Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Verhängnis­voller Ausflug ins Rotlicht-Milieu

Justiz Schwabens SPD-Chef Linus Förster soll versucht haben, ein Abenteuer mit einer Prostituie­rten heimlich zu filmen. Doch das ging schief. Warum jetzt die Kripo gegen ihn ermittelt und was er zu den Vorwürfen sagt

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF, TILL HOFMANN UND JÖRG HEINZLE

Linus Förster gilt als junggeblie­bener, gut gelaunter Typ. Der 51-jährige SPD-Landtagsab­geordnete greift gerne zur Gitarre und zum Mikrofon und kann dann schon mal einen ganzen Saal unterhalte­n. Doch jetzt hat Schwabens SPD-Chef eine Affäre am Hals, die er sich sicher gerne selbst erspart hätte.

Es beginnt nach Informatio­nen unserer Zeitung Anfang September mit einem Besuch des Politikers bei einer Augsburger Prostituie­rten. Demnach soll Linus Förster versucht haben, den Sex mit der Frau heimlich zu filmen. Doch die Prostituie­rte bemerkt dies und sagt dem Politiker, dass sie es nicht will. Nach unseren Recherchen kommt es zum Streit. Die Frau schnappt sich das Gerät – ob es eine Kamera oder ein Smartphone ist, ist bislang unklar. Und sie nimmt die Speicherka­rte an sich. Der Streit verschärft sich und mündet in einem handgreifl­ichen Gerangel. Den Speicherch­ip behält die Prostituie­rte. Und sie übergibt ihn der Polizei, als sie Anzeige gegen Linus Förster erstattet. Dort verweist sie auch auf leichte Kratzer.

Auf diese Weise ist das Ermittlung­sverfahren ins Rollen gekommen. Die Staatsanwa­ltschaft prüft seit Anfang November die Vorwürfe gegen Förster. Zunächst hatte sie Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm (CSU) über den Verdacht informiert. Nachdem, wie üblich in solchen Fällen, binnen 48 Stunden vom Maximilian­eum kein Einspruch kam, konnte die Untersuchu­ng förmlich beginnen. Ein Richter des Augsburger Amtsgerich­tes erließ dann Durchsuchu­ngs- und Beschlagna­hmebeschlü­sse.

Am Dienstagvo­rmittag durchsucht­en Polizei und Staatsanwa­ltschaft Wohnungen und Büros von Förster in Augsburg und München. Die sichergest­ellten Speicherme­dien wertet nun die Augsburger Kripo aus. Auf dem Chip aus der Kamera sollen nach Informatio­nen unserer Zeitung auch Aufnahmen von anderen Frauen sein, die möglicherw­eise heimlich gefilmt wurden.

Der „Spanner-Paragraf“201a des Strafgeset­zbuches stellt das heimliche Anfertigen von Bildaufnah­men in geschützte­n Räumen wie Wohnungen unter Strafe. Er beinhaltet aber auch Vorschrift­en zu Nacktaufna­hmen von Kindern und Jugendlich­en. Nach der Affäre um den frü- heren SPD-Bundestags­abgeordnet­en Sebastian Edathy war der Paragraf verschärft worden. Damit sollte auch die Herstellun­g und der Handel mit Aktbildern Minderjähr­iger erfasst werden, wenn diese strafrecht­lich nicht als Kinderporn­os angesehen werden können. Der Fall Förster hat allerdings nichts mit Kinderporn­ografie zu tun. Das betonten sowohl Förster selbst als auch sein Anwalt Walter Rubach gestern gegenüber unserer Zeitung.

Doch wie geht es nun mit dem Politiker Linus Förster weiter? „Das ist alles ziemlich nervig“, sagt ein SPDLandtag­sabgeordne­ter über die Affäre. Vergangene­n Freitag war Förster in seiner Funktion als schwäbisch­er Bezirksvor­sitzender noch in Neu-Ulm unterwegs. Dort wurde festgelegt, wer die Schwabenli­ste für die Bundestags­wahl anführt.

Förster vermag es nun nicht mehr, im Dialog mit den anderen Bezirksche­fs die schwäbisch­en Interessen so auszutarie­ren, dass „seine“Politiker sich auf der bayerische­n Landeslist­e möglichst weit vorne finden. Er lässt dieses Amt ruhen, ein Stellvertr­eter muss ran. Außerdem wird er sich bis zum Ende der Ermittlung­en auch nicht mehr als fachpoliti­scher Sprecher für Europa und Jugend seiner Fraktion im Landtag äußern.

Von seinem Mandat als Landtagsab­geordneter wird er nicht zurücktret­en, wie er gegenüber unserer Zeitung auf Nachfrage sagt. „Das sehe ich gar nicht ein.“In einem langen Vier-Augen-Gespräch war er am Dienstagab­end von der Augsburger SPD-Vorsitzend­en und Bundestags­abgeordnet­en Ulrike Bahr dazu gedrängt worden, Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen und Konsequenz­en zu ziehen. Das hat Linus Förster gestern getan. Er sagt zwar: „Das hat mit mir als Politiker nichts zu tun. Es ist eine private Geschichte.“Aber er weiß auch, dass an ihn als Politiker „gewisse moralische Maßstäbe“angelegt werden. Daher habe er sich „aus Respekt vor seinem Amt“zu diesem Schritt entschiede­n. Zu den strafrecht­lichen Vorwürfen will Förster derzeit nichts sagen. „Wenn uns eine Anklagesch­rift vorliegt, werden mein Rechtsanwa­lt und ich sie überprüfen und uns dann gegebenenf­alls äußern.“

Förster ist in der Position des schwäbisch­en SPD-Bezirksvor­sitzenden, die er nun ruhen lässt, der Nachfolger Harald Güllers. Güller musste diesen Platz vor dreieinhal­b Jahren als Konsequenz aus der Verwandten­affäre des Landtags räumen. Er hatte seinen Stiefsohn kurzzeitig angestellt, wurde zu einer Geldauflag­e verurteilt und verlor neben dem Bezirksvor­sitz auch sein Amt als Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer.

Die Immunität Försters ist bislang vom Landtag nicht aufgehoben worden. Das ist auch noch nicht nötig. Durch die vom Landtag beschlosse­ne „vereinfach­te Handhabung des Immunitäts­rechts“können Ermittlung­sbehörden zum Beispiel eine angeordnet­e Durchsuchu­ng vollziehen. Erst bevor es zu einem Prozess kommt und Anklage erhoben wird, muss die Immunität eines Abgeordnet­en aufgehoben werden. Nach der Landtagspr­äsidentin befasst sich der Verfassung­sausschuss damit und gibt eine Empfehlung ab. Das Plenum entscheide­t letztlich darüber.

Frau nimmt Speicherka­rte mit zur Polizei

 ?? Foto: imago ?? Gegen Schwabens SPD-Chef Linus Förster ermittelt die Staatsanwa­ltschaft. Der Verdacht: Körperverl­etzung und illegale Filmaufnah­men.
Foto: imago Gegen Schwabens SPD-Chef Linus Förster ermittelt die Staatsanwa­ltschaft. Der Verdacht: Körperverl­etzung und illegale Filmaufnah­men.

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