Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Fall Höxter – eine Chronologie der Gewalt
● Das Amtsgericht Paderborn verurteilt den damals 25-jährigen Wilfried W. im August zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Der Grund: Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung. Er soll seine damalige Ehefrau misshandelt und gequält haben – gemeinsam mit einer Komplizin. ● Der gebürtige Bochumer lernt die in Herford geborene, heute 47-jährige Beschuldigte Angelika B. kennen. Sie heiraten nach wenigen Wochen. ● In Bosseborn, einem Stadtteil von Höxter in Ostwestfalen, mietet das Paar einen Hof. Zuvor wohnten sie im 50 Kilometer entfernten Schlangen in Lippe. ● Gut drei Monate lang soll eine heute 51-Jährige Frau aus Berlin in Höxter misshandelt und gefangen gehalten worden sein. Später wird sie von den Beschuldigten in einen Zug nach Hause gesetzt. Sie traut sich erst 2016, bei der Polizei auszusagen, als sie in den Medien das Haus wiedererkannt hat. ● Das Paar lässt sich scheiden. Über eine Zeitungsanzeige kommt die 33-jährige Annika W. aus Niedersachsen nach Bosseborn. Bereits nach kurzer Zeit heiratet sie Wilfried W., der weiterhin mit seiner Ex-Frau in dem Haus wohnt. Gemeinsam sollen sie die 33-Jährige gequält haben, wie aus den Aussagen der festgenommenen Komplizin hervorgeht. ● Die misshandelte Frau stirbt an ihren Verletzungen. Das Paar soll die Leiche in einer Tiefkühltruhe eingefroren, später zerstückelt und verbrannt haben. In der Folgezeit schicken die beiden immer wieder SMS-Nachrichten an die Mutter des Opfers. Die geht deshalb noch bis Ende April 2016 davon aus, dass ihre Tochter lebt. ● Die 41-jährige Susanne F. aus dem niedersächsischen Bad Gandersheim reagiert auf eine Zeitungsanzeige und kommt im März in das Haus. Über mehrere Wochen wird sie festgehalten und misshandelt. ● Mit der schwer Frau im Auto fährt das Pärchen in Richtung Bad Gandersheim. Eine Autopanne durchkreuzt den Plan. Sie entscheiden sich, einen Rettungswagen zu rufen. Das Opfer stirbt einen Tag später, die Ärzte schalten die Polizei ein. ● Der 46-jährige Tat- und seine Partnerin werden vorläufig festgenommen. Das Amtsgericht Höxter erlässt einen Tag später Haftbefehl wegen Totschlags. ● Polizei und Staatsanwaltschaft geben bei einer Pressekonferenz Details zu den bisher untersuchten Fällen bekannt. Die Beschulverletzten digte hat nach Aussage der Ermittler umfassend und glaubhaft über beide Todesfälle ausgesagt. Der 46-Jährige bestreitet bislang jede Schuld. Die Polizei sucht nach weiteren Frauen, die in der Gewalt des Paares in Bosseborn gewesen sein könnten. ● Bei der Polizei haben sich mehrere Frauen gemeldet, die durch das Paar finanziell geschädigt worden sein sollen. ● Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigen, dass die Ermittler auf dem Grundstück über 100 000 Euro und etwa 20 Mobiltelefone gefunden haben, die sowohl Opfern als auch Tätern zuzuordnen sind. ● Leichenspürhunde suchen an einer Landstraße nach Überresten des ersten Todesopfers Annika W. aus Niedersachsen – ohne Erfolg. ● Die Polizeidirektion Göttingen überprüft Vorwürfe gegen eine Wache in Uslar in Niedersachsen. Die Beschuldigten sollen dort im Jahr 2012 mit einem Opfer vorstellig geworden sein. Diese Frau sollte vor Poliverdächtige zeibeamten eine Erklärung unterschreiben, dass sie freiwillig in Höxter-Bosseborn war. Die Polizisten ließen sich darauf nicht ein, auf ein Fehlverhalten gibt es keine Hinweise. ● In zwei weiteren Fällen gibt es Vorwürfe wegen unterlassener Hilfeleistung durch die Polizei. Zweimal sind Streifenbeamte 2014 in Höxter und Bad Salzuflen zufällig auf die Angeklagten und die später getötete Annika W. getroffen. Die Beamten unterhielten sich mit der Frau, schritten aber nicht ein. Laut Untersuchungsergebnis hat Annika W. sie nicht um Hilfe gebeten. ● Die Spurensuche im Todes-Haus von Höxter ist abgeschlossen. Ein DNA-Abgleich bestätigt, dass sich beide Todesopfer in dem Gebäude aufgehalten haben. ● Die Staatsanwaltschaft erhebt gegen Wilfried W. und seine Ex-Frau Angelika W. Anklage wegen Mordes durch Unterlassen. ● Beginn des Prozesses in Paderborn. (dpa)