Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Diebesbande räumt mit EC-Karten Bankkonten leer
Justiz Ein Duo stiehlt Geldbeutel und spekuliert darauf, dass der PIN für die Geldkarte auch dort aufbewahrt ist. Welche Folgen der Leichtsinn hat
Diese Sorglosigkeit kann den Betroffenen teuer zu stehen kommen: Wer seine ECKarte zusammen mit dem dazugehörigen PIN aufbewahrt, macht es Dieben einfach, das Bankkonto leer zu räumen. Ob die Opfer das Geld wieder zurückbekommen, ist fraglich. Johannes Schubert von der Kreissparkasse Augsburg warnt vor dem Leichtsinn – und betont, dass es keine einheitliche Regelung dazu gebe. Vielmehr müsse jeder Fall einzeln geprüft werden. Ein Diebesduo aus Rumänien machte sich diesen Leichtsinn zunutze und ging vor knapp sechs Jahren auf Beutezug durch die Region: Die beiden Männer gingen gezielt in Supermärkte, stahlen dort die Geldbeutel von Kunden, die gerade mit Einkaufen beschäftigt waren, und durchsuchten die Börse nach dem Code.
War der gefunden, wurde das Konto leer geräumt, noch bevor es die Bestohlenen sperren konnten. Die Staatsanwaltschaft listete in ihrer Anklageschrift 21 Fälle zwischen Dezember 2010 und März 2011 auf. Betroffen waren die Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg sowie die Städte Donauwörth und Augsburg. Der gesamte Schaden liegt bei 12000 Euro, allein eine Frau verlor auf diese Weise 3500 Euro. Besonders tragisch: Es war das Geld ihrer verstorbenen Mutter.
Einer der beiden, ein 36-Jähriger, musste sich nun am Augsburger Amtsgericht verantworten. Nach einer europaweiten Fahndung wurde er im Mai im finnischen Helsinki festgenommen und den Behörden übergeben. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft in der JVA Gablingen. In der Zwischenzeit hatte der Mann seine Diebestour auch auf andere Länder ausgeweitet, sein polizeiliches Führungszeugnis umfasst nun Strafen in Paris und Barcelona, auch dort wurde er wegen Diebstahls verurteilt. In seiner Heimat Rumänien hatte er als 19-Jähriger bereits eine vierjährige Haftstrafe angetreten. Während der Verhandlung tat ihm vor allem eine Person leid: er selbst. Schon als Staatsanwältin Katja Frauenrath die Anklageschrift vorlas, begann er heftig zu schluchzen. Sein Verteidiger Andreas Müller musste ihn zwischenzeitlich ermahnen, sich zusammenzureißen.
Der Anklagte wollte von den Ausmaßen nichts gewusst haben
In der Verhandlung gab der Angeklagte zu, den Opfern immer den Geldbeutel gestohlen zu haben. Samt Inhalt habe er diesen daraufhin seinem Komplizen übergeben. Was der wiederum damit angestellt habe, wisse er nicht, sagte er dem Gericht unter der Leitung von Richter Alexander Müller. Der weitaus größere Schaden wurde jedoch durch das Leerräumen der Konten verursacht – damit habe er aber nichts zu tun gehabt, ließ er über seine Übersetzerin ausrichten: Sein Mittäter sei immer ohne ihn weggefahren und habe ihm danach ein bisschen Geld abgegeben. Mit diesen Kleinstbeträgen habe er dann seinen Lebensunterhalt und seine Drogensucht finanziert. Was sein Mittäter mit den ECKarten vorhatte, habe er nicht gewusst – lediglich ein- oder zweimal sei er beim Abheben dabei gewesen.
Sein 33-jähriger Komplize, der bereits rechtskräftig verurteilt ist, widersprach ihm in seiner Zeugenaussage jedoch. Natürlich sei bekannt gewesen, was man mit den EC-Karten vorhatte. In fünf Fällen konnte die Staatsanwaltschaft anhand der Bilder der Überwachungskamera der Bank nachweisen, dass der Angeklagte bei den Abhebungen dabei war – in einigen Fällen ist sogar klar zu erkennen, dass er selbst derjenige ist, der den Automaten bedient. Richter Alexander Müller stellte bei dem Beschuldigten eine „erhebliche kriminelle Energie“fest und verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren.
Polizeisprecher Siegfried Hartmann rät dringend davon ab, denselben Fehler wie die Opfer der Männer zu machen und die PIN im Geldbeutel zu notieren. „Das kommt leider immer wieder vor. Einige verklausulieren ihre PIN zwar in Form einer Telefonnummer, aber das ist unter den Tätern bekannt. Die versuchen es am Automaten mit allen möglichen Zahlenkombinationen.“Ob man das Geld wiederbekommt, hängt von der Bank und den Umständen ab. Oft bleiben die Opfer auf ihrem Schaden sitzen.