Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schüler geben Temposündern Saures
Verkehr Eine Polizeikontrolle der anderen Art: Schüler schenken Autofahrern Gummibärchen oder lassen sie in Zitronen beißen – je nach Geschwindigkeit. Am Freitag folgt die nächste
Es mag seltsam klingen, aber den 20 Kindern der Klasse 4 b der SchillerVolksschule in Lechhausen sind am frühen Dienstagmorgen saure Zitronen lieber als süße Gummibärchen. Beides dürfen sie nämlich an Autofahrer vor ihrer Schule in der Schackstraße verteilen. Und der Biss in die Zitrone macht definitiv das unterhaltsamere Gesicht.
Die Verkehrspolizeiinspektion Augsburg hat Schüler und Schülerinnen zu einer besonderen Tempokontrolle eingeladen. Die Polizisten messen mit einer Laserpistole das Tempo der Autos, die an der Volksschule vorbeifahren. Zusammen mit den Kindern halten sie jedes Fahrzeug an. Wer die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern eingehalten hat, wird von den Viertklässlern mit einer kleinen Tüte Gummibärchen belohnt.
Die Kinder, die neongelbe Warnwesten tragen, finden es aber spannender, Zitronenstücke an Temposünder zu verteilen. „Reinbeißen, reinbeißen“, rufen sie begeistert, wenn ein Autofahrer zu schnell war. Außerdem dürfen sie die Erwachsenen ermahnen. Autofahrer Martin Eck etwa wird mit Tempo 34 in der Straße an der Schule erwischt. Er und seine Frau können sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie von den Grundschülern belehrt werden. „Wir akzeptieren die Strafe“, sagt Eck und beißt in einen Zitronenschnitz. Die Kinder freuen sich über sein „Sauer-Gesicht“. Eck entschuldigt sich. „Ich halte mich generell an das Tempo, aber es passiert schnell, dass man etwas drüber ist.“Er und seine Frau finden die Aktion super.
Konsequenzen müssen die Auto- fahrer bei dieser besonderen Geschwindigkeitskontrolle ausnahmsweise nicht befürchten. „Sie sollen mit dieser Aktion sensibilisiert werden. Denn wenn Autofahrer von Kindern angesprochen werden, hat das eine andere Wirkung, die hoffentlich auch nachhaltiger ist“, sagt Polizistin Angelika Czerny. Die Aktion gibt es bayernweit. Zum ersten Mal wird sie auch in Augsburg umgesetzt. Am Freitag sind Kinder der Fröbel-Volksschule in Haunstetten an der Reihe.
„Das wird bei mir hängen bleiben“, sagt ein Autofahrer, der bei Tempo 33 angehalten wurde. Er hat soeben aufmerksam zugehört, was ihm die neunjährige Victoria zu sagen hatte. „Ich habe ihm gesagt, dass er zu schnell war und gefragt, warum er das getan hat“, erzählt die Viertklässlerin aufgeregt. „Er meinte, es ist ihm aus Versehen passiert.“
Neun Verkehrssünder werden innerhalb von 40 Minuten angehalten. Der Schnellste ist mit Tempo 35 unterwegs. Polizist Robert Schlotterer ist überzeugt, dass einige Autofahrer auf der Straße sonst sogar Tempo 40 fahren. Mit den vielen Schülern in den gelben Westen falle man heute aber natürlich auf.
Eine Anwohnerin, die vorbeigeht, bestätigt das. „Gut, dass die mal da sind“, sagt sie in Richtung Polizei. „Unsere zwei Enkel waren auch auf der Schule. Und die Leute fahren hier teilweise wie die Verrückten.“Viertklässler Bünyamin überreicht einem nächsten Temposünder eine Zitrone. „Bitte fahren Sie nicht mehr so schnell. Dafür müssen sie jetzt reinbeißen“, sagt der Bub höflich, aber bestimmt. Der Autofahrer folgt seiner Anweisung. „Die Strafe schmeckt richtig sauer“, meint er. Er verspricht Bünyamin: „Ich mache das nie wieder.“