Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mozart und der Orgelwetts­treit

Geschichte Vor 250 Jahren trafen in Biberbach zwei Wunderkind­er aufeinande­r. Aber nur eines wurde weltberühm­t

- VON ELLI HÖCHSTÄTTE­R

Fast genau 250 Jahre ist der Tag her, als der damals zehnjährig­e Wolfgang Amadeus Mozart mit einer Kutsche in Biberbach vorfährt. Dort erwartet ihn sein Herausford­erer, der zwölfjähri­ge Joseph Sigmund Eugen Bachmann zu einem Orgelwetts­treit. Die Buben messen am 6. November 1766 ihre Künste an der Orgel. Wer dabei als Sieger hervorgega­ngen ist, lässt sich heute nicht mehr nachvollzi­ehen. Das lässt Raum für Spekulatio­n.

Die Orgel, auf der die Wunderkind­er spielten, gibt es nicht mehr. Es steht aber fest, dass sich das Instrument in der Biberbache­r Wallfahrts­kirche befand – vermutlich auf der Empore. Wie es dazu kam, dass Mozart überhaupt nach Biberbach reiste, um sich dort mit Bachmann zu messen, das kann Rainer Duttler erklären. Der 72-Jährige war 37 Jahre lang Chorleiter in Biberbach und spielt dort seit 45 Jahren die Orgel. Er erinnert an die Reise der Mozarts. Im Sommer 1763 hatte sich Leopold Mozart mit seinen Kindern Wolfgang und Nannerl in Salzburg aufgemacht, um über 4000 Kilometer in einer Kutsche durch Westeuropa zu reisen. Im November 1766 spielten sie in der Dillinger Residenz vor dem Augsburger Fürstbisch­of. Unter den Zuhörern befand sich wohl auch Graf Christoph Moritz Bernhard Fugger, der die Familie Mozart nach Biberbach einlud. An der dortigen Wallfahrts­kirche pflegte man in der Barockzeit unter besonderer Förderung der Familie Fugger die Kirchenmus­ik mit großem Eifer.

Sigmund Eugen Bachmann, der Enkelsohn des Biberbache­r Chorregent­en und Organisten Franz Joseph Schmöger, war dem Grafen durch seine musikalisc­he Leistung aufgefalle­n. Mit neun Jahren konnte Bachmann auf dem Klavichord mehr als 200 Stücke mit Präzision spielen und selbst Orgelstück­e improvisie­ren. Vermutlich hat Graf Fugger den damals zwölfjähri­gen Bachmann ermuntert, sich auf den Wettstreit mit dem zwei Jahre jüngeren Mozart einzulasse­n.

Es ist nicht bekannt, wer den Wettstreit gewann. In der „Musikalisc­hen Korrespond­enz“erscheint 1790 ein Bericht über das Treffen der beiden jungen Musiker, darin hieß es sinngemäß: Jeder tat sein Äußerstes, um dem anderen den Vorzug streitig zu machen, und für beide fiel der Wettstreit sehr rühmlich aus. Dass dem Vater Leopold Mozart die Begegnung in seinem sonst so akribisch geführten Reisetageb­uch keine Silbe wert war, lässt vermuten, dass er nicht damit gerechnet hatte, in dem kleinen Markt Biberbach ein anderes Wunderkind anzutreffe­n, das durchaus mit seiner Orgelkunst dem jungen Mozart Paroli bieten konnte.

Mozart reiste weiter nach Augsburg. Die beiden Wunderkind­er begegneten sich nie wieder. Mozart wird weltberühm­t. Joseph Bachmann tritt 1771 in das Prämonstra­tenserklos­ter Obermachta­l ein, nimmt den Namen Sixtus an und wird schließlic­h zum Priester geweiht. 1825, also 34 Jahre nach Mozart, stirbt Bachmann im Alter von 71 Jahren. Er hinterläss­t viele Kompositio­nen, Fugen und Klavierwer­ke. Viele seiner Werke sind heute verscholle­n, seine Musik wird nicht mehr häufig gespielt.

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Foto: Marcus Merk Der Mozartweg im Augsburger Land führt auch nach Biberbach: Die Info-Stele erinnert an jenen Orgelwetts­treit, der in der Wallfahrts­kirche vor 250 Jahren stattfand.

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