Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Soll Milch an der Börse gehandelt werden?
Agrar Der Bauernverband schlägt vor, Milch über Termingeschäfte abzusichern. Wir erklären, was das bringen soll
Der Milchpreis steigt wieder: 27 Cent bekamen die bayerischen Bauern zuletzt im Schnitt für das Kilo Milch. Das ist etwas mehr als in den vergangenen Monaten. Im Sommer hatte der Milchpreis ein neues Tief erreicht. Einzelne Molkereien – vor allem in Norddeutschland – hatten weniger als 20 Cent gezahlt. Die Erzeuger überlegen seit geraumer Zeit, wie sich diese Niedrigpreise verhindern lassen. Der neueste Vorschlag kommt vom Deutschen Bauernverband: Er schlägt vor, einen Terminhandel für den Milchmarkt aufzubauen. Nur: Was soll das bringen? Wir klären die wichtigsten Fragen.
Wie hat sich der Milchpreis in den vergangenen Jahren entwickelt?
Die Krisen auf dem Milchmarkt kehren regelmäßig wieder: 2009, 2012 und jetzt 2016. Das Problem ist nur: Mit jeder Krise schwankt auch der Milchpreis immer stärker, wie Hans-Jürgen Seufferlein vom Verband der Milcherzeuger Bayern berichtet. Vor der aktuellen Milchkrise lag der Preis bei 40 Cent, im Sommer waren es nur noch 24 Cent. Für die Landwirte sind die stark schwanken- Preise ein großes Problem. Hinzu kommt: Um kostendeckend arbeiten zu können, sind in Bayern – je nach Betrieb – mindestens 35 Cent pro Kilo Milch nötig.
Was soll es bringen, Milch an der Börse zu handeln?
Der Deutsche Bauernverband erhofft sich davon stabilere Milchpreise. Solche Termingeschäfte gibt es etwa schon für Getreide. Fällt der Getreidepreis, kann es sich für Landwirte lohnen, für die anstehende Ernte bereits einen Preis festzulegen. Käufer und Verkäufer einigen sich also auf eine Umsetzung „per Termin“. Der Bauernverband schlägt für Milch Ähnliches vor: „Genossenschaften und Molkereien könnten Preisvorteile dann an die Landwirte weitergeben“, heißt es.
Und wie funktionieren solche Geschäfte?
Im Grunde wird bei Warentermingeschäften auf die weitere Preisentwicklung spekuliert – etwa durch Verträge an der Warenterminbörse Eurex in Leipzig. Ein Landwirt macht in diesem Fall ein gutes Geschäft, wenn die Preise später in den Keller gehen. Sollten sie aber unerwartet steigen, muss er auf dieses verzichten – und fährt unter Umständen Verluste ein.
Gibt es solche Geschäfte bereits im Milchbereich?
Ja, bestätigt Milchexperte Seufferlein. Aber nur für Magermilch- und Vollmilchpulver – und auch da nur in eingeschränktem Maße. Denn Termingeschäfte eignen sich in erster Linie für standardisierte Ware. In diesem Fall ist auch die Nachfrage deutden lich höher. Zudem kommt bei Rohmilch ein weiteres Problem dazu: Sie ist nicht lange lagerfähig. „Derzeit werden nur verschwindend geringe Mengen Milch an den Warenterminmärkten angeboten“, sagt Seufferlein.
Würde der Milchpreis insgesamt durch Termingeschäfte steigen?
Nein, sind sich Experten einig. Hans Foldenauer, Sprecher des BundesPlus verbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), erklärt: „Für den einzelnen Landwirt können Warentermingeschäfte eine Möglichkeit sein, sich gegen Tiefpreisphasen abzusichern.“Für die Branche insgesamt sei das allerdings kein Modell. Denn zwar mag der Preis, den die Bauern für ihre Milch bekommen, weniger schwanken. Doch deswegen steigt der Preis insgesamt nicht. „Bei den Betrieben kommt damit kein Cent mehr an. Sie füttern nur ihren Broker“, sagt Foldenauer.
In welchen Bereichen spielen solche Terminmärkte eine Rolle?
Vor allem im Handel mit Metallen, Kohle und Erdöl. Im Gegensatz zur Milch gibt es für solche Rohstoffe seit langem Börsen, an denen Tag für Tag Milliardenumsätze anfallen. Bei Agrargütern wie Getreide, Zucker oder Baumwolle sind dies vor allem Chicago und Paris. Metalle wie Kupfer und Zink werden an der London Metal Exchange gehandelt. Für Währungen und Aktien gibt es ebenfalls „Futures“. Energiekonzerne wie Eon oder RWE verkaufen riesige Mengen Strom über Terminbörsen, um schon Jahre im Voraus mit der Preisentwicklung kalkulieren zu können.