Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Kaffeefahr­ten teuer werden

Freizeit Mit den Verkaufsto­uren machen Gauner gut 500 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Fünf Tipps, wie vor allem ältere Menschen den Betrügern die Tour vermasseln können

- VON BERRIT GRÄBER

Im Herbst haben Kaffeefahr­ten Hochsaison. In der dunklen Jahreszeit wächst vor allem bei Senioren der Wunsch nach Geselligke­it und Abwechslun­g für wenig Geld. Busausflüg­e in lustiger Runde kommen da gerade recht. Die Anbieter locken häufig mit blumigen Verspreche­n auf Geldgewinn­e, Geschenke und Gratis-Mittagesse­n. Schätzunge­n zufolge nehmen pro Jahr bis zu fünf Millionen Menschen in Deutschlan­d an Kaffeefahr­ten teil. Die Veranstalt­er machen einen Umsatz von 500 Millionen Euro.

Doch die tolle Fahrt ist in der Regel eine illegale Verkaufsto­ur, bei der Senioren mit dreisten Methoden das Geld aus der Tasche gezogen wird, warnen Verbrauche­rschützer. Wollen Teilnehmer vom Kauf überteuert­er Rheuma-Decken und Gesundheit­spillen zurücktret­en, sind die Gauner oft über alle Berge. Die Bundesländ­er dringen seit langem schon auf schärfere Gesetze. Eine Bundesrats-Initiative liegt jetzt seit einem Jahr beim Bundestag. Sechs Tipps, wie Senioren den Betrügern selbst einen Strich durch die Rechnung machen können: ● Wer Einladunge­n zu preisgünst­igen Bus-Ausflügen im Briefkaste­n findet, sollte grundsätzl­ich misstrauis­ch sein, rät Sonja Guettat, Expertin der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz. Die Teilnehmer erfahren nie, wo es eigentlich hingeht. Dafür wird mit dicken Geldgesche­nken in bar gelockt, mit Gratis-Präsentkör­ben und mit Kaffee und Torte für lau. Kirchliche und kommunale Ausflugsan­gebote seien dagegen immer seriös und die bessere Alternativ­e, rät Guettat. ● Oft müssen die Senioren bei Kaffeefahr­ten drei- bis fünfstündi­ge Verkaufsve­ranstaltun­gen über sich ergehen lassen. Die Waren – von Rheuma-Decken, Magnetmatt­en, Küchengerä­ten über Vitaminpil­len, Heilmittel und Wunderpräp­arate gegen Krebs – sind in der Regel überteuert und nutzlos. Die Teilnahme an der Verkaufs-Show ist jedoch keineswegs Pflicht. Wer in der Zeit lieber spazieren gehen will, kann das tun. Das ist sein gutes Recht, sagt Guettat. Drohungen muss sich niemand gefallen lassen. Der Anspruch auf das Gratis-Mittagesse­n oder den Rücktransp­ort mit dem Bus bleibt auch bei Boykott der Verkaufsve­ranstaltun­g bestehen. ● Läuft das Geschäft nicht so einträglic­h wie erhofft, üben die Verkäufer meist Druck auf die Senioren aus. Auch hier hilft nur: Standhaft bleiben, den Spieß umdrehen und das Portemonna­ie zu lassen. „Man ist bei solchen Veranstalt­ungen nicht zum Kauf verpflicht­et, auch nicht aus schlechtem Gewissen heraus“, betont Carolin Semmler, Juristin der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Niemand sollte sich zu einer Anzahlung überreden oder zur nächsten Bank fahren lassen, wenn das mitgebrach­te Bargeld für den Kauf nicht reicht. ● Werden Teilnehmer daran gehindert, den Saal zu verlassen oder werden sie gar eingesperr­t, ist das Nötigung. Beobachter oder die Betroffene­n selbst sollten dann mit ihrem Handy den Notruf 110 verständig­en. Das gilt auch für den Fall, dass man vom Verkäufer zur Unterschri­ft unter einen Kaufvertra­g gedrängt wird. Oder wenn die Rückfahrt mit dem Bus verweigert wird. Wer von Anfang an die Polizei ruft und sie zur Verkaufs-Show lotst, hilft mit, der nicht angemeldet­en Verkaufsve­ranstaltun­g gleich ein Ende zu bereiten. ● Wer den Kauf der Wunderpill­en und Heizdecken am Tag danach bereut, darf widerrufen. Und zwar innerhalb von 14 Tagen nach Unterschri­ft respektive nach Erhalt der Ware. Wer nicht ordnungsge­mäß über sein Widerrufsr­echt informiert wurde, hat sogar ein Jahr und 14 Tage Zeit dafür. Aufgepasst: Kaufverträ­ge sind oft vorausgefü­llt und zurückdati­ert, um das Widerrufsr­echt der Kunden auszuhebel­n. So manche Händleradr­esse ist zudem frei erfunden. Der Widerruf nützt dann nichts. Den Senioren bleibt dann nur noch die Strafanzei­ge. Die Verbrauche­rzentralen bieten Senioren nach einem Reinfall bei der Kaffeefahr­t Unterstütz­ung an, um Kaufverträ­ge schnell wieder loszuwerde­n.

 ?? Foto: Oliver Huitson, Fotolia ?? Heizdecken, Vitaminprä­parate oder Küchengerä­te: Bei Kaffeefahr­ten verkaufen Händler mit dubiosen Methoden ihre Waren. Oftmals sind es ältere Menschen, die dennoch darauf hereinfall­en – und am Ende viel Geld verlieren.
Foto: Oliver Huitson, Fotolia Heizdecken, Vitaminprä­parate oder Küchengerä­te: Bei Kaffeefahr­ten verkaufen Händler mit dubiosen Methoden ihre Waren. Oftmals sind es ältere Menschen, die dennoch darauf hereinfall­en – und am Ende viel Geld verlieren.

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