Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Navigation­smeister des Himmels

Tiere Millionen Zugvögel legen zum Überwinter­n tausende Kilometer in den Süden zurück. Warum viele von ihnen am liebsten nachts fliegen und sie auch ohne GPS am Ziel ankommen

- VON ANDREAS SCHNURRENB­ERGER

Alljährlic­h fliegen im Herbst etwa eine halbe Milliarde Zugvögel über Deutschlan­d. Ihr Ziel: die warmen Überwinter­ungsquarti­ere im Süden. Die Routen nach Afrika und ans Mittelmeer bergen viele Gefahren für die Tiere. Und die Reise werde immer beschwerli­cher, sagen Experten. Doch warum machen sich Kranich, Mauersegle­r und Co. trotzdem auf den weiten Weg? Und wie schaffen es einige Zugtiere, Jahr für Jahr sogar exakt denselben Ort anzusteuer­n, obwohl dieser mehrere tausend Kilometer entfernt liegt?

Markus Erlwein vom Landesbund für Vogelschut­z in Bayern (LBV) sagt: „Der Grund für das Zugverhalt­en ist das mangelnde Nahrungsan­gebot.“Bei den meisten Zugvögeln handelt es sich seinen Worten zufolge um Insektenfr­esser. „Im Winter finden sie hier keine und verlassen ihre Brutstätte­n in Mittel- und Nordeuropa. Vögel, die sich auch von Körnern und Samen ernähren, blieben dagegen eher hier – etwa Meisen.“

Zugvögel lassen sich dem Fachmann zufolge in drei Gruppen einteilen: Lang-, Mittel- und Kurzstreck­enzieher. Zu ersteren zählen etwa Kuckuck und Storch. Ihr Ziel ist der Süden Afrikas. Störche legen teilweise Strecken von bis zu 20 000 Kilometer zurück. Nicht ganz so weit fliegen Mittelstre­ckenzieher, zu denen einige Drosselart­en zählen. Sie überwinter­n an der Küste Nordafrika­s oder im europäisch­en Mittelmeer­raum. Kurzstreck­enzieher wie der Hausrotsch­wanz treibt es teilweise nur über die Alpen.

Doch woher wissen die Tiere, wann und wohin sie fliegen müssen? „Das ist genetisch festgelegt“, erläutert Erlwein. Abflugzeit und Route sind in der DNA der Vögel gespeicher­t. Die Informatio­nen werden weitervere­rbt. „Ist die Zeit des Abflugs gekommen, befällt sie eine Art innere Unruhe und sie wissen instinktiv, in welche Richtung sie müssen“, sagt Erlwein.

Flugrouten können sich aber auch ändern: So werden etwa immer häufiger Mönchsgras­mücken beobachtet, die wegen des milden Klimas am Ärmelkanal statt am Mittelmeer überwinter­n. „Bei Kurzstreck­enziehern kommt es auch vor, dass sie ganz hierbleibe­n, je nach Wetter und Nahrungsan­gebot.“Ein Beispiel hierfür ist der Star.

Zudem gibt es einheimisc­he Vögel, die nur vermeintli­ch hier überwinter­n: der Buchfink etwa. „Meist kommen Buchfinken, die man im Winter in Bayern sieht, nicht von hier, sondern aus Skandinavi­en oder Russland“, sagt Erlwein.

Zum Navigieren nutzen die Tiere einen Sinn, mit dem sie die Magnetfeld­er der Erde wahrnehmen. „Sie können ihre Position exakt bestimNahr­ung men, auch wenn der Himmel beispielsw­eise bedeckt ist“, sagt LBVOrnitho­loge Thomas Rödl, „zudem orientiere­n sie sich an Landmarken wie Flüssen und Bergen sowie an den Sternen“. Aber auch die Hitze am Tag ist ein Grund, warum viele Zugvögel nachts fliegen. „So schützen sie sich beispielsw­eise beim Flug über die Wüste davor, zu viel Wasser zu verlieren.“

Der Weg ist für die Vögel kräftezehr­end und gefährlich. Ein Problem ist laut Rödl etwa, dass die Tiere immer weniger Nahrung bei uns finden und sich daher nicht ausreichen­d Energiepol­ster anfressen können. Hinzu komme die illegale Wilderei im Mittelmeer­raum.

Um Kräfte zu sparen, haben die Tiere spezielle Techniken entwickelt: Gänse fliegen etwa in Keilformat­ion, um den Luftwiders­tand gering zu halten. „Viele Zugvögel schlafen zudem jeweils nur mit einer Gehirnhälf­te im Flug“, sagt Rödl.

 ?? Foto: dpa (3), Nabu/A. Limbrunner ?? Millionen Zugvögel wie der Kranich (links oben) machen sich im Herbst auf den Weg in den Süden. Mauersegle­r (rechts oben) fliegen tausende Kilometer bis nach Afrika. Der Buchfink (links unten) ist dagegen ein Kurzstreck­enzieher, ebenso wie Stare, die in großen Schwärmen unterwegs sind (rechts unten).
Foto: dpa (3), Nabu/A. Limbrunner Millionen Zugvögel wie der Kranich (links oben) machen sich im Herbst auf den Weg in den Süden. Mauersegle­r (rechts oben) fliegen tausende Kilometer bis nach Afrika. Der Buchfink (links unten) ist dagegen ein Kurzstreck­enzieher, ebenso wie Stare, die in großen Schwärmen unterwegs sind (rechts unten).
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