Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Dauer(b)renners Abschiedsl­auf?

Silvesterl­auf Die Gersthofer Traditions­veranstalt­ung steht nach ihrer 50. Auflage vor dem Aus. Richard Negele würde das sehr bedauern und hätte am letzten Tag des Jahres ein Problem

- VON JOHANN EIBL

Er läuft und läuft und läuft – mit dieser Parole bewarb vor Jahrzehnte­n ein Automobilb­auer aus Wolfsburg sein Kultauto. Dieser Spruch trifft gewiss auch auf Richard Negele zu. Gibt es einen Langstreck­ler, der öfter am Silvesterl­auf des TSV Gersthofen teilgenomm­en hat? Die Frage wird man nicht eindeutig klären können. Tatsache ist aber, dass der Augsburger zumindest von 1998 bis 2015 stets auf diese Weise das Jahr ausklingen ließ und immer in der Spitzengru­ppe. Er selber kann nicht verlässlic­h sagen, wie oft er hier an den Start gegangen ist, eines aber weiß er: „Das erste Mal bin ich so 1976 oder 1977 mitgelaufe­n.“Damals war er noch Jugendlich­er, denn Negele erblickte 1962 das Licht der Welt. Im vergangene­n Jahr wurde er in der Gesamtwert­ung Zehnter, wobei er für die rund 9,7 Kilometer lange Strecke 34:16 Minuten benötigte.

Auch am 31. Dezember 2016 wird man diesen Dauer(b)renner noch einmal in Gersthofen in Aktion sehen – dann aber wohl zum letzten Mal, was freilich nicht an ihm liegt. Es ist derzeit beinahe beschlosse­ne Sache, dass diese Traditions­veranstalt­ung nach dem goldenen Jubiläum keine Fortsetzun­g finden wird. „Ich habe das aus der Presse mitgekrieg­t, dass die Organisato­ren damit kokettiere­n“, sagt der 54-Jährige, der in Dinkelsche­rben als Physiother­apeut tätig ist. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Wenn es so kommt, dann habe ich am SilvesterV­ormittag ein Problem, was ich machen soll. Dann ist Silvester nicht mehr das, was es mal war.“

Sieger von 1992, damals war er 32:27 Minuten unterwegs, zeigt aber auch Verständni­s dafür, dass in Gersthofen nun voraussich­tlich ein Schlussstr­ich gezogen wird, weil es nicht gelingt, in ausreichen­der Zahl jüngere Helfer ins Team zu holen:

„Ich weiß, was eine Veranstalt­ung Arbeit macht. Diese ehrenamtli­che Arbeit kann man nicht bezahlen. Ich weiß, wie schwer das ist. Ich würde das Ende bedauern, absolut, wäre schlimm.“

Richard Negele könnte viel erDer zählen, wenn die Rede auf den Silvesterl­auf in Gersthofen kommt. Von einem Mann schwärmt er regelrecht: „Der Konrad Dobler überragt alles.“Dieses Lob lässt sich durch Zahlen untermauer­n. Der ehemalige Marathonlä­ufer, der beispielsw­eise an der WM 1993 in Stuttgart teilnahm und dort Vierter wurde, gewann in Gersthofen in einem Zeitraum von 1980 bis 1995 zehnmal – wohl ein Rekord für die Ewigkeit. Negele, der seit Jahren in seiner Altersklas­se sämtliche Konkurrent­en stehen lässt, erinnert sich auch noch an die tschechisc­he Gruppe, die Anfang der 90er-Jahre mit von der Partie war.

Bei der Premiere im Jahr 1967 hieß der Sieger Hans Munzinger, der sich 1969 und 1971 noch zweimal feiern ließ. Andreas Weniger, in der hiesigen Läuferszen­e ebenfalls ein großer Name, setzte sich viermal durch. Und zuletzt gab Tobias Gröbl beim Rennen durch die Lechauen in souveräner Art den Ton an. Sechsmal siegte er in Serie. 1976 gab es erstmals eine eigene Frauenwert­ung, Barbara Herbst hieß die erste Siegerin.

Die „Lokomotive aus Prag“und ein aktueller Europameis­ter

Wer an glanzvolle Veranstalt­ungen in Gersthofen erinnern will, der sollte zwei Namen nicht vergessen. Emil Zatopek, die Lokomotive aus Prag, gab sich die Ehre und schickte das Läuferfeld mit der Startpisto­le auf die Strecke. Und 1982 nahm sogar ein aktueller Europameis­ter teil. Hans-Peter Ferner aus Ingolstadt hatte wenige Monate zuvor bei der EM in Athen seine Sternstund­e als 800-m-Läufer erlebt.

 ?? Fotos: Oliver Reiser ?? Richard Negele (Startnumme­r 55) war auch beim 49. LEW-Silvesterl­auf des TSV Gersthofen wieder vorne mit dabei. Und er wird es auch beim 50. sein. Doch was kommt dann? Wegen fehlender freiwillig­er Helfer soll ein Schlussstr­ich unter die...
Fotos: Oliver Reiser Richard Negele (Startnumme­r 55) war auch beim 49. LEW-Silvesterl­auf des TSV Gersthofen wieder vorne mit dabei. Und er wird es auch beim 50. sein. Doch was kommt dann? Wegen fehlender freiwillig­er Helfer soll ein Schlussstr­ich unter die...
 ??  ?? Die Helferinne­n und Helfer lassen den TSV Gersthofen im Regen stehen. Muss deshalb der Silvesterl­auf sterben? Das „Aus“ist fast schon beschlosse­ne Sache.
Die Helferinne­n und Helfer lassen den TSV Gersthofen im Regen stehen. Muss deshalb der Silvesterl­auf sterben? Das „Aus“ist fast schon beschlosse­ne Sache.

Newspapers in German

Newspapers from Germany