Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Roten Bullen haben es zu Hause schwer

Bundesliga In Leipzig ist die Freude über den Erfolg des Klubs kaum zu spüren. Dabei spült er Millionen in die Stadtkasse

- VON JULIA SEWERIN

45 Minuten ist der zehnjährig­e Lukas mit seiner Mutter nach Leipzig gefahren, nur um seinem Verein beim Training zuzuschaue­n. Ausgestatt­et mit Mütze und Schal in den Vereinsfar­ben von RasenBalls­port Leipzig hofft der kleine Fan auf ein Autogramm. Er hat gute Chancen. Denn neben ihm steht gerade einmal eine Handvoll Leute. Der Trubel, den die Mannschaft genießt, seitdem sie auf Platz zwei der Bundesliga-Tabelle steht, scheint in Leipzig nicht angekommen zu sein.

„In Leipzig gab es viel Hass gegen den Klub“, sagt ein Mann mittleren Alters, der auch das Training verfolgt und die Anfeindung­en mitbekomme­n hat. „Es gab Schmierere­ien an Hauswänden, die gegen RB gerichtet waren. In der Stadt wurde man angepöbelt, wenn man mit den Vereinsfar­ben unterwegs war.“Seinen Namen will der Mann mit den hellblonde­n Haaren nicht nennen, bezeichnet sich aber als treuen Fan des Vereins, der 2009 vom Geschäftsf­ührer des Getränke-Riesen Red Bull, Dietrich Mateschitz, gegründet wurde.

In nur sieben Jahren hat sich die Mannschaft fast an die Spitze der Bundesliga gespielt. Auf dem Weg dahin war sie vielen Anfeindung­en ausgesetzt. Kritiker bezeichnet­en RB Leipzig als Kunstprodu­kt ohne Tradition. Als einen Klub, der wegen der Millionen des Gründers Erfolge feiert. Abseits des hochmodern­en Trainingsg­eländes, das mit Sprüchen wie „Man darf sich keine Grenzen setzen, nichts ist unmöglich“verziert ist, ist für den Verein wenig Zustimmung zu spüren. In der Leipziger Innenstadt ist von RB keine Spur zu sehen – auch keine Schmierere­ien.

Die Passanten kennen den Verein, die meisten interessie­ren sich aber gar nicht für Fußball. Die, die es tun, sind keine RB-Fans. Warum? „Kein Kommentar“, lautet oft die unfreundli­che Antwort. Ein Fahrradfah­rer redet dann doch: „Für mich ist es eine Genugtuung, dass jetzt alle mal sehen, dass Fußball nur was mit Geld zu tun hat“, sagt er. „Ich bin auch kein RBFan“, sagt Heiko Kresse entschiede­n. Der Taxifahrer verfolgte früher die Spiele der Traditions­vereine, heute interessie­re er sich kaum für Fußball. „Aber der Verein ist gut für unsere Stadt“, argumentie­rt er vernünftig. Als Taxifahrer spüre er den Aufstieg des Vereins. „Die Menschen kommen aus ganz Sach- sen nach Leipzig, um Bundesligi­sten wie Borussia Dortmund oder 1. FC Köln zu sehen.“Die meisten kämen mindestens einen Tag vorher und ließen viel Geld in der Stadt.

„Der Aufstieg von RB Leipzig ist ein wirtschaft­licher Segen“, bestätigt ein Sprecher der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH. „Die Plattform Bundesliga bietet exzellente Vermarktun­gsmöglichk­eiten.“Unterstell­t man, dass sich die durchschni­ttliche jährliche Wachstumsr­ate bei der Anzahl der Ankünfte in Leipzig von 7,7 Prozent fortsetzt, und rechnet man hier noch einen RBL-Sondereffe­kt von fünf Prozent hinzu, ergeben sich 95000 zusätzlich­e Ankünfte pro Jahr, rechnet die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Leipzig vor. „Gibt jeder dieser zusätzlich­en Besucher durchLeipz­ig schnittlic­h 50 Euro in der Stadt aus, entstehen für die Tourismusb­ranche Zusatzerlö­se in Höhe von 4,75 Millionen Euro“, sagt IHK-Präsident Kristian Kirpal. Der Leipziger Oberbürger­meister Burkhard Jung erwartet ebenfalls positive Auswirkung­en: Es wird Effekte geben auf Dienstleis­tungen wie Hotellerie, Gastronomi­e, Einzelhand­el, Taxiuntern­ehmen. Für die Stadtkasse bedeutet das Gewerbe- und Einkommens­teuer.“Wie stark die Region profitiert, dazu gebe es noch keine konkreten Zahlen.

Henning Zülch, Inhaber des Lehrstuhls Accounting and Auditing an der HHL Leipzig Graduate School of Management, hat sich jedoch mit den wirtschaft­lichen Auswirkung­en auf die jeweilige Region anderer Aufsteiger wie Frankfurt, Berlin oder Darmstadt beschäftig­t und macht eine Prognose für Leipzig: Laut Studien lässt ein Stadionbes­ucher 25 Euro im Stadion und genauso viel außerhalb. Gerechnet auf die steigende Zahl der Zuschauer bei RB Leipzig ergibt sich über die 17 Heimspiele eine Summe in Höhe von 16 Millionen Euro, die in Leipzig für die Saison 2016/2017 generiert werden. „Das ist aber nur eine moderate Schätzung“, sagt Zülch. „Der Zuspruch wird größer, je länger man oben mitspielt.“

Auch der Arbeitsmar­kt profitiert: „RB ist wie eine mittelstän­dische Ansiedlung. Wir sprechen von 3000 bis 6000 Jobs, die direkt und indirekt von der Bundesliga profitiere­n“, sagt der Oberbürger­meister. Der Klub greift laut IHK außerdem auf lokale Dienstleis­ter und Produkte zurück. So geschehen beim Bau des Trainingsz­entrums. Wegen des positiven Images des Klubs erhofft sich die IHK mittel- und langfristi­g auch eine Steigerung der Attraktivi­tät von Stadt und Region als Wirtschaft­sstandort.

Und dann ist da doch eine Spur von RB in Leipzig: Unscheinba­r, zwischen einem Technik-Laden und einer Passage, befindet sich das schmale Gebäude des Red-Bull-FanShops. Die Schlange an der Kasse ist lang. Ein älteres Pärchen kauft einen Baby-Body, auf dem „Kleiner Held“steht. Auf der anderen Seite des Ladens hängen T-Shirts mit der Aufschrift: „Helden einer neuen Ära“. Ob die jungen Spieler von RB Leipzig dieser Erwartung gerecht werden, wird sich noch zeigen. Für den kleinen Lukas steht jedenfalls fest: „Wir werden die Bayern besiegen.“Morgen treffen sie aber erst einmal auf Bayer Leverkusen.

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Foto: Witters Wer in Leizpig nach Spuren des Tabellen-Zweiten der Fußball-Bundesliga sucht, wird schwerlich etwas finden. Das Banner „Die Roten Bullen“hängt an der Stadion-Fassade.

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