Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn ein Islamkritiker an Unis unerwünscht ist
Meinungsfreiheit Der Politologe Hamed Abdel-Samad polarisiert. An Universitäten in Augsburg und München, wo er einst studierte und arbeitete, wollte man den Autor nicht als Gast einladen. Wie steht es um die Diskussionskultur im Land?
Seit einiger Zeit gibt es hierzulande eine lebhafte Debatte darüber, was man sagen darf und was nicht. Was an manchen Stellen weniger gern gehört wird, ist Kritik am Islam. Anscheinend vor allem dann nicht, wenn sie von dem islamkritischen Politologen und Publizisten Hamed Abdel-Samad kommt. Der aus Augsburg stammende und in der CSU aktive ehemalige Berliner Oberschulrat Gerhard Schmid organisierte jüngst einen AugsburgBesuch Abdel-Samads. Schmid fragte auch bei der Universität Augsburg an, ob Interesse an einer Veranstaltung mit Abdel-Samad, einem ihrer ehemaligen Vorzeigestudenten, bestehe. Er erhielt eine Absage. Auch in München scheiterte die Giordano-Bruno-Stiftung damit, einen Raum für eine Veranstaltung mit Abdel-Samad an der Universität zu bekommen. Warum?
Auf Anfrage unserer Zeitung teilt die Universität Augsburg mit, es habe „nie eine offizielle Anfrage beziehungsweise ein Angebot von Herrn Abdel-Samad bezüglich eines etwaigen Auftritts an der Universität“gegeben. Zwar sei einer Mitarbeiterin der Universitätsverwaltung ein informelles Angebot für einen Besuch Abdel-Samads unterbreitet worden, jedoch habe diese „in den thematisch infrage kommenden Bereichen der Universität niemanden finden können, der fachlich einschlägig und zeitlich in der Lage gewesen wäre, eine entsprechende Veranstaltung noch vor Beginn der Vorlesungszeit verantwortlich zu organisieren“, erklärt die Uni.
Aus einem informellen Schreiben der Universität, das unserer Zeitung vorliegt, geht jedoch hervor, dass offensichtlich andere Gründe eine Rolle für die Absage gespielt haben. In der Antwort aus dem Uni-Präsidium heißt es unter anderem, „einige Kollegen, die Herrn Samad aus seiner Studienzeit an der Universität Augsburg kennen“, hätten „durchweg verhalten bis negativ“reagiert, Adel-Samad „im Rahmen seines Augsburg-Besuchs an die Universität einzuladen“. Als Begründung wurde unter anderem auf einen Artikel der linken Tageszeitung taz verwiesen, die Abdel-Samad im Zusammenhang mit einem Auftritt bei der AfD kritisierte.
Tatsächlich nahm Abdel-Samad im vergangenen Jahr eine Einladung an, mit der AfD in Dachau zu diskutieren. „Jeder kann sich im Internet anhören, dass ich die Politik der AfD bei der Veranstaltung kritisiert habe“, sagt der Deutsch-Ägypter unserer Zeitung: „Ich habe gesagt, es ist unanständig, wenn die AfD eine Politik der Angst betreibt, auf Kosten von Menschen, die sich nicht wehren können.“Aber mit wem solle man in einer Demokratie diskutieren, wenn nicht mit den Menschen, mit deren Meinung man nicht einverstanden ist, fragt der streitfreudige Publizist.
Der Veranstaltungsorganisator und Augsburger CSU-Vorstandsbeisitzer Schmid gehörte 1968 zu den führenden Köpfen der Studentenbewegung am Lech. Er kritisiert die mangelnde Diskussionsbereitschaft an der heutigen Uni: „Für mich ist es ein Armutszeugnis für die Universität, wenn einige ihrer Angestellten kein Interesse an freier Meinungsäußerung haben.“Schmid organisierte schließlich einen Vortrag Abdel-Samads in der Stadtbücherei vor zwei Wochen.
Die Stadtbücherei Augsburg hatte keine Probleme mit der Veranstaltung, erklärt Veranstaltungskoordinator Wolfram Siemons: „Der Raum wurde von der CSU Augsburg über einen Anwalt gemietet und damit ist diese als Mieterin für die Verwendung des Raumes verantwortlich“, sagt er. „Unsere Tür steht prinzipiell allen Religionen, Parteien und Gruppierungen offen, die nicht gegen den Rechtsstaat verstoßen“, betont Siemons.
In München versuchte die humanistische und kirchenkritische Giordano-Bruno-Stiftung einen Raum für eine Veranstaltung mit AbdelSamad zu finden. Ihr Veranstaltungsorganisator Kurt Stützer hatte sowohl bei der Ludwig-Maximilians-Universität angefragt, wo Abdel-Samad einst lehrte, als auch bei der Hochschule für angewandte Wissenschaften. Während er von mehreren Stellen der LMU teils ohne Angabe von Gründen eine Absage erhielt, bezog die Hochschule für angewandte Wissenschaften Stellung: „Weltanschauliche Veranstaltungen können wir nicht zulassen“, heißt es auf Anfrage. Diesen Einwand lässt Stützer nicht gelten: „Die historisch-kritische Analyse religiöser Schriften, wie sie AbdelSamad betreibt, ist ein genuin wissenschaftliches Unterfangen.“Für ihn ist es unverständlich, dass Universitäten aus falscher Vorsicht keine Räume für die kritische Auseinandersetzung mit dem Islam zur Verfügung stellen.
Abdel-Samad, Sohn eines Imams, lebt wegen Morddrohungen radikaler Islamisten unter Polizeischutz und kann nur unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen öffentlich auftreten. Im September sollte er in Dortmund im Rahmen der städtischen Vortrags- und Diskussionsveranstaltungsreihe „Talk im DKH“im Dietrich-Keuning-Haus auftreten, wo regelmäßig gesellschaftspolitische Themen auf dem Programm stehen. Doch die Stadt sagte die Veranstaltung mit AbdelSamad eine Woche vorher ab.
In diesem Fall sei nicht die inhaltliche Position Abdel-Samads ausschlaggebend gewesen, betont eine Sprecherin der Stadt: „Im DKH waren zuvor bereits mehrfach Islamkritiker zu Gast – darunter auch solche, für die erhöhte Sicherheitsanforderungen galten.“Im Fall AbdelSamads habe sich die Gefährdungslage vor dem geplanten Termin massiv verschärft: Es sei mit einem gewaltsamen Aufeinandertreffen links- und rechtsextremer Gruppierungen zu rechnen gewesen und mit Blick auf die Sicherheit des Referenten wie der Besucher sei die Veranstaltung abgesagt worden.
Abdel-Samad kämpft weiter für eine offene Islam-Debatte: „Wenn die Mitte der Gesellschaft aus falsch verstandener Rücksicht nicht über die Probleme des Islams diskutieren will, überlässt sie den Diskurs den Rändern“, betont er. „Das treibt Teile der Bevölkerung erst recht in die Hände von Populisten.“
Die Stadt Dortmund überlegt derzeit, ob sie die Veranstaltung mit Abdel-Samad nachholen will.