Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sammlung eines Lebens
Elke Heidenreich liest aus „Alles kein Zufall“
Es ist eine Plage, wenn man nichts wegschmeißen kann, wenn man alles aufheben will, was sich im Laufe eines Lebens ansammelt. Elke Heidenreich, Literaturkritikerin, Schriftstellerin und Leserin der Nation, ist so ein Mensch. Es hat mit ihrer Mutter zu tun, vermutet sie, weil die alles wegwarf. Aber wie gut, wenn man Autorin ist wie Elke Heidenreich und all die Erinnerungen, Gedanken und Ereignisse zu einem Buch „zusammenbasteln“kann.
Mit 73 Jahren hat sich Heidenreich nun ans Aufräumen ihres Kölner Häuschens gemacht, „denn die armen Leute, die das sonst mal machen müssen, können einem ja leid tun.“Berge von Tagebüchern, Kisten mit Bildern, Briefen und Zetteln, auf denen sie alles notiert hat, was ihr „gefällt, auffällt und einfällt“, hat sie durchgesehen und sich bei manchen Stücken gedacht: „Ach, das ist ja auch schön gewesen“. Das fanden am Dienstagabend auch die 300 Besucher des Mephisto-Kinos, als sie aus ihrem Buch „Alles kein Zufall“einige dieser kuriosen, heiteren und traurigen Geschichten vorlas, die meist nicht länger sind als eine Seite. „Nicht alles ist ich, auch wenn es ich heißt“, stellt sie vorher klar, aber alle diese Geschichten hätten doch mit ihr zu tun, vor allem mit ihrem Blick auf die Welt.
Trotzdem klingt vieles autobiografisch, was sie erzählt. Das Aufwachsen im Ruhrgebiet mit einem leichtfüßigen Charmeur als Vater, der viele Affären hatte, und mit einer strengen Mutter, die das Kind oft grausam behandelt. Der Vater verlässt die Familie und die Mutter spricht nie wieder ein Wort mit ihm. Doch zu seiner Beerdigung wird ein prächtiger Strauß Rosen geschickt. „Diese Rosen leuchteten wie mein ewig in Amouren verstrickter Vater in seinen besten Jahren“– und die Mutter verlässt weinend das Zimmer, als ihr die Tochter davon erzählt. Mit Lakonie und Selbstironie schreibt Heidenreich von den eigenen Liebschaften, die sie als „leicht entflammbare Frau“in reicher Zahl hatte, besonders mit Brüdern. „Viermal ist mir das passiert, aber das fünfte Mal war es am verrücktesten.“Und Heidenreich erzählt von vielen, vielen Freunden wie dem Frauenheld, der seinen Ruf verteidigte, indem er auf Reisen immer ein Paar Damenschuhe vor die Tür stellte, „damit niemand auf die Idee kommen könnte, er wäre allein.“
187 kleine bis kleinste Geschichten enthält dieses Buch mit den Sammelstücken eines Lebens. Nicht alle sind sie witzig, aus vielen spricht Nachdenklichkeit und Melancholie. Meist sind sie berührend, manche handeln auch davon, dass „das eigene Leben mal gerade wieder zusammengekracht ist.“Oft sind es keine großen Dramen, sondern Ereignisse des Alltags, aber es sind ja „die Kleinigkeiten, an denen wir zerbrechen“. Wie man damit umgeht, hat man selbst in der Hand, meint Elke Heidenreich. Und deshalb ist eben „Alles kein Zufall“.