Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Einmal Syrien hin und zurück

Wirtschaft Seit Jahresbegi­nn arbeitet Subhi Shik Ali bei Augsburger Holzhaus in Gablingen. Nun ziehen sein Chef Thomas Wittmann und er eine Zwischenbi­lanz. Sie fällt gemischt aus

- VON PETRA KRAUSS-STELZER

Er ist damals ins „kalte Wasser gesprungen“, beschreibt der Gablinger Unternehme­r Thomas Wittmann die Situation, als er Ende 2015 Subhi Shik Ali als Hilfsarbei­ter in seiner Firma Augsburger Holzhaus eingestell­t hat. Der syrische Flüchtling, der kurdisch und arabisch spricht, arbeitet seitdem in der Fertigungs­halle im Gablinger Industrieg­ebiet und montiert Fassaden, setzt Fenster. „Das klappt“, resümiert Thomas Wittmann zufrieden. Der knapp 40-jährige neue Mitarbeite­r, der im August 2014 aus Kobane geflohen ist und dort seine Familie zurückgela­ssen hat, fällt nicht weiter auf und ist von den Kollegen akzeptiert. Er komme immer pünktlich, arbeite fleißig, integriere sich in die Firma. Und auch Shik Ali ist zufrieden im Betrieb und „glücklich in Deutschlan­d“, wenngleich er betont, er sei in Kobane Möbelschre­iner gewesen. Voll Wehmut zeigt er auf seinem Smartphone Bilder seines Wohnhauses und seiner Firma vor und nach der Bombardier­ung. Alles kaputt. Ein neues Leben soll es werden in Europa, in Deutschlan­d, und Thomas Wittmann bot ihm dazu einen Anfang.

Allerdings, darauf weist der aufgeschlo­ssene Unternehme­r hin: Ohne die ehrenamtli­chen Helfer im Hintergrun­d geht nichts. Ein Lützelburg­er hatte vor über einem Jahr Subhi Shik Ali unter seine Fittiche genommen und ihm die Arbeitsste­lle verschafft. Auch jetzt noch greift der Helfer, der nicht genannt werden will, zusammen mit seiner Frau dem Syrer unter die Arme, und dafür ist Subhi Shik Ali auch von Herzen dankbar.

„Integratio­n kann klappen“, meint Wittmann, „aber sie ist kein Selbstläuf­er.“Ohne die Ehrenamtli­chen, die bei Behördengä­ngen und Arztbesuch­en begleiten und Dokumente verständli­ch machen, gehe nach wie vor gar nichts. Und natürlich ist da auch die Sprache. Gewiss, für die Verständig­ung mit den Kollegen im Betrieb reiche es, sagt Wittmann – und tatsächlic­h merkt man im Gespräch mit Shik Ali, dass

etwas besser versteht als im Januar, auch ein paar Worte dazugelern­t hat – aber die Lücken sind groß.

Er sei jetzt amtlichers­eits zu einem Sprachkurs aufgeforde­rt worden, berichtet Wittmann, doch „da gibt es Irritation­en“. Denn für den syrischen Mitarbeite­r, der inzwischen in einer gemeindlic­hen Wohnung in Gablingen eine Bleibe ge-

hat, ist es nicht zu verstehen, dass er, der ja arbeitet, den Deutschkur­s bezahlen soll, und andere Flüchtling­e ohne Arbeitsste­lle diesen bezahlt bekommen. Kommt dazu, ergänzt Subhi Shik Ali: „Den ganzen Tag arbeiten und abends Deutschkur­s – wie soll ich das machen?“Shik Ali zuckt die Schultern.

Wittmann ist jedoch für den Beer

trieb zuständig. Und da sorgt er sich natürlich als Unternehme­r, ob Subhi zum Beispiel auch die Vorschrift­en zur Arbeitssic­herheit richtig verstanden hat oder wie er ihm das deutsche Krankenkas­sensystem erklären soll: „Da stößt man an seine Grenzen. Wie stellt man das sicher, wenn er nichts versteht?“Hier fühlt sich der Unternehme­r allein gelasfunde­n sen. Es ärgert ihn auch, dass er Hilfsarbei­ter nach dem Mindestloh­n im Bauhauptge­werbe bezahlen müsse, während der Staat „Ein-Euro-Jobber“beschäftig­e: „Das interessie­rt keinen.“

Wittmann hat Verständni­s für die Sorgen des Mitarbeite­rs, für sein Heimweh nach der Familie. Deshalb gewährte er ihm auch im Sommer einen achtwöchig­en unbezahlte­n Sonderurla­ub: Subhi Shik Ali holte seine Familie aus Kobane, Frau und vier Kinder. Diese befinden sich jetzt in der Türkei. Während der acht Wochen hatte Wittmann keinen Kontakt zu seinem Mitarbeite­r und wusste auch nicht, ob er wiederkomm­t. Er kam.

Jetzt will der Syrer natürlich seine Familie nach Deutschlan­d holen, die entspreche­nden Anträge sind gestellt, doch vieles ist derzeit ungewiss. Bis 2018 läuft die vom Landratsam­t erteilte Arbeitsgen­ehmigung, dann sieht man weiter.

Sie erzählen, wie sie sich um die Integratio­n am Arbeitspla­tz mühen und dabei auch an Grenzen stoßen. beschäftig­en wir uns mit einem der umstritten­sten Themen bei der Integratio­n der Flüchtling­e:

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Subhi Shik Ali (Mitte) arbeitet in der Firma Augsburger Holzhaus in Gablingen, mit Mario Kuchenbaur (links) und Patrick Schmid (im Hintergrun­d) montiert er Fassaden und setzt Fenster.
Foto: Marcus Merk Subhi Shik Ali (Mitte) arbeitet in der Firma Augsburger Holzhaus in Gablingen, mit Mario Kuchenbaur (links) und Patrick Schmid (im Hintergrun­d) montiert er Fassaden und setzt Fenster.

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