Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auf Schatzsuch­e

Kirchenser­ie Wettenhaus­en ist berühmt für seinen prachtvoll­en Kaisersaal. Doch das Kloster hat noch viel mehr zu bieten

- VON REBEKKA JAKOB

Ein Schatz, das wäre genau das, was das Kloster Wettenhaus­en bräuchte. Versteckt, vielleicht irgendwo in einer der unzähligen Kammern, oder gar im sagenumwob­enen Geheimgang, den Generation­en von Schülern des Gymnasiums schon vergebens gesucht haben. Ein Kistchen mit Schätzen, das die Augustiner­chorherren irgendwo versteckt haben, als die Säkularisa­tion sie 1802 vertrieb: Die Dominikane­rinnen, seit 150 Jahren Herrinnen über Kloster Wettenhaus­en, könnten damit den ersehnten Fortbestan­d des großen, sanierungs­bedürftige­n Gebäudekom­plexes sichern. Tatsächlic­h hat das Kloster aber bereits eine ganze Reihe von Schätzen zu bieten – nicht nur seinen berühmten Kaisersaal mit der verschwend­erisch verzierten Stuckdecke.

Der Kreuzgang zum Beispiel ist so ein Schatz, findet Schwester Al- Ziesenböck. Sie blickt zur Decke empor, auch hier reich mit Stuck verziert. „Die Bilder in den Medaillons stammen aus einem damals topaktuell­en Buch“, sagt die Lehrerin. Aus dem „Mundus Symbolicus“, der umfassends­ten Sinnbildsa­mmlung des 17. Jahrhunder­ts, stammen die Embleme, die quasi das geistliche Programm für einen Mönch darstellen: Armut, Keuschheit und Gehorsam. Ein Adler wirft seine Ketten ab, die ihn mit der Welt verbinden. Eine Perle und ein Hermelin stehen für Reinheit. Um 1680 müssen die Bilder entstanden sein, Secco-Malereien, die im Gegensatz zum Fresco auf trockenen Putz gemalt wurden. Einige Meter weiter sind in der Mauer des Kreuzgangs Reste des romanische­n Mauerwerks aus Nagelfluh freigelegt – es ist die älteste Architektu­r, die im Landkreis Günzburg zu finden ist.

Vom Kreuzgang aus gelangen die heute elf Schwestern von Wettenhaus­en durch eine Seitentüre in die Klosterkir­che – und stehen dabei direkt vor einem weiteren Klostersch­atz: dem Altar mit der Krönungssz­ene Marias, entstanden zwischen 1523 und 1524. „Das war der Hochaltar der Vorgängerk­irche“, erklärt Schwester Alberta. „Leider ist nicht mehr alles davon in Wettenhaus­en.“Bereits 1664 hatten die Chorherren das Schmuckstü­ck zerlegt, das Mittelstüc­k, eingebaut in einen barocken Rosenkranz­altar, blieb in Wettenhaus­en. Geschnitzt­e Skulpturen des Heiligen Augustinus und des Heiligen Georg gelten als verscholle­n. Reliefs von den Innenseite­n des inneren Flügelpaar­es, die die Geburt Christi und die Heiligen Drei Könige zeigen, sind im Bayerische­n Nationalmu­seum München, in der Alten Pinakothek die Gemälberta de von der Außenseite der inneren Flügel und die äußeren Flügel.

Einen anderen Kunstschat­z hatte sich das Kloster jedoch nicht nehmen lassen. Im ersten und zweiten Stock des Gebäudes verschließ­en geschmiede­te Gittertore den Vorplatz. Ihr Ursprung liegt in Augsburg, erklärt Schwester Alberta: „Als man im 19. Jahrhunder­t den Dom renovierte, hat der Konvent die beiden Gitter günstig erworben und einbauen lassen. Im 20. Jahrhunder­t fand dann in Augsburg wieder eine Renovierun­g statt – jetzt hat man nachgefors­cht, wo damals die Gitter abgebliebe­n sind, und wollte sie zurück kaufen. Aber der Konvent hat nein gesagt.“Direkt hinter einem der beiden Gitter verbirgt sich ein weiteres Schnäppche­n, das sich als Schatz herausgest­ellt hat: Jesus auf dem Palmesel, ein Werk des bedeutende­n Ulmer Bildhauers Hans Multscher. Der Bayerische Staat hatte das einst von den Augsburger Benediktin­ern in Auftrag gegebene Kunstwerk zu einem Schleuderp­reis versteiger­t: Heute wären es etwa zehn Euro, die Klostergrü­nderin Schwester Aquinata Lauter dafür bezahlte. Vor einigen Jahren wurde das Kunstwerk mit einer Summe von 500 000 Euro versichert.

Während Kaisersaal, Kirche Gitter und Palmesel von Besuchern das ganze Jahr betrachtet werden können, sind andere Schätze nicht allgemein zugänglich – das Prälatenzi­mmer zum Beispiel, mit seiner Régence-Stuckdecke (ab 1720) des Wessobrunn­er Meisters Josef Schmuzer in Grau, Rosa und Gelb. Oder das ganz in weiß stuckierte klassizist­ische Papstzimme­r, um 1790 unter dem Eindruck des Augsburger Papstbesuc­hs entstanden. „Das war das letzte, was man im Kloster hatte machen lassen“, erzählt Schwester Alberta. Danach hatten die Chorherrn das Haus für immer verlassen.

Als vor 150 Jahren die Dominikane­rinnen nach Wettenhaus­en zogen, fanden sie ein Haus im Zustand des Verfalls vor – im Refektoriu­m wurden Schweine gehalten, im Obergescho­ss war das Forst- und Rentamt samt Försterfam­ilie eingezogen und im prächtigen Kaisersaal lagerte Getreide. Die Frauen unter der Führung von Priorin Aquinata Lauter machten sich an die Arbeit und legten den großen Schatz, das Kloster Wettenhaus­en, Stück für Stück frei, ergänzten ihn und brachten ihn – allen finanziell­en Sorgen zum Trotz – zum Glänzen.

Heute ist das Kloster, das dafür eine eigene Entwicklun­gs-GmbH gegründet hat, auf der Suche nach Wegen, diesen Schatz zu bewahren und Möglichkei­ten für eine zukünftige Nutzung zu finden. Dazu werden unter anderem aktuelle Baupläne erstellt, die schon so manche Überraschu­ngen zutage gefördert haben. Unter anderem alte Bierflasch­en aus der Klosterbra­uerei, sogar noch mit Inhalt. Nur das Schatzkist­chen bleibt weiter verschwund­en.

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Die Decke des Kreuzgangs, zu der Schwester Alberta aufblickt, ist ein Bilderbuch des geistliche­n Programms der Mönche, die bis zur Säkularisa­tion hier lebten: Armut, Keuschheit und Gehorsam in allegorisc­hen Bildern.
 ??  ?? Die Stiftungss­age des Klosters zeigt ein Deckengemä­lde über dem Vorplatz im ersten Stock. Gräfin von Roggenstei­n, so die Sage, überlistet­e mit einem Spielzeug ihre Söhne: Die hatten ihr für das Kloster so viel Land versproche­n, wie man an einem Tag mit...
Die Stiftungss­age des Klosters zeigt ein Deckengemä­lde über dem Vorplatz im ersten Stock. Gräfin von Roggenstei­n, so die Sage, überlistet­e mit einem Spielzeug ihre Söhne: Die hatten ihr für das Kloster so viel Land versproche­n, wie man an einem Tag mit...
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Diesen Schatz gibt das Kloster nicht mehr her: Die kunstvolle­n Tore (hier bei einer Theaterauf­führung im Kloster) stammen aus dem Augsburger Dom, wo der Konvent sie im Zuge einer Renovierun­g günstig erwarb. Bei einer neuerliche­n Renovierun­g wollten die...
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