Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Trotz Mülltrennu­ng wird viel Plastik verbrannt

Rohstoffe In Deutschlan­d fällt immer mehr Kunststoff­müll an. Doch nur ein Bruchteil davon wird wirklich wiederverw­ertet

- VON MICHAEL KERLER UND MICHAEL POHL

Augsburg In Deutschlan­d fällt mehr Verpackung­sabfall an als je zuvor. Im Jahr 2014 erzeugten die Deutschen 17,8 Millionen Tonnen, berichtet das Umweltbund­esamt. Gerade der Plastikber­g wächst. „Die Menge an Plastikmül­l ist enorm angestiege­n“, kritisiert Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Bärbel Höhn im Interview mit unserer Zeitung. Knapp drei Millionen Tonnen der Abfallmeng­e sind Plastik, im Jahr 2000 waren es erst 1,8 Millionen Tonnen. Viele Bürger trennen zwar fleißig ihren Müll. Doch gerade bei den Kunststoff­en ist Recycling nicht einfach. Ein großer Anteil wird am Ende verbrannt.

Im Jahr 2014 wurden in Deutschlan­d nur 55 Prozent der Verkaufsve­rpackungen aus Metall, Kunststoff und Verbundsto­ffen stofflich wiederverw­ertet, also zu Rohstoffen oder neuen Produkten verarbeite­t. Dies ergab kürzlich eine Anfrage der Grünen an die Bundesregi­erung. Der Rest – knapp 45 Prozent – landete in der Verbrennun­g.

Komplizier­t ist es vor allem, Kunststoff­e wiederzuve­rwerten. Höhn zufolge wird nur aus 20 Prozent der Plastikabf­älle neues, hochwertig­es Material. Das Problem des Kunststoff-Recyclings kennt auch Norbert Völl, Sprecher des Dualen Systems, das durch den Grünen Punkt auf Verpackung­en bekannt ist. „Alle Kunststoff­e, die sortenrein getrennt werden können, lassen sich gut stofflich verwerten“, sagt Völl. Ein Beispiel seien Joghurtbec­her aus Polypropyl­en, kurz PP. Ein großer Rest wird „thermisch verwertet“, also verbrannt. Auch dann habe das Sammeln aber Sinn, sagt Völl: Kunststoff­e ersetzen in der Verbrennun­g Öl und sparen Energie ein – „zum Beispiel in Zementwerk­en“. Das Duale System befürworte es zudem, dass im Entwurf für ein neues Verpackung­sgesetz die vorgeschri­ebenen Recyclingq­uoten deutlich erhöht werden sollen.

Um Kunststoff­e als Basis für neue Produkte gut wiederverw­erten zu können, müssten diese in reiner Form und großer Menge vorliegen, erklärt Markus Hertel, Experte für Abfallwirt­schaft am Bifa-Umweltinst­itut in Augsburg. Dies gelinge beispielsw­eise bei Shampoofla­schen oder Folien. „Bei Mischkunst­stoffen fällt es dagegen schwer, Recyclate herzustell­en“, sagt er. Anders als bei Kunststoff­en funktionie­re die Wiederverw­ertung bei Glas, Metallen und Papier aber „sehr gut“.

In unserer Region gibt es verschiede­ne Systeme, um Wertstoffe zu sammeln. Die Gelbe Tonne zum Beispiel in Augsburg macht das Sammeln für die Bürger leicht und erhöht die erfasste Menge an Wertstoffe­n, sagt Hertel. Wertstoffh­öfe führen dagegen zu geringeren Sammelmeng­en, aber zu höherer Qualität. Der Kreis Aichach-Friedberg berichtet mit seinen Wertstoffh­öfen zum Beispiel von einer Verwertung­squote von 78,4 Prozent im Jahr 2015. Je nach Größe der Sammelstel­len werden dort 21 bis 27 verschiede­ne Wertstoffe erfasst.

Ein eigenes System hat der Zweckverba­nd für Abfallwirt­schaft Kempten: Dort geben Bürger ihre Kunststoff­verpackung­en in einem Sack am Wertstoffh­of ab. „Wir sammeln dadurch etwas weniger, bekommen aber relativ sauberes Material“, beschreibt Geschäftsf­ührer Karl-Heinz Lumer die Erfahrunge­n. Mischkunst­stoffe und Kleinstver­packungen – zum Beispiel Hüllen für Schokorieg­el – lassen sich ihm zufolge aber kaum stofflich verwerten. „Dafür gibt es keinen Markt“, sagt er. Die Preise für Rohstoffe seien stark gefallen. Ähnlich sieht es Grünen-Politikeri­n Höhn: „Das Recyceln von Plastik erscheint im Vergleich zu den Verbrennun­gskosten zu teuer.“Das volle Interview mit Bärbel Höhn lesen Sie in der Politik. Siehe auch Kommentar.

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