Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Fleisch-König kämpft um sein Reich

Porträt Clemens Tönnies ist Schalke-Boss und der größte Schweinesc­hlachter des Landes. Seit Jahren streitet der Unternehme­r um sein Lebenswerk – ausgerechn­et mit seinem Neffen

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Das Frühjahr 2011 muss eine glückliche Zeit gewesen sein im Leben des Clemens Tönnies. Der FC Schalke 04, sein Verein, siegt im DFB-Pokal-Finale 5:0 gegen den MSV Duisburg, in der darauffolg­enden Nacht steigt Tönnies auf die Bühne eines Klubs am Berliner Spreeufer, greift sich das Mikrofon und grölt Westernhag­ens „Sexy“. Ein wackliges Handyvideo zeigt, wie sich der Vereinsbos­s von der Menge auf Händen tragen lässt.

Lange dürfte die Euphorie dieser Nacht allerdings nicht angehalten haben. Denn sechs Monate später beginnt für Tönnies ein Kampf um sein Lebenswerk, der bis heute die Gerichte beschäftig­t. Es geht dabei nicht um Schalke, sondern um Tönnies’ eigentlich­en Beruf: Der 60-Jährige mit den zurückgekä­mmten Haaren und der dunkel umrahmten Brille ist der größte Schweinesc­hlachter des Landes. Sein Lebenswerk, das ist die Tönnies-Gruppe mit Sitz im ostwestfäl­ischen Rheda-Wiedenbrüc­k, Hallen voller Schlachter­haken, Schweinehä­lften und Zerlegemas­chinen. Pro Stunde werden dort 2000 Schweine verarbeite­t. Das Schlachten hat den Metzgersso­hn aus einfachen Verhältnis­sen reich gemacht. Das Manager Magazin schätzt Tönnies’ Vermögen auf 1,1 Milliarden Euro. Allerdings besitzt er nur die Hälfte seines Konzerns. Die andere gehört seinem Neffen Robert Tönnies, dem Sohn seines verstorben­en Bruders Bernd. Und hier liegt die Wurzel des Streits.

Gerade erst standen sich die beiden Männer wieder vor Gericht gegenüber. Robert Tönnies fordert von seinem Onkel den Fünf-Pro- zent-Anteil des Unternehme­ns zurück, den er ihm 2009 geschenkt hatte. Er wirft dem Älteren groben Undank vor, aus den Verwandten sind Feinde geworden. Gibt das Gericht Robert Tönnies recht, wäre der Neffe plötzlich Mehrheitse­igner des Konzerns – und damit Herrscher über ein Reich, das nur einen König kennt: Clemens Tönnies. Der Unternehme­r pflegt sein Image als harter, aber herzlicher Patriarch. Brachial im Auftreten, aber sozial zu seinen Mitarbeite­rn. Bei den Gewerkscha­ften sieht man das freilich anders: Dort wird Tönnies’ Konzern immer wieder für den Umgang mit seinen meist osteuropäi­schen Leiharbeit­ern kritisiert. Die Alleinherr­schaft von CT, wie sie ihn in RhedaWiede­nbrück nennen, begann erst vor 20 Jahren – mit dem plötzliche­n Tod seines Bruders nach einer Nierentran­splantatio­n. „Der Bernd war mein Leitwolf“, hat Clemens Tönnies kürzlich gesagt. Sein Tod verändert das Leben des jüngeren Bruders grundlegen­d. Er tritt aus seinem Schatten, verzehnfac­ht bald den Umsatz der Tönnies-Gruppe. Auch bei Schalke tritt er in die Fußstapfen des Bruders. Auf dem Sterbebett soll ihm Bernd Tönnies dieses Verspreche­n abgerungen haben. Der Ältere hatte kurz zuvor das Präsidente­namt übernommen.

Clemens Tönnies hat einmal erzählt, er habe von Anfang an gewusst, was ein Leben ohne den Bruder bedeutet. In der Todesnacht habe er zu seiner Frau gesagt: „Wenn ich den Hörer abnehme, werde ich von der zweiten Reihe in die erste geschoben.“Sarah Schierack

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Foto: dpa

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