Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Warum der Schulbesuch bei der Mutter anfängt
Integration Es gibt geflüchtete Frauen, die können weder lesen noch schreiben. Was für ein Verhältnis haben sie zur Schule für ihre Kinder? Hier will das Landratsamt jetzt mit einem neuen Angebot helfen
Ein völlig neues Angebot der Familienhilfe wird derzeit bei der pädagogischen Jugendhilfe des Landkreises Augsburg entwickelt. Die Zielgruppe: geflüchtete Familien mit ihren spezifischen Problemen. Das hat jetzt Fachbereichsleiter Hannes Neumeier nach der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses berichtet. Hintergrund sind die Erfahrungen der vergangenen Monate mit diesen Familien. „Gerade für Mütter, die nicht lesen und schreiben können, ist es oft schwer, ihre Kinder hier im Alltag begleiten zu können“, so Neumeier. Das bedeutet: Diesen Frauen ist oft nicht bewusst, dass etwa der Schulbesuch für ihre Söhne und Töchter wichtig und verpflichtend ist. Gemeinsam mit Mitarbeitern des Diakonischen Werks, Sozialpädagoginnen und auch Mittlern der jeweils anderen Kultur ist das Amt nun bemüht, eine passende Hilfestellung für diese Familien zu erarbeiten.
Auch die Einstellung zur eigenen Bildung kann für geflüchtete Frauen zu einem Hemmnis bei der Integration werden. In einer Anfrage an das Sozialministerium hat die SPDLandtagsabgeordnete Simone Strohmayr jetzt erfahren, dass im Landkreis weitaus mehr männliche als weibliche Flüchtlinge Sprachkurse besuchen. Allerdings bezieht diese Prozentzahl auf nur einen sehr geringen Teil von Asylbewerbern, ehrenamtliche Sprachkurse sind dabei nicht berücksichtigt. Die Landtagsabgeordnete zieht den Rückschluss, dass sich die Frauen wegen fehlender Betreuungsplätze Kindererziehung allein Frauensache ist.
150 Kinder aus Flüchtlingsfamilien werden inzwischen in den Kindertagesstätten des Landkreises betreut. Schon dort gibt es erste Sprachförderkurse, seit dem neuen Kindergartenjahr sind es im Landkreis bereits 79. Hier werden gleichzeitig alle Kinder, die eine spezielle Sprachförderung nötig haben, auf den Schulbesuch vorbereitet.
Zudem kümmert sich das Jugendamt aktuell um knapp 180 Jugendliche, die als unbegleitete Minderjährige in den Landkreis gekommen sind. 60 von ihnen sind inzwischen erwachsen, so Neumeier. Doch ein Auszug in eine Wohnsich gruppe oder eine eigene Wohnung sei gar nicht so einfach, so der Fachbereichsleiter. „Es fehlt an geeignetem Wohnraum“, sagt er.
Ein Großteil dieser Jugendlichen und viele weitere besuchen inzwischen übrigens eine der speziellen Integrationsklassen am Beruflichen Schulzentrum in Neusäß, über 500 Schüler mit einem Flüchtlingshintergrund gibt es dort inzwischen. Für realistisch hält Schulleiter Jürgen Wunderlich inzwischen die Einschätzung der Politik, dass diese Jugendlichen insgesamt sechs Jahre auf ihrem Weg bis zum Berufsabschluss an den Beruflichen Schulzentren und in der Ausbildung betreut werden müssen.