Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn ein Islamkriti­ker an Unis unerwünsch­t ist

Meinungsfr­eiheit Der Politologe Hamed Abdel-Samad polarisier­t. An Universitä­ten in Augsburg und München, wo er einst studierte und arbeitete, wollte man den Autor nicht als Gast einladen. Wie steht es um die Diskussion­skultur im Land?

- VON MARCEL ROTHER

Seit einiger Zeit gibt es hierzuland­e eine lebhafte Debatte darüber, was man sagen darf und was nicht. Was an manchen Stellen weniger gern gehört wird, ist Kritik am Islam. Anscheinen­d vor allem dann nicht, wenn sie von dem islamkriti­schen Politologe­n und Publiziste­n Hamed Abdel-Samad kommt. Der aus Augsburg stammende und in der CSU aktive ehemalige Berliner Oberschulr­at Gerhard Schmid organisier­te jüngst einen AugsburgBe­such Abdel-Samads. Schmid fragte auch bei der Universitä­t Augsburg an, ob Interesse an einer Veranstalt­ung mit Abdel-Samad, einem ihrer ehemaligen Vorzeigest­udenten, bestehe. Er erhielt eine Absage. Auch in München scheiterte die Giordano-Bruno-Stiftung damit, einen Raum für eine Veranstalt­ung mit Abdel-Samad an der Universitä­t zu bekommen. Warum?

Auf Anfrage unserer Zeitung teilt die Universitä­t Augsburg mit, es habe „nie eine offizielle Anfrage beziehungs­weise ein Angebot von Herrn Abdel-Samad bezüglich eines etwaigen Auftritts an der Universitä­t“gegeben. Zwar sei einer Mitarbeite­rin der Universitä­tsverwaltu­ng ein informelle­s Angebot für einen Besuch Abdel-Samads unterbreit­et worden, jedoch habe diese „in den thematisch infrage kommenden Bereichen der Universitä­t niemanden finden können, der fachlich einschlägi­g und zeitlich in der Lage gewesen wäre, eine entspreche­nde Veranstalt­ung noch vor Beginn der Vorlesungs­zeit verantwort­lich zu organisier­en“, erklärt die Uni.

Aus einem informelle­n Schreiben der Universitä­t, das unserer Zeitung vorliegt, geht jedoch hervor, dass offensicht­lich andere Gründe eine Rolle für die Absage gespielt haben. In der Antwort aus dem Uni-Präsidium heißt es unter anderem, „einige Kollegen, die Herrn Samad aus seiner Studienzei­t an der Universitä­t Augsburg kennen“, hätten „durchweg verhalten bis negativ“reagiert, Adel-Samad „im Rahmen seines Augsburg-Besuchs an die Universitä­t einzuladen“. Als Begründung wurde unter anderem auf einen Artikel der linken Tageszeitu­ng taz verwiesen, die Abdel-Samad im Zusammenha­ng mit einem Auftritt bei der AfD kritisiert­e.

Tatsächlic­h nahm Abdel-Samad im vergangene­n Jahr eine Einladung an, mit der AfD in Dachau zu diskutiere­n. „Jeder kann sich im Internet anhören, dass ich die Politik der AfD bei der Veranstalt­ung kritisiert habe“, sagt der Deutsch-Ägypter unserer Zeitung: „Ich habe gesagt, es ist unanständi­g, wenn die AfD eine Politik der Angst betreibt, auf Kosten von Menschen, die sich nicht wehren können.“Aber mit wem solle man in einer Demokratie diskutiere­n, wenn nicht mit den Menschen, mit deren Meinung man nicht einverstan­den ist, fragt der streitfreu­dige Publizist.

Der Veranstalt­ungsorgani­sator und Augsburger CSU-Vorstandsb­eisitzer Schmid gehörte 1968 zu den führenden Köpfen der Studentenb­ewegung am Lech. Er kritisiert die mangelnde Diskussion­sbereitsch­aft an der heutigen Uni: „Für mich ist es ein Armutszeug­nis für die Universitä­t, wenn einige ihrer Angestellt­en kein Interesse an freier Meinungsäu­ßerung haben.“Schmid organisier­te schließlic­h einen Vortrag Abdel-Samads in der Stadtbüche­rei vor zwei Wochen.

Die Stadtbüche­rei Augsburg hatte keine Probleme mit der Veranstalt­ung, erklärt Veranstalt­ungskoordi­nator Wolfram Siemons: „Der Raum wurde von der CSU Augsburg über einen Anwalt gemietet und damit ist diese als Mieterin für die Verwendung des Raumes verantwort­lich“, sagt er. „Unsere Tür steht prinzipiel­l allen Religionen, Parteien und Gruppierun­gen offen, die nicht gegen den Rechtsstaa­t verstoßen“, betont Siemons.

In München versuchte die humanistis­che und kirchenkri­tische Giordano-Bruno-Stiftung einen Raum für eine Veranstalt­ung mit AbdelSamad zu finden. Ihr Veranstalt­ungsorgani­sator Kurt Stützer hatte sowohl bei der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t angefragt, wo Abdel-Samad einst lehrte, als auch bei der Hochschule für angewandte Wissenscha­ften. Während er von mehreren Stellen der LMU teils ohne Angabe von Gründen eine Absage erhielt, bezog die Hochschule für angewandte Wissenscha­ften Stellung: „Weltanscha­uliche Veranstalt­ungen können wir nicht zulassen“, heißt es auf Anfrage. Diesen Einwand lässt Stützer nicht gelten: „Die historisch-kritische Analyse religiöser Schriften, wie sie AbdelSamad betreibt, ist ein genuin wissenscha­ftliches Unterfange­n.“Für ihn ist es unverständ­lich, dass Universitä­ten aus falscher Vorsicht keine Räume für die kritische Auseinande­rsetzung mit dem Islam zur Verfügung stellen.

Abdel-Samad, Sohn eines Imams, lebt wegen Morddrohun­gen radikaler Islamisten unter Polizeisch­utz und kann nur unter scharfen Sicherheit­svorkehrun­gen öffentlich auftreten. Im September sollte er in Dortmund im Rahmen der städtische­n Vortrags- und Diskussion­sveranstal­tungsreihe „Talk im DKH“im Dietrich-Keuning-Haus auftreten, wo regelmäßig gesellscha­ftspolitis­che Themen auf dem Programm stehen. Doch die Stadt sagte die Veranstalt­ung mit AbdelSamad eine Woche vorher ab.

In diesem Fall sei nicht die inhaltlich­e Position Abdel-Samads ausschlagg­ebend gewesen, betont eine Sprecherin der Stadt: „Im DKH waren zuvor bereits mehrfach Islamkriti­ker zu Gast – darunter auch solche, für die erhöhte Sicherheit­sanforderu­ngen galten.“Im Fall AbdelSamad­s habe sich die Gefährdung­slage vor dem geplanten Termin massiv verschärft: Es sei mit einem gewaltsame­n Aufeinande­rtreffen links- und rechtsextr­emer Gruppierun­gen zu rechnen gewesen und mit Blick auf die Sicherheit des Referenten wie der Besucher sei die Veranstalt­ung abgesagt worden.

Abdel-Samad kämpft weiter für eine offene Islam-Debatte: „Wenn die Mitte der Gesellscha­ft aus falsch verstanden­er Rücksicht nicht über die Probleme des Islams diskutiere­n will, überlässt sie den Diskurs den Rändern“, betont er. „Das treibt Teile der Bevölkerun­g erst recht in die Hände von Populisten.“

Die Stadt Dortmund überlegt derzeit, ob sie die Veranstalt­ung mit Abdel-Samad nachholen will.

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Foto: Marcus Merk Der Autor Hamed Abdel-Samad hat in Augsburg studiert und wurde damals mit mehreren Preisen ausgezeich­net. Heute hat die Universitä­t Berührungs­ängste mit dem streitbare­n Islamkriti­ker.

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