Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Rückkehr einer Legende
Unternehmen Borgward will wieder in Deutschland Autos bauen
Den Standardweg haben die Manager von Borgward schon lange verlassen. Erst beleben sie eine längst begrabene Marke wieder, dann suchen sie sich ausgerechnet Chinesen als Partner. Und nun das: Im Hochlohnland Deutschland soll eine Produktion kommen. „Borgward is back“, verkündete am Mittwoch die Borgward-Führungsspitze ihre Entscheidung, in Bremen ein neues Montagewerk zu errichten. Ab 2018 sollen am Gründungsort des Unternehmens elektrobetriebene Modelle des Borgward-SUV BX7 zusammengebaut werden.
Ein mutiger Schritt in einem hart umkämpften Markt. „Vor fast zwei Generationen endete in dieser Stadt das erste Kapitel von Borgward“, erinnerte Borgward-Vorstandschef Ulrich Walker an die für viele noch heute schmerzliche Pleite des Autobauers 1961. „Wir schreiben die Geschichte von Borgward weiter. Borgward ist endgültig wieder in Deutschland angekommen.“Die Ankunft nimmt sich allerdings noch bescheiden aus: Anfangsinvestitionen in zweistelligem Millionenbereich und 50 bis 100 Mitarbeiter. Produziert wird derzeit nur in einem Werk in China, wo auch der Alleingesellschafter der Borgward Group, der chinesische Lkw-Hersteller Foton, sitzt. Im Reich der Mitte wurden seit Juni diesen Jahres schon 15000 BX7 ausgeliefert. 500 000 weltweit ist das Ziel. Die Montage in Bremen folgt dem Prinzip „Semi Knocked Down“(SKD), bei dem halb fertige Autos und Teilmodule nach Bremen geliefert werden und dort mit weiteren Bauteilen, in diesem Falle von Zulieferern auch aus Deutschland und Europa, gefertigt werden. Üblicherweise umgehen Autohersteller mit der SKD-Produktion hohe Einfuhrzölle. Im Fall von Borgward hat die Strategie wohl andere Gründe. Zwar sind die Transportkosten für Autoteile vergleichsweise niedrig, erklärt Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft der Hochschule für Wirtschaft in Nürtingen-Geislingen. Schwerer dürfte indes wiegen, dass sich ein in China gebautes Auto schlechter verkaufen könnte. „Die Idee an sich ist schon außergewöhnlich“, meint Diez.
Die GM-Töchter Opel und Ford unterhalten zwar noch ihre jahrzehntealten Standorte. Doch kein anderer ausländischer Hersteller denkt laut dem Importeursverband VDIK daran, ausgerechnet im Hochlohnland Deutschland Autos aus Einzelteilen wieder zusammenbauen zu lassen. Von einer „symbolischen Fertigung“spricht auch Stefan Bratzel vom Center for Automotive Management an der Fachhochschule Bergisch Gladbach. Die Idee, mit Elektro-SUVs nach Deutschland zu kommen, hält er für klug. Der Fall Tesla habe gezeigt, dass die Markteintrittsschwellen für Elektrofahrzeuge niedrig seien.
Doch Borgward weckt in Deutschland auch Emotionen. Das Unternehmen gehörte bis zu seiner Insolvenz 1961 zu den bekanntesten deutschen Autoherstellern und gilt bis heute als Design-Ikone. Bis Anfang der 1960er Jahre rollten in Bremen jährlich bis zu 100000 Fahrzeuge vom Band. Borgwards Enkel Christian belebte die Marke 2015 wieder, seit diesem Jahr werden die Autos verkauft. Christian Borgward ist heute Aufsichtsratschef der Borgward Group (Stuttgart). „Ich kann Ihnen kaum beschreiben, wie überwältigt ich in diesem Augenblick bin“, sagte er. Zehn Jahre habe man an der Wiedergeburt von Borgward gearbeitet. „Jetzt ist diese Vision Wirklichkeit geworden. Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass Borgward eine zweite Chance verdient hat.“
Weltweit hat die deutsche Autoindustrie technologisch einen exzellenten Ruf. Das sagt nicht nur die Industrie. „Das Image ,Made in Germany‘ wird Borgward helfen“, sagt Peter Fuß, Autoexperte bei der Unternehmensberatung Ernst & Young. Für das mit guten Unternehmensnachrichten nicht gerade verwöhnte Bremen ist die Borgward-Rückkehr eine frohe Botschaft. „Wir waren schon heiß auf Borgward“, räumte Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) ein. Borgward sei in Bremen ein wohlklingender Name und passe zur Autostadt, wo neben Europas größtem Autoumschlagplatz in Bremerhaven auch das größte Mercedes-BenzProduktionswerk beheimatet sei.
Annika Grah, Helmut Reuter, dpa