Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der kranke Tobi mag kein neues Herz
Workshop Schüler bearbeiten Dokumentarfilm und erfahren spannende Dinge über das Schicksal eines Jungen
Tobi ist ein herzkranker Junge, dem Ärzte höchstens eine Lebensdauer von einem Jahr vorhergesagt haben. Inzwischen ist er volljährig. Als er 15 war, hat er sich schon auf das Sterben eingestellt. Doch dann bekam er plötzlich ein neues gesundes Spenderherz. Viele würden denken, dass Betroffene sich freuen, wenn sie ein Organ geschenkt bekommen. Tobi allerdings wollte es überhaupt nicht haben.
Dieses schwierige Thema erwartete die Schüler einer zehnten Klasse der Mittelschule Gersthofen im Ballonmuseum. Im Rahmen der Kinderkulturtage nahmen sie am Workshop „Lieber Leben“teil. Die Mädchen und Buben hören schockierende, überhaupt nicht freudige Sätze: „Als der Arzt angerufen und gesagt hat, es gebe ein neues Herz für mich, habe mich dagegen gewehrt. Ich wollte das gar nicht haben. Meine Mutter hat mich dann dazu gezwun- gen, ins Krankenhaus zu fahren.“Nach einer kurzen Einführung sahen sie sich den Film an. Danach konnten erste Fragen beantwortet werden. Intensiver beschäftigten sich die Schüler damit, als sie sich in acht verschiedenen Gruppen bestimmte Aspekte der Filmgestaltung genauer anschauten. So wurden etwa die Menschen oder die Musik betrachtet.
Die Schüler stellten anschließend kurz allen ihre Ergebnisse vor, und die Regisseurin Katharina Köster beantwortete hierbei Fragen. So erklärte sie etwa, dass „ich Tobi bei Dreharbeiten in seinem Behinderten-Internat kennengelernt habe“. Seine Geschichte faszinierte sie, sie wollte mehr darüber erfahren, und auch er wollte erzählen.
„Ich versuche immer, im Film die Realität möglichst genau abzubilden. Deswegen sind wir teilweise für die Drehs schon da gewesen, bevor er aufgestanden ist, und sind erst, als er geschlafen hat, wieder gegangen“, sagte Katharina Köster Der Film zeigt den Lebensabschnitt von Tobi von der Zeit, als er 15 war, bis nach seinem 18. Geburtstag. In diesen Jahren hat er sich stark gewandelt vom kleinen Jungen, der kein neues Herz mag, zu einem jungen Erwachsenen, der mit Freude Schlagzeug spielt, Zukunftspläne hat und das Abitur nachholen will.
Viele überraschte vor allem, dass Tobi sich nicht über sein neues Herz freute, sondern es nicht wollte. Außerdem hat er Schuldgefühle gegenüber der Familie des Spenders, da er weiterhin leben kann, nur weil der Spender sein Leben verloren hat. Er fühlt sich mit seinem alten Herz verbunden und sieht das neue als Geschenk eines Fremden. Auch Tobis Bruder kam im Film zu Wort und erzählte, wie sehr er sich freut, dass sein Bruder jetzt eine gute Zukunft haben kann. Besonders berührend war für die Schüler Tobis Besuch im Kinderhospiz. Hier hatte sich der Junge eigentlich auf seinen Tod eingestellt und entschieden, wie seine Trauerfeier aussehen sollte. Viele Schüler waren ergriffen. Auch Donat meint: „Insgesamt fand ich das alles echt interessant und hab wirklich mitgefühlt mit ihm. “
Maya Reichelt, Leiterin von DOK.education, dem Kinder- und Jugendprogramm des Dokumentarfilmfestivals München, ist zufrieden: „Dieser Film interessiert sowieso immer so gut wie alle. Tobi selber mag den Film über sich. Es freut mich, dass wir außerhalb von München Schülern unsere Dokumentarfilme zeigen können.“O
27. Oktober Kinder stellen um 18 Uhr im Ballonmuseum ihre Ergebnisse des Kunst-Projektes „Der Supermarkt der Erlebnisse“mit Katharina Steppe-Roth vor.