Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die späte Entdeckung eines spannenden Buchs
Architektur Die Baugeschichte war sein Steckenpferd, vor allem die Augsburgs. Mit einer ungeheuren Energie erforschte Eugen Hausladen die Vergangenheit. Dann starb er früh. Erst 90 Jahre später sind die Früchte seiner Arbeit zu sehen
Stadtbaumeister Bernhard Zwitzel hatte Pech: Das Ballhaus bei St. Anna, das er im Jahr 1548 erbaut hatte, stürzte ein. Weil es damals, im 16. Jahrhundert, keine Versicherung für städtische Baubeamte gab, musste Zwitzel das Gebäude auf eigene Kosten wieder aufbauen. Der 1562/63 errichtete Ersatzbau wurde allerdings nicht mehr als Ballhaus, sondern als Stadtbibliothek und Sternwarte genutzt. Mit seinen sieben Dächern als Symbol der sieben freien Künste war der Bau weithin berühmt. Heute ist er nur noch auf einem Kupferstich von Lucas Kilian zu sehen.
Zwitzel ist nicht der einzige „Meister der Augsburger Baukunst“, dessen Wirken einer seiner beruflichen Nachfahren, Eugen Hausladen, untersuchte. Hausladen (1894–1936) war ein Baubeamter des 20. Jahrhunderts, Regierungsbauamtmann in Landshut, Eichstätt, München und kurze Zeit auch am Landbauamt Augsburg. Neben seinen behördlichen Aufgaben widmete sich der gebürtige Oberpfälzer intensiv seiner Leidenschaft, der Baugeschichte. Vor allem Augsburg stand im Zentrum seines Interesses, zunächst „Das Augsburger Bürgerhaus des 17. und 18. Jahrhunderts“(verfasst 1925/26) und dann „Die Meister der Augsburger Baukunst ihre Werke“(1926–29). Doch beide Texte konnte Hausladen nicht mehr publizieren; eine Herzerkrankung, die er sich als Soldat im Ersten Weltkrieg geholt hatte, führte zu seinem frühen Tod im Jahr 1936 mit nur 41 Jahren.
Die Alt-Augsburg-Gesellschaft hat jetzt Hausladens Text über die Augsburger Meister herausgegeben, nachdem man im Archiv der Gesellschaft das Typoskript gefunden hatte. Stefanie Richter und Ulrich Heiß überarbeiteten das Manuskript; die ehrenamtlichen Mitarbeiter halfen bei der Suche nach Fotodokumenten; Stiftungen gaben Geld für den Druck. So war fast 90 Jahre nach der Erarbeitung der Studie die Entdeckung und späte Würdigung eines engagierten Bauhistorikers möglich. Mehr noch: Das Buch bietet einen umfassenden und spannend zu lesenden Überblick über das Augsburger Baugeschehen in Mittelalter und Renaissance. Besonders zu loben ist die üppige Ausstattung mit Bildern, die Hausladens Werk fast zu einem Handbuch der Augsburger Baugeschichte machen.
Dieser Eugen Hausladen muss, wie Stefanie Richter und Ulrich Heiß schreiben, in seinem kurzen Leben ein ungemein produktiver Forscher gewesen sein, ein regelrechter „Aktenfresser“. Vor allem im Augsburger Stadtarchiv arbeitete er sich durch dessen wertvolle Be- die Handwerkerakten, Baumeisterbücher und Bauamtsprotokolle. Zudem erwanderte er sich bei ausgedehnten Stadtspaziergängen die Objekte seines Interesses. Als Ergebnis seiner Recherchen stellte er die gebauten Meisterwerke dar, aber auch deren Schöpfer, die Meister der Baukunst. Das sind nicht nur die renommierten Architekten wie Elias Holl oder vor ihm Bernhard Zwitzel und Burkhard Engelberg, sondern auch die Handwerker – Maurer, Zimmerleute, Kistler und Schreiner. Das macht das Buch so einzigartig, dass darin auch die Menschen erscheinen, die Augsburg erbaut haben, und dass mit ihnen auch einiges von ihren Lebensverhältnissen sichtbar wird. So behandelt Hausladen nicht nur die Architektur-, sondern auch die Sozialgeschichte.
Erstere, nämlich die Baugeschichte, ist verbunden mit den Namen von großen Baumeistern wie Engelberg, Zwitzel, Stoß und Hieber, aber auch von Steinmetzen wie der weitverzweigten Familie Parler und Erhardt Ratdolt, der 1473 als Erster einen „man von ypps“(also eine Gips- bzw. Stuck-Statue) nach Augsburg lieferte. Burkhard Engelund berg, der „viel kunstreiche Architekt“, übrigens hatte auch mit einem Einsturz zu tun: Nach einem Orkan war 1474 die neu errichtete Ulrichskirche in sich zusammengefallen, und Engelberg wurde für den Wiederaufbau verpflichtet. Während der über 20-jährigen Bauzeit wohnte er direkt an der Kirche, am Ulrichsplatz 10, in einem von seiner Schwiegermutter ererbten Haus.
Wichtig waren außer Baumeistern und Steinmetzen die Brunnenmeister und Zimmerleute, die die Wasserversorgung der Stadt entwickelten – Hans Felber aus Ulm oder Hans Hornmeister aus Ingolstadt, mit deren Sachkenntnis 1480 die Quellen des Lechfelds zusammengefasst und durch den Brunnenbach in die Stadt geleitet werden konnten. Hausladen ist voll des Lobes für die Augsburger Baumeister und belegt seine Einschätzung etwa dadurch, dass sie gern anderswohin geholt wurden, nach Innsbruck, Landshut oder München. Eine zentrale Rolle habe Augsburg beim Übergang von der Gotik zur Renaissance gespielt: So brachte der Augsburger Baumeister Hans Hieber den neuen Baustil nach Regensburg, wo er mit seinem Polier, dem Augsburger Steinmetz Valentin Stapfer, die Neupfarrkirche erbaute.
Aus den Akten wird auch die Struktur des städtischen Bauens in Mittelalter und Renaissance deutstände, lich: Neben dem Baumeister achteten die „Geschworenen Werkleute“darauf, dass Zunftregeln eingehalten wurden, richtig abgerechnet und sicher gebaut wurde. Zu diesen „Geschworenen“gehörten außer Handwerkern und Künstlern auch Müller wie der Schwallmüller Hans Kiffhaber – das zeigt wiederum die Bedeutung des Wasserbaus. Auch sozialgeschichtlich Interessantes zog Hausladen aus den Akten: Da konnte ein Baumeister schon mal Ärger mit seinen Maurern kriegen und sich gegen Beleidigungen zur Wehr setzen. Und so angesehen das Amt des Baumeisters war, die Einkünfte reichten doch nicht immer zum Leben. Mitte des 16. Jahrhunderts waren 15 Baumeister in der Stadt tätig, und wenn im Winter die Baustellen ruhten, mussten sie sich schon mal um einen Nebenerwerb bemühen. Hans Holl etwa, der Vater des später berühmten Elias, betrieb im Winter eine Verkaufsbude für Mehl.