Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie der Schlüsseltrick aufflog
Prozess Eine Bande stiehlt mehrere Autos – bis ein Händler in der Nacht ins Geschäft kommt
Drei Mitglieder einer polnischen Bande von Autodieben sind jetzt vor dem Landgericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Mit einem simplen Schlüsseltrick hatten die Angeklagten und weitere zwischenzeitlich festgenommene Tatverdächtige Autohändler in verschiedenen Bundesländern hereinlegt. In Augsburg und in der Region stahlen sie so einen VW-Tiguan, einen VW-Passat, einen Volvo XC 60 und Mazda CX5.
Die Masche: Einer der Männer heuchelte Kaufinteresse vor. Er ließ sich von einem Händler ein auf dem Hof stehendes Auto seiner Wahl zeigen. Der Kunde startete auch den Motor, verabschiedete sich dann aber unter einem Vorwand mit einem „Dankeschön“. Nur war der zurückgegebene Autoschlüssel eine ausgetauschte Kopie. Das Original mit dem Transponder hatte er behalten. Nachts kam dann einer der jetzt angeklagten Fahrer, ausgestattet mit dem Funkschlüssel, und fuhr das Fahrzeug vom Firmengelände.
Die Staatsanwaltschaft hatte vor dem Landgericht 18 Diebstähle von teils hochwertigen Fahrzeugen im Wert von fast einer halben Million Euro angeklagt. Eine Zahl, die im Urteil allerdings nicht mehr auftaucht. Aufgrund einer Verfahrensabsprache mit den Verteidigern und der Staatsanwaltschaft hat die Dritte Strafkammer die Mehrzahl der Fälle vorläufig eingestellt. Zwei 27 und 28 Jahre alte Angeklagte, beide vorbestraft, haben im Prozess gestanden, die Fahrzeuge via Berlin über die deutsch-polnische Grenze gebracht zu haben. Sie müssen für vier beziehungsweise fast sechs Jahre ins Gefängnis. Der mit 40 Jahren älteste Angeklagte gab zu, die Autodiebstähle geplant und überwacht zu haben. Das ahndete das Gericht mit einer Freiheitsstrafe von fast sieben Jahren. Die Richter folgten auch seinem im Prozess geäußerten Wunsch, sie wiesen ihn wegen seiner Drogensucht in eine Klinik ein.
In der Bande gehörte der 40-Jährige augenscheinlich der mittleren Führungsebene an. „Es ist so, wie es immer läuft“, sagte seine Verteidigerin Mandana Maus. „Die, die das ganz große Geld gemacht haben, sitzen hier nicht auf der Anklagebank.“Vielleicht demnächst vor anderen Gerichten. Im Laufe der Ermittlungen sind noch vier mutmaßliche Bandenmitglieder festgenommen worden. Sie sitzen in anderen Bundesländern in U-Haft.
Den Dieben, die mit gestohlenen Autokennzeichen fuhren, war immer ein „Pilotfahrzeug“vorausgefahren. Sein Fahrer sollte, falls er Polizei sah, sie warnen. Um zu verhindern, dass ihr Schlüsseltrick vorzeitig aufflog, waren Mitglieder der Bande stets kurz vor Geschäftsschluss im Autohaus erschienen. Sie wollten sichergehen, dass an dem Tag kein weiterer Kunde sich für das Fahrzeug interessiert. Was zweimal dennoch der Fall war. Daraufhin fuhren die Händler das Auto mit einem Ersatzschlüssel weg und versteckten es. Ein Händler kehrte nachts in sein Geschäft zurück, bemerkte den Diebstahl und rief die Polizei. Das gestohlene Auto wurde in derselben Nacht im Zuge einer sofort eingeleiteten Fahndung vor der deutsch-polnischen Grenze gesichtet, sein Fahrer festgenommen. Abgehörte Telefongespräche brachte die Polizei auf die Spur weiterer Bandenmitglieder.