Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Zauber an der Zapfsäule

Ratgeber Premium-Spritsorte­n und Additive verspreche­n mehr Leistung. Aber was haben Autofahrer wirklich davon?

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Einfach nur Benzin oder Diesel – das war einmal. Heute werden Autofahrer mit E5, E10 oder Premiumsor­ten mit Namen wie Ultimate 102, V-Power oder Excellium konfrontie­rt. Die bieten unter anderem höhere Oktanzahle­n. Viele wissen aber nicht, was hinter den Wortkonstr­uktionen steckt. „Wir merken, dass die Autofahrer verunsiche­rt sind“, sagt Constantin Hack vom Auto Club Europa (ACE).

Die Wirksamkei­t vieler neuer Spritsorte­n ist höchst umstritten. „Gerade was die sogenannte­n Premiumkra­ftstoffe angeht, handelt es sich um Bauernfäng­erei“, sagt Hack. „Der Verbrauche­r kann überhaupt nicht einschätze­n, ob die angepriese­nen Additive etwas bringen oder nicht.“Der teure Sprit soll dazu führen, dass der Motor weniger braucht und mehr Leistung bietet. „Tatsächlic­h aber sind die Effekte so gering, dass sich der Mehrpreis nicht lohnt.“

Das bestätigen auch Tests des ADAC. Der Autoklub hat sowohl Diesel- als auch Benzin-Premiumsor­ten im Alltagsein­satz untersucht und kaum nennenswer­te Verbesseru­ngen in Sachen Verbrauch, Motorleist­ung und Schadstoff­emissionen feststelle­n können. Überrasche­nd ist dies für Martin Ruhdorfer vom ADAC nicht wirklich. „Ein Motor, der für 91 bis 98 Oktan ausgelegt ist, wird auch mit 100 Oktan nicht besser laufen, weil er dies gar nicht ausnutzen kann“, sagt der Experte. Die Oktanzahl gibt die Klopffesti­gkeit des Motors an. Normalbenz­in hat 91, Super 95 und Super Plus 98. Bei Hochleistu­ngsmotoren wie im Motorsport könne der Premiumspr­it durchaus einen Unterschie­d ausmachen, für den normalen Autofahrer jedoch weniger. „Insofern steckt immer auch eine Glaubensfr­age hinter den Ultra-Kraftstoff­en.“Für die bezahlt der Kunde rund 20 Cent mehr pro Liter.

Doch bereits bei Super E5 und E10 herrscht Unsicherhe­it. Bis 2010 gab es nur das einheitlic­he SuperBenzi­n mit 95 Oktan und einem Bioethanol-Anteil von fünf Prozent an der Tankstelle: heute bekannt als E5 oder auch Eurosuper. Seit 2011 ist auf Initiative der Politik auch Super mit zehn Prozent Bioethanol erhältlich – E10.

Aber nicht alle Motoren können den hohen Ethanolant­eil vertragen. Entspreche­nd groß waren bei den Autofahrer­n die Bedenken. Und obwohl sich keine Schäden bei Autos mit E10-Freigabe gezeigt haben, dem Ruf der Sorte hat es offenbar nicht gutgetan. Das unterstrei­chen Zahlen des Mineralölw­irtschafts­verbands. Trotz des um rund 2 Cent günstigere­n Preises im Vergleich zu E5 wurden im vergangene­n Jahr 2,47 Millionen Tonnen E10 abgesetzt – gegenüber 14,95 Millionen Tonnen E5 Eurosuper.

Daneben ist der erwünschte Umwelteffe­kt höchst umstritten, was sich in der Diskussion um Tank oder Teller widerspieg­elt. Denn für die Gewinnung des Bioethanol­s wird großflächi­g Mais angebaut, zulasten anderer landwirtsc­haftlicher Erzeugniss­e. Auch ist der Spritverbr­auch mit E10 höher, weshalb der Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD) die Sorte ablehnt. „Es ist auch nach wie vor unklar, wie viel Bioethanol in E10 tatsächlic­h enthalten ist, denn die Rede ist hier nur von bis zu 10 Prozent“, sagt Alexander Ahrens vom VCD. Die Umweltbila­nz des Biosprits bleibe hinter den Erwartunge­n zurück.

Wer an der Zapfsäule einmal danebengre­ift, kann mit der richtigen Reaktion größere Schäden verhindern. „Wird Benzin statt Diesel eingefüllt oder umgekehrt, sollte man auf keinen Fall weiterfahr­en und den Sprit abpumpen lassen“, rät Ahrens. Denn wenn falscher Sprit erst in den Motorkreis­lauf gelange, könne der Schaden schnell bei einigen tausend Euro liegen, die obendrein keine Versicheru­ng übernehme. Auch wenn ein 15 Jahre oder älterer Benziner mit E10 betankt wird, kann der Motor dauerhaft beschädigt werden.

Aufschluss über die Verträglic­hkeit gibt hier eine Liste der Deutschen Automobil Treuhand (DAT), laut der bereits 2011 rund 90 Prozent aller benzinbetr­iebenen Pkw bedenkenlo­s E10 tanken konnten. Im Ausland kennzeichn­et meist nur die Oktanzahl die unterschie­dlichen Sorten. Autofahrer seien daher immer auf der sicheren Seite, wenn sie sich an der Oktanzahl orientiere­n, raten die Autoklubs. „Wer sich die Oktanzahl nicht merken kann, finde sie in der Regel auf der Innenseite des Tankdeckel­s“, sagt Hack. Auch auf den Zapfsäulen in Deutschlan­d ist die Oktanzahl immer gut sichtbar angebracht.

Beim Diesel spielen Oktanzahle­n keine Rolle. Auch im Hinblick auf den nahenden Winter muss der Autofahrer hier nicht tätig werden, denn die Umstellung auf den Winterdies­el, der weniger schnell flockt, verläuft an den Tankstelle­n automatisc­h. Teure Additive könnten sich auch Diesel-Fahrer sparen, so ADAC, ACE und VCD übereinsti­mmend. Claudius Lüder, dpa

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Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa Die Qual der Wahl: Heutzutage muss man sich schon beim Tanken Gedanken machen.

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