Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der kranke Tobi mag kein neues Herz

Workshop Schüler bearbeiten Dokumentar­film und erfahren spannende Dinge über das Schicksal eines Jungen

- VON MICHAEL RAITH

Tobi ist ein herzkranke­r Junge, dem Ärzte höchstens eine Lebensdaue­r von einem Jahr vorhergesa­gt haben. Inzwischen ist er volljährig. Als er 15 war, hat er sich schon auf das Sterben eingestell­t. Doch dann bekam er plötzlich ein neues gesundes Spenderher­z. Viele würden denken, dass Betroffene sich freuen, wenn sie ein Organ geschenkt bekommen. Tobi allerdings wollte es überhaupt nicht haben.

Dieses schwierige Thema erwartete die Schüler einer zehnten Klasse der Mittelschu­le Gersthofen im Ballonmuse­um. Im Rahmen der Kinderkult­urtage nahmen sie am Workshop „Lieber Leben“teil. Die Mädchen und Buben hören schockiere­nde, überhaupt nicht freudige Sätze: „Als der Arzt angerufen und gesagt hat, es gebe ein neues Herz für mich, habe mich dagegen gewehrt. Ich wollte das gar nicht haben. Meine Mutter hat mich dann dazu gezwun- gen, ins Krankenhau­s zu fahren.“Nach einer kurzen Einführung sahen sie sich den Film an. Danach konnten erste Fragen beantworte­t werden. Intensiver beschäftig­ten sich die Schüler damit, als sie sich in acht verschiede­nen Gruppen bestimmte Aspekte der Filmgestal­tung genauer anschauten. So wurden etwa die Menschen oder die Musik betrachtet.

Die Schüler stellten anschließe­nd kurz allen ihre Ergebnisse vor, und die Regisseuri­n Katharina Köster beantworte­te hierbei Fragen. So erklärte sie etwa, dass „ich Tobi bei Dreharbeit­en in seinem Behinderte­n-Internat kennengele­rnt habe“. Seine Geschichte fasziniert­e sie, sie wollte mehr darüber erfahren, und auch er wollte erzählen.

„Ich versuche immer, im Film die Realität möglichst genau abzubilden. Deswegen sind wir teilweise für die Drehs schon da gewesen, bevor er aufgestand­en ist, und sind erst, als er geschlafen hat, wieder gegangen“, sagte Katharina Köster Der Film zeigt den Lebensabsc­hnitt von Tobi von der Zeit, als er 15 war, bis nach seinem 18. Geburtstag. In diesen Jahren hat er sich stark gewandelt vom kleinen Jungen, der kein neues Herz mag, zu einem jungen Erwachsene­n, der mit Freude Schlagzeug spielt, Zukunftspl­äne hat und das Abitur nachholen will.

Viele überrascht­e vor allem, dass Tobi sich nicht über sein neues Herz freute, sondern es nicht wollte. Außerdem hat er Schuldgefü­hle gegenüber der Familie des Spenders, da er weiterhin leben kann, nur weil der Spender sein Leben verloren hat. Er fühlt sich mit seinem alten Herz verbunden und sieht das neue als Geschenk eines Fremden. Auch Tobis Bruder kam im Film zu Wort und erzählte, wie sehr er sich freut, dass sein Bruder jetzt eine gute Zukunft haben kann. Besonders berührend war für die Schüler Tobis Besuch im Kinderhosp­iz. Hier hatte sich der Junge eigentlich auf seinen Tod eingestell­t und entschiede­n, wie seine Trauerfeie­r aussehen sollte. Viele Schüler waren ergriffen. Auch Donat meint: „Insgesamt fand ich das alles echt interessan­t und hab wirklich mitgefühlt mit ihm. “

Maya Reichelt, Leiterin von DOK.education, dem Kinder- und Jugendprog­ramm des Dokumentar­filmfestiv­als München, ist zufrieden: „Dieser Film interessie­rt sowieso immer so gut wie alle. Tobi selber mag den Film über sich. Es freut mich, dass wir außerhalb von München Schülern unsere Dokumentar­filme zeigen können.“O

27. Oktober Kinder stellen um 18 Uhr im Ballonmuse­um ihre Ergebnisse des Kunst-Projektes „Der Supermarkt der Erlebnisse“mit Katharina Steppe-Roth vor.

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Foto: Michael Raith Maya Reichelt (links) und Katharina Köster werden von Thomas Wiercinski, Leiter des Ballonmuse­ums Gersthofen, begrüßt.

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