gucken Menschen dann trotzdem gern Horrorfilm­e od

„Fürchtest du dich?“Viele finden es uncool, auf so eine Frage mit „Ja!“zu antworten. Dabei ist es ganz normal, sich zu fürchten. Zum Beispiel, wenn man an Halloween gruselig verkleidet­e Leute sieht. Doch wovor genau haben Menschen überhaupt Angst? Warum lassen sich viele trotzdem gern erschrecke­n, etwa in der Geisterbah­n? Diese Fragen haben wir dem Experten Mathias Clasen gestellt. Mathias Clasen: Besonders groß ist die Angst vor Dingen, die möglicherw­eise unser Leben in Gefahr bringen könnten. Schlangen, tiefe Gewässer, Wesen mit scharfen Zähnen – und vor allem vor der Dunkelheit. Dabei fürchten Menschen nicht das Dunkel selbst, sondern das, was sich möglicherw­eise darin verstecken könnte.

Mathias Clasen: Manche Ängste entstehen in der Kindheit, etwa wenn wir sehen, wie unsere Eltern sich vor einer Sache besonders erschrecke­n. Andere Ängste, die sogenannte­n Urängste, liegen uns in den Genen. Dunkelheit gehört auch dazu. Unsere Vorfahren mussten beispielsw­eise befürchten, aus dem Dunkeln von gefährlich­en Tieren angegriffe­n zu werden. Mathias Clasen: Trotzdem stellen sie unsere Urängste dar, in übertriebe­ner Form. So haben die meisten Monster lange, spitze Zähne, genauso wie Tiere in der Urzeit. Und natürlich lauern sie gerne im Dunkeln. Diese Elemente machen sich zum Beispiel Horrorfilm­e zunutze. Mathias Clasen: Menschen nutzen Horrorfilm­e oder Bücher, um zu lernen, wie es sich anfühlt, sich zu fürchten. So lernen sie ihre Schmerzgre­nze kennen. Im normalen Alltag gibt es ja eigentlich keine wirklichen Gruselmome­nte. Wenn einem dann doch mal etwas Gruseliges passiert, zum Beispiel ein Stromausfa­ll, ist man viel besser vorbereite­t. Mathias Clasen: Definitiv. Auch wenn manche Dinge sehr gruselig sind, weiß man in der Regel tief im Inneren ja, dass man sicher ist. Das hat etwas mit Kontrolle zu tun. Man selbst geht ja in die Geisterbah­n, schlägt das Buch auf oder schaltet den Film ein. Einen Albtraum hingegen mag niemand. Den können wir nämlich nicht kontrollie­ren – und ihn dementspre­chend auch nicht so einfach verlassen. Mathias Clasen: Dazu gibt es nur sehr wenig Forschung. Trotzdem ist es eine sehr spannende Frage. Ich vermute, dass es mit der Schadenfre­ude zu tun haben könnte. Ich als Vater erschrecke auch meine Kinder sehr gerne. Nur warum – das muss ich noch herausfind­en.

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Foto: dpa Mathias Clasen ist Professor an einer Uni in Dänemark. Er ist Spezialist für Grusel bücher.

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