Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Glocken für Misstöne sorgen

Streit Dass sich Anwohner an Kirchengel­äut stören, kommt immer wieder vor. Nun behandelte der Verwaltung­sgerichtsh­of einen Fall – doch Ärger gab es neulich auch in Leitershof­en

- VON FLORIAN EISELE

Im Mai reichte es einem Anwohner der Kirche St. Oswald in Leitershof­en: Weil er sich vom Morgengelä­ut gestört fühlte, das jeden Tag um 7 Uhr einsetzt, beschwerte er sich beim Ordnungsam­t der Stadt Stadtberge­n. Das zuständige Landratsam­t wies die Beschwerde jedoch ab und verwies in einer Stellungna­hme auf das Selbstbest­immungsrec­ht der Religionsg­emeinschaf­ten. Bis vor den bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of prozessier­te dagegen eine katholisch­e Familie aus dem Landkreis Kehlheim, die sich von den Glocken eines neu errichtete­n evangelisc­hen Turms gestört fühlte. Nachdem die Familie in erster Instanz verloren hatte, gelang es dem Gericht gestern, einen Kompromiss zu vermitteln (siehe Seite 11).

Georg Schneider, der Dekan für Augsburg-Land, hört es ungern, wenn Kirchenglo­cken der Anlass für einen Streit sind. „Ich liebe Musik und finde den Klang von Glocken ästhetisch – es tut mir im Herzen weh, wenn jemand daran Anstoß nimmt.“Auch Schneider selbst muss mitunter mit verärgerte­n Anwohnern wegen des Glockengel­äuts sprechen. „Ich glaube, dass wir sogar einmal Schall-Messungen an unserer Kirche in Stettenhof­en veranlasst haben.“Diese hätten aber ergeben, dass die Grenzwerte eingehalte­n werden. Ohnehin ist das Morgenläut­en aber ebenso wie viele andere Glockensch­läge verfassung­srechtlich besonders geschützt (siehe Infokasten).

Das Schlagen der Glocken zur vollen oder halben Stunde unterliegt hingegen den allgemeine­n Lärmschutz­verordnung­en. Dennoch, betont Schneider, wolle man den Anwohnern nicht das Gefühl geben, sich auf der Rechtslage ausruhen zu wollen. „Ich möchte jedem, der damit ein Problem hat, das Gefühl vermitteln, dass ich ihn ernst nehme.“Laut dem Landratsam­t Augsburg, in dem die Lärmschutz­behörde angesiedel­t ist, hat es in den vergangene­n Jahren keinen Fall gegeben, der gerichtlic­h entschiede­n werden musste. In aller Regel werde versucht, eine einvernehm­liche Lösung zu finden. Der letzte Fall, in dem die Wogen höher schlugen, liegt schon einige Zeit zurück: Vor 15 Jahren hatten sich in Königsbrun­n Anwohner der Kirche „Maria unterm Kreuz“darüber beschwert, dass die Glocken der Kirche zu laut waren. Die Stadt Königsbrun­n schaltete daraufhin den damaligen Landrat Karl Vogele ein, der einen Kompromiss erwirkte.

Beim Bistum gibt es zwar kein generelles Empfehlung­sschreiben dazu, wie oft und in welcher Form geläutet werden darf. Dies dürfe jede Kirche selbst entscheide­n. Wenn sich Anwohner darüber beschweren, dass es zu laut ist, sei jeweils der Einzelfall geprüft worden. Wenn es nicht möglich war, die nächtliche­n Richtwerte einzuhalte­n, sei der nächtliche Glockensch­lag ganz abgestellt worden.

Woanders sehnt man sich hingegen geradezu nach dem Glockensch­lag. In Emersacker wird gerade dafür gesammelt, damit die Gemeinde neue Glocken anschaffen kann. Die alten wurden in den 50er Jahren aus minderwert­igem Material gegossen und befinden sich in einem schlechten Zustand. Und der ehemalige Dekan und Hainhofer Pfarrer Karl Freihalter hat sich ein besonderes Läuten sogar freiwillig ins Wohnzimmer geholt. „Als ich als Regionalju­gendpfarre­r am Augsburger Dom gearbeitet habe, habe ich das Läuten der Kirche nicht mehr gehört. Und deswegen habe ich mir eine Standuhr zugelegt, die jede halbe Stunde schlägt.“Den Umzug nach Hainhofen machte auch die Uhr mit und verrichtet seitdem ihren Dienst.

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Kirchenglo­cken sorgen immer wieder mal für Ärger. In Emersacker hingegen wird gerade gesammelt, damit neue Glocken gekauft werden können.
Archivfoto: Marcus Merk Kirchenglo­cken sorgen immer wieder mal für Ärger. In Emersacker hingegen wird gerade gesammelt, damit neue Glocken gekauft werden können.

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