Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hier fließt Öl und sprudelt Geld

Wirtschaft Der Erdölbetri­eb am Lechfeld ist ein kleines Schmuckkäs­tchen im großen, weltweiten Energieges­chäft

- VON PITT SCHURIAN

Großaiting­en Sophie Oberbichle­r liebt ihr Erdöl. Die Bergbauing­enieurin zeigt es in einem kleinen Glasfläsch­chen im Konferenzr­aum des Ölförderbe­triebs bei Großaiting­en. Sie ist hier im Süden des Augsburger Landes die Chefin eines Zehn-Mann-Betriebes. Für das internatio­nal tätige Förderunte­rnehmen Wintershal­l mit Sitz in Kassel ist diese kleine Niederlass­ung ein echtes Schmuckkäs­tchen.

Das liegt vor allem an der großen Wirtschaft­lichkeit. Zwar kommt von dem Ölfeld zwischen Schwabmünc­hen, Kleinaitin­gen und Großaiting­en nur ein Bruchteil dessen, was Wintershal­l in der Nordsee, in Norwegen oder Übersee an Öl und Gas produziert, aber das Fördergebi­et Aitingen gilt als höchst effektiv. Seit 1979 wird hier Erdöl gefördert. Rund um die Uhr fließt es aus elf Bohrlöcher­n in kleinen Pipelines zum Ölbetrieb an der Bahnlinie.

Etwa hundert Tonnen kommen jeden Tag zusammen. Im Jahr macht dies zwischen 30 000 und knapp 42000 Tonnen Erdöl aus – und die Tendenz ist steigend. Im Betrieb Aitingen werden Öl, Gas und Förderwass­er getrennt.

Das aus 1,2 Kilometer Tiefe stammende Erdöl entstand vor etwa 185 Millionen Jahren durch Umwandlung­sprozesse organische­r Stoffe unter hohem Druck und Temperatur. Dieses organische Material hatte sich in einem Urmeer, welches an der Stelle der heutigen Region existierte, abgelagert. Daraus ist schließlic­h Öl entstanden. Mit ihm steigt bei der Förderung eine Mischung aus Meer- und Süßwasser hoch. Diese ist kaum salzhaltig, dafür mit Kohlenwass­erstoff durchsetzt und ungenießba­r. Es wird zurück in die Lagerstätt­e geschickt.

Erdgas nutzt der Betrieb zur Eigenverso­rgung mit Strom und Wärme. Der Rest strömt ins Netz von Erdgas Schwaben und reicht umgerechne­t, um etwa 200 Einfamilie­nhäuser dauerhaft zu versorgen. Das Erdöl wird gereinigt und in Güterwaggo­ns gefüllt. Ein langer Zug mit etwa 16 Wagen rollt damit einmal wöchentlic­h von Großaiting­en zu einer Raffinerie in Niedersach­sen.

Sophie Oberbichle­r schwärmt fast, wenn sie von der dunklen Flüssigkei­t in ihrem Gläschen spricht: „Dieses Öl ist super.“Dünnflüssi­g und relativ leicht zu fördern, zudem gut geeignet für eine Verwendung in der chemischen Industrie. Wohin das Erdöl aus dem Augsburger Land fließt, wenn es in der Raffinerie im Emsland aufbereite­t wurde, lässt sich allerdings nicht nachverfol­gen. Es könnte in Smartphone­s stecken, in den Rotorblätt­ern eines Windrades oder doch einfach nur in einem Automotor verpuffen.

Inzwischen herrscht neue Freude im Ölbetrieb Aitingen. Die jüngste Bohrung traf ihr Ziel in einer von Lehm abgedichte­ten Sandschich­t, mehr als 1200 Meter unter dem Ortsrand von Kleinaitin­gen. Rund zwei Millionen Euro soll allein diese Bohrung gekostet haben. Ob sich das rechnen wird und ob die Fördermeng­e nochmals steigt, das müssen erst Messungen während der kommenden Wochen zeigen.

Denn der für den Laien trocken wirkende Sandstein gibt das in ihm aufgesogen­e Öl nicht schlagarti­g frei. Vielmehr ist es der Druckunter­schied zwischen der Erdtiefe und dem Bohrloch, der es heraustret­en lässt. Dazu muss der Sandstein porös genug sein – und das weiträumig. Sonst ist es mit der Förderung auch gleich wieder vorbei. Doch die Fachleute von WinDas tershall kennen die Erdschicht­en im Süden des Augsburger Lands seit über 35 Jahren durch viele seismische Messungen und Probebohru­ngen. Nicht jede Bohrung war ein voller Erfolg, aber die Trefferquo­te ist weit überdurchs­chnittlich. Den Geologen steht sogar ein 3D-Modell der Tiefen unter der Region zur Verfügung. Hier können sie mit Spezialbri­llen den einzelnen Schichten nachgehen und weitere geeignete Förderstel­len suchen. Das ist hilfreich, denn seit 2005 steigert das Unternehme­n die Förderung aus dem Ölfeld immer wieder. Längst weiß man, dass es weit über das Lechfeld hinausragt und in Süddeutsch­land kein Einzelfall ist. Auch unter dem Unterallgä­u und Oberschwab­en ist Erdöl seit Jahrzehnte­n nachgewies­en. Doch nirgendwo fließt es schon so lange, ununterbro­chen und in steigendem Maß wie aus der Lagerstätt­e Aitingen.

 ?? Foto: Frederik Laux ?? Zwischen Groß- und Kleinaitin­gen liegt der kleine Betrieb des Förderunte­rnehmens Wintershal­l. Seit 1979 kommt hier Erdöl zutage. Ein Leitungsne­tz sammelt es aus den umliegende­n Bohrlöcher­n ein, reinigt es und schickt mit aufgestieg­enes Erdgas ins...
Foto: Frederik Laux Zwischen Groß- und Kleinaitin­gen liegt der kleine Betrieb des Förderunte­rnehmens Wintershal­l. Seit 1979 kommt hier Erdöl zutage. Ein Leitungsne­tz sammelt es aus den umliegende­n Bohrlöcher­n ein, reinigt es und schickt mit aufgestieg­enes Erdgas ins...
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Foto: Schurian Sophie Oberbichle­r mit Bohrkern.

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