Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn Glocken für Misstöne sorgen
Streit Dass sich Anwohner an Kirchengeläut stören, kommt immer wieder vor. Nun behandelte der Verwaltungsgerichtshof einen Fall – doch Ärger gab es neulich auch in Leitershofen
Im Mai reichte es einem Anwohner der Kirche St. Oswald in Leitershofen: Weil er sich vom Morgengeläut gestört fühlte, das jeden Tag um 7 Uhr einsetzt, beschwerte er sich beim Ordnungsamt der Stadt Stadtbergen. Das zuständige Landratsamt wies die Beschwerde jedoch ab und verwies in einer Stellungnahme auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. Bis vor den bayerischen Verwaltungsgerichtshof prozessierte dagegen eine katholische Familie aus dem Landkreis Kehlheim, die sich von den Glocken eines neu errichteten evangelischen Turms gestört fühlte. Nachdem die Familie in erster Instanz verloren hatte, gelang es dem Gericht gestern, einen Kompromiss zu vermitteln (siehe Seite 11).
Georg Schneider, der Dekan für Augsburg-Land, hört es ungern, wenn Kirchenglocken der Anlass für einen Streit sind. „Ich liebe Musik und finde den Klang von Glocken ästhetisch – es tut mir im Herzen weh, wenn jemand daran Anstoß nimmt.“Auch Schneider selbst muss mitunter mit verärgerten Anwohnern wegen des Glockengeläuts sprechen. „Ich glaube, dass wir sogar einmal Schall-Messungen an unserer Kirche in Stettenhofen veranlasst haben.“Diese hätten aber ergeben, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Ohnehin ist das Morgenläuten aber ebenso wie viele andere Glockenschläge verfassungsrechtlich besonders geschützt (siehe Infokasten).
Das Schlagen der Glocken zur vollen oder halben Stunde unterliegt hingegen den allgemeinen Lärmschutzverordnungen. Dennoch, betont Schneider, wolle man den Anwohnern nicht das Gefühl geben, sich auf der Rechtslage ausruhen zu wollen. „Ich möchte jedem, der damit ein Problem hat, das Gefühl vermitteln, dass ich ihn ernst nehme.“Laut dem Landratsamt Augsburg, in dem die Lärmschutzbehörde angesiedelt ist, hat es in den vergangenen Jahren keinen Fall gegeben, der gerichtlich entschieden werden musste. In aller Regel werde versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Der letzte Fall, in dem die Wogen höher schlugen, liegt schon einige Zeit zurück: Vor 15 Jahren hatten sich in Königsbrunn Anwohner der Kirche „Maria unterm Kreuz“darüber beschwert, dass die Glocken der Kirche zu laut waren. Die Stadt Königsbrunn schaltete daraufhin den damaligen Landrat Karl Vogele ein, der einen Kompromiss erwirkte.
Beim Bistum gibt es zwar kein generelles Empfehlungsschreiben dazu, wie oft und in welcher Form geläutet werden darf. Dies dürfe jede Kirche selbst entscheiden. Wenn sich Anwohner darüber beschweren, dass es zu laut ist, sei jeweils der Einzelfall geprüft worden. Wenn es nicht möglich war, die nächtlichen Richtwerte einzuhalten, sei der nächtliche Glockenschlag ganz abgestellt worden.
Woanders sehnt man sich hingegen geradezu nach dem Glockenschlag. In Emersacker wird gerade dafür gesammelt, damit die Gemeinde neue Glocken anschaffen kann. Die alten wurden in den 50er Jahren aus minderwertigem Material gegossen und befinden sich in einem schlechten Zustand. Und der ehemalige Dekan und Hainhofer Pfarrer Karl Freihalter hat sich ein besonderes Läuten sogar freiwillig ins Wohnzimmer geholt. „Als ich als Regionaljugendpfarrer am Augsburger Dom gearbeitet habe, habe ich das Läuten der Kirche nicht mehr gehört. Und deswegen habe ich mir eine Standuhr zugelegt, die jede halbe Stunde schlägt.“Den Umzug nach Hainhofen machte auch die Uhr mit und verrichtet seitdem ihren Dienst.