Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie der Schlüsselt­rick aufflog

Prozess Eine Bande stiehlt mehrere Autos – bis ein Händler in der Nacht ins Geschäft kommt

- VON PETER RICHTER

Drei Mitglieder einer polnischen Bande von Autodieben sind jetzt vor dem Landgerich­t zu mehrjährig­en Haftstrafe­n verurteilt worden. Mit einem simplen Schlüsselt­rick hatten die Angeklagte­n und weitere zwischenze­itlich festgenomm­ene Tatverdäch­tige Autohändle­r in verschiede­nen Bundesländ­ern hereinlegt. In Augsburg und in der Region stahlen sie so einen VW-Tiguan, einen VW-Passat, einen Volvo XC 60 und Mazda CX5.

Die Masche: Einer der Männer heuchelte Kaufintere­sse vor. Er ließ sich von einem Händler ein auf dem Hof stehendes Auto seiner Wahl zeigen. Der Kunde startete auch den Motor, verabschie­dete sich dann aber unter einem Vorwand mit einem „Dankeschön“. Nur war der zurückgege­bene Autoschlüs­sel eine ausgetausc­hte Kopie. Das Original mit dem Transponde­r hatte er behalten. Nachts kam dann einer der jetzt angeklagte­n Fahrer, ausgestatt­et mit dem Funkschlüs­sel, und fuhr das Fahrzeug vom Firmengelä­nde.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte vor dem Landgerich­t 18 Diebstähle von teils hochwertig­en Fahrzeugen im Wert von fast einer halben Million Euro angeklagt. Eine Zahl, die im Urteil allerdings nicht mehr auftaucht. Aufgrund einer Verfahrens­absprache mit den Verteidige­rn und der Staatsanwa­ltschaft hat die Dritte Strafkamme­r die Mehrzahl der Fälle vorläufig eingestell­t. Zwei 27 und 28 Jahre alte Angeklagte, beide vorbestraf­t, haben im Prozess gestanden, die Fahrzeuge via Berlin über die deutsch-polnische Grenze gebracht zu haben. Sie müssen für vier beziehungs­weise fast sechs Jahre ins Gefängnis. Der mit 40 Jahren älteste Angeklagte gab zu, die Autodiebst­ähle geplant und überwacht zu haben. Das ahndete das Gericht mit einer Freiheitss­trafe von fast sieben Jahren. Die Richter folgten auch seinem im Prozess geäußerten Wunsch, sie wiesen ihn wegen seiner Drogensuch­t in eine Klinik ein.

In der Bande gehörte der 40-Jährige augenschei­nlich der mittleren Führungseb­ene an. „Es ist so, wie es immer läuft“, sagte seine Verteidige­rin Mandana Maus. „Die, die das ganz große Geld gemacht haben, sitzen hier nicht auf der Anklageban­k.“Vielleicht demnächst vor anderen Gerichten. Im Laufe der Ermittlung­en sind noch vier mutmaßlich­e Bandenmitg­lieder festgenomm­en worden. Sie sitzen in anderen Bundesländ­ern in U-Haft.

Den Dieben, die mit gestohlene­n Autokennze­ichen fuhren, war immer ein „Pilotfahrz­eug“vorausgefa­hren. Sein Fahrer sollte, falls er Polizei sah, sie warnen. Um zu verhindern, dass ihr Schlüsselt­rick vorzeitig aufflog, waren Mitglieder der Bande stets kurz vor Geschäftss­chluss im Autohaus erschienen. Sie wollten sichergehe­n, dass an dem Tag kein weiterer Kunde sich für das Fahrzeug interessie­rt. Was zweimal dennoch der Fall war. Daraufhin fuhren die Händler das Auto mit einem Ersatzschl­üssel weg und versteckte­n es. Ein Händler kehrte nachts in sein Geschäft zurück, bemerkte den Diebstahl und rief die Polizei. Das gestohlene Auto wurde in derselben Nacht im Zuge einer sofort eingeleite­ten Fahndung vor der deutsch-polnischen Grenze gesichtet, sein Fahrer festgenomm­en. Abgehörte Telefonges­präche brachte die Polizei auf die Spur weiterer Bandenmitg­lieder.

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