Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Barack Obama feiert die Demokratie
Europa-Besuch Der US-Präsident verabschiedet sich in Athen mit einer Rede voller Hoffnung, aber auch Bitterkeit
Barack Obama hat sich von der internationalen Bühne als nachdenklicher Wahrer von Demokratie und Menschenrechten verabschiedet. Viele seiner Worte in Athen richtete er direkt an sein Publikum. Und doch schien es so, dass er damit auch seinen Nachfolger Donald Trump ansprechen wollte.
„Die Welt war – insgesamt – nie wohlhabender, besser gebildet, gesünder und weniger gewalttätig als heute, auch wenn das schwer zu glauben ist, wenn wir Nachrichten schauen,“sagte Obama. Demokratie sei zwar nicht perfekt, aber immer noch die beste Staatsform, die wir kennen. Und allein die Demokratie biete die Chance, diese Staatsform noch besser zu machen. Dabei seien vor allem die Bürger gefragt, denn sie seien nicht etwa die Diener, sondern die Vertreter der Demokratie.
Als große Herausforderung nannte Obama die Ungleichheit in der Welt. Zwar habe die wirtschaftliche Vernetzung zu mehr Wohlstand, mehr Bildung und weniger Gewalt geführt, aber es gebe auch enorme Brüche. „Ungleichheit wurde früher eher toleriert, sie wird jetzt nicht mehr toleriert, weil jeder, auch in den entlegensten Regionen Afrikas, ein Smartphone hat und sehen kann, wie die Leute in London oder New York leben.“Ungleichheit sei die größte Gefahr für unsere Demokratien. Es ist eine Mischung aus Größe und Bitterkeit, die aus Obamas Worten spricht.
Der Noch-Präsident erkennt die Wahlniederlage „seiner“Kandidatin Hillary Clinton an. Ihn scheint aber auch die nackte Sorge umzutreiben, wie es unter Trump weitergeht mit der Demokratie in den Vereinigten Staaten. Seine Gesprächspartner in den kommenden Tagen werden genau das wissen wollen. Denn auch Europa droht eine Populismuswelle. In Großbritannien hat sie mit dem Brexit bereits Fuß gefasst. In Italien steht in wenigen Wochen ein Referendum bevor, in Österreich die Bundespräsidentenwahl, in Frankreich wird im Frühjahr ein neuer Präsident gewählt. Überall könnten populistische Kräfte Oberwasser bekommen. Und genau wie seine Kollegen muss sich auch Obama fragen lassen, wie weit seine Politik schuld ist an der Entwicklung. Warum schafft es niemand mehr, nach rechts zu integrieren, wie das einst Helmut Kohl mit den deutschen Republikanern erfolgreich gelöst hat?
Vielerorts herrsche Unsicherheit und Unbehagen, sagt Obama. „So viele Leute auf der ganzen Welt werden manchmal in Versuchung geführt von Zynismus und davon, sich nicht einzubringen, weil sie glauben, dass Politiker und Regierung sich nicht um sie scheren.“Dem müsse man entschieden entgegentreten. Die Mittel dazu gebe es – oft mangele es jedoch am politischen Willen. Die Vorteile der Globalisierung müssten mehr Menschen erreichen, forderte der Präsident.
Für Begeisterung sorgten in Athen vor allem seine an die Griechen gerichteten Worte. „Denn es war hier vor 25 Jahrhunderten auf den steinigen Hügeln dieser Stadt, dass eine neue Idee entstanden ist: Demokratie.“Und dann sprach Obama doch ganz direkt über Donald Trump. „Der nächste US-Präsident und ich könnten unterschiedlicher nicht sein. Aber wir haben eine Tradition, dass der scheidende Präsident den neuen willkommen heißt und das habe ich letzte Woche getan“, betonte er. Die Grundpfeiler der Demokratie und eine offene Debatte müssten aufrechterhalten werden. „Dann sind wir auch okay.“„Der Fortschritt folgt einem kurvenreichen Pfad – manchmal vorwärts, manchmal zurück“, sagte Obama. Vor allem für junge Leute sei es wichtig, das zu verstehen, auch wenn es schwerfalle. „Aber die amerikanische Demokratie ist größer als jede Einzelperson.“
Wenn Obama heute ins Kanzleramt geht und sich erst mit Angela Merkel, und morgen dann mit vier weiteren Staats- und Regierungschefs aus Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien trifft, wird er oft die Frage hören, wie es denn nun weitergeht mit den USA. Obama, der als einziger schon mit Trump unter vier Augen gesprochen hat, wird versuchen, die Führungsfiguren Europas zu beruhigen. Der künftige Präsident ist aus seiner Sicht kein Ideologe, sondern eher ein Pragmatiker. „Die wichtigste Rolle in einem Land ist nicht die des Präsidenten oder des Ministerpräsidenten. Die wichtigste Rolle im Land ist die des Bürgers“, rief Obama auch den Griechen zu.